„Ich habe es mir viel düsterer vorgestellt“, „Albanien??? Davon musst du mir mehr erzählen“ – die Reaktionen auf die ersten Fotos, die ich in den sozialen Netzwerken von meiner Reise in den Balkanstaat poste, liegen zwischen Überraschung und Neugier. Mir geht es nicht anders.
Eine Rundreise, wie sie etwa Veranstalter wie Dertour im Programm haben, soll für die nötigen Antworten sorgen.
Eine Woche Albanien, im Kleinbus mit neun Mitreisenden, kreuz und quer durch das Balkanland, das für viele und auch für mich noch ein weißer Fleck auf der touristischen Karte ist. Mein Entdeckerinstinkt ist geweckt.
„Willkommen in Albanien, lassen Sie uns gemeinsam den letzten Kultur- und Naturschatz Europas entdecken,“ empfängt uns Emiliano Abedini am Flughafen von Tirana. Für die kommenden sieben Tage wird uns der 25-jährige Reiseführer die Schönheiten seiner Heimat zeigen: „Freuen Sie sich – es gibt viel zu sehen und das auf kleinstem Fleck.”
Flanieren durch die Stadt der tausend Fenster
Wir besuchen die pulsierende Kapitale Tirana, die wegen ihrer urigen Kneipen, den schönen Cafés und ihrer Sehenswürdigkeiten jetzt schon als Trend-Städteziel 2020 gehandelt wird und machen – den Einheimischen gleich – einen Abendspaziergang im pittoresken Berat.
Die Stadt der tausend Fenster, durch deren Herz sich der Fluss Osum schlängelt, zählt zu den schönsten Albaniens.
Honig und Bier
Im Dorf Morava besuchen wir eine Imkerei und staunen über die kunterbunten Bienenstöcke, in denen emsige Bienen den Honig produzieren, der bis in die USA exportiert wird. Das benachbarte Korca – gerne wegen seiner von Bäumen gesäumten Flaniermeilen auch das Paris Albaniens genannt – ist mit der ältesten Brauerei des Landes die ungekrönte Bierhauptstadt des Balkanstaates.
Der kann übrigens auch ganz romantische Seiten haben, etwa bei einer Bootsfahrt auf dem Koman-Stausee mit seinem hellgrünen Wasser, das von mächtigen Felsen eingerahmt ist. Traumhaft.
Unterwegs kaufen wir uns frisches Obst von Bauern, die am Straßenrand ihren kleinen Stand aufgebaut haben, legen einen Stopp ein an einem Berghang, wo Bunker wie Pilze aus dem Boden schießen. An die 180.000 Relikte aus der dunklen Vergangenheit Albaniens sollten landesweit der Bevölkerung Schutz vor Fremden bieten. Heute ziehen die Betonkonstruktionen die Touristen an.
Und immer wieder kommt es zu tierischen Begegnungen wie mit dem faulen Schaf in Shkodra, das sich lieber von Herrchen im Fahrradkorb kutschieren lässt oder der Ziegenherde, die in bester Lage und mit toller Aussicht an der Spitze des Bergpasses ein Sonnenbad nimmt.
Archäologie und Strandtage
Wer sich für eine Rundreise mit dem Bus entscheidet, muss sich auf zum Teil enge, holprige Straßen und endlose Serpentinen einstellen. Die Distanz zwischen A und B wird dabei in Fahrzeit statt Kilometern angegeben.
Das ist realistischer. Der Mehrwert macht aber alle Strapazen wieder wett. Das Land der Adler, wie die Albaner ihre Heimat nennen, entschädigt mit spektakulären Bergkulissen, malerischen Dörfern, archäologischen Ausgrabungsstätten wie die von Butrint, das auf der Unesco-Weltkulturerbeliste steht, und natürlich mit endlosen, schönen Stränden. 300 Sonnentagen im Jahr sind Grund genug für eine Erfrischung im Ionischen Meer oder in der Adria.
Als Zugabe gibt es immer wieder interessante Begegnungen mit Einheimischen, wie etwa mit der Frau, die zusammen mit ihrer kleinen Familie auf dem zentralen Skanderbeg-Platz von Tirana mit Hunderten von Gleichgesinnten friedlich für den Klimaschutz demonstriert. „Wir haben mit dem Aufbau Albaniens alle Hände voll zu tun, aber wir dürfen dabei die Umwelt nicht außer Acht lassen. Es geht um die Zukunft unserer Kinder,“ sagt sie nachdenklich.
Die Albaner sind ein herzliches und offenes Volk, wie der alte Herr, der mich in der Altstadt von Gjirokastra anspricht. Wir schlendern gemeinsam durch die breiten Kalksteingassen, die von liebevoll restaurierten Gebäuden gesäumt sind.
Museumsbesuch und Folkloreklänge
Der pensionierte Lehrer begleitet mich noch ein Stück auf dem Weg hoch zur Burg, erzählt mir mit Tränen in den Augen von seinem Sohn in Boston und seiner Tochter in Bordeaux. Er hat beide besucht, aber weder in den USA noch in Frankreich wollte er bleiben. Die Sehnsucht nach der Heimat war einfach zu groß.
Unvergessen bleibt auch die Begegnung mit Hajdar Kamberi, dem Ciftelispieler von Kruja. Der alte Herr und sein zweisaitiges Zupfinstrument hätten sich keine bessere Bühne für ihre Performance aussuchen können als die mittelalterliche Festung des albanischen Nationalhelden Gjergj Kastrioti Skanderbeg.
Folkloreklänge mit Panoramablick hinunter ins Tal oder sanfte Beschallung beim Rundgang durch das dortige Nationalmuseum – das hat was.
Eine Frage bleibt noch zu klären. Was isst man in Albanien? Spontan kommt einem die Küche griechisch vor. In den Restaurants werden Speisen wie der Auberginen-Auflauf Moussaka angeboten.
Das etwas andere Souvlaki
Es gibt auch Souvlaki – aber Achtung, in Albanien kommen dann keine Spieße sondern Gyros auf den Teller. Auch türkische Einflüsse – angefangen bei Börek, dem herzhaft gefüllten Blätterteig, bis hin zu Süßigkeiten wie Baklava – sind erkennbar.
Alte albanische Rezepte wieder neu entdeckt hat Bledar Kola. Die serviert der mittlerweile international bekannte Koch in seinem rustikalen Restaurant Mullixhiu in Tirana, wobei er Wert auf lokale und regionale Zutaten legt. Gëzuar, Prost mit einem Gläschen Raki, dem landestypischen Tresterschnaps, der überall gereicht wird und Zeit ein Fazit zu ziehen.
Albanien ist mehr als einen Besuch wert, ob als Rund- oder Badereise. Wer darüber hinwegsehen kann, dass in der noch jungen Tourismusmaschinerie manchmal noch ein paar Sandkörner im Getriebe sind, der wird mit einer wunderschönen Naturkulisse, pittoresken, geschichtsträchtigen Städten, guter Küche und gastfreundlichen Menschen belohnt. Auch preislich ist das Land gegenwärtig noch sehr attraktiv.
Fakten
Rundreise: Die achttägige Busrundreise „Höhepunkte Albaniens“ ab/bis Tirana kostet bei Dertour ab 699 Euro pro Person. Im Reisepreis inklusive sind sieben Übernachtungen/Doppelzimmer, Frühstück und Abendessen, Transfers ab/bis Flughafen Tirana und Deutsch sprechende Reiseleitung.
Die Busrundreise wird zwischen Mitte Mai und Mitte Oktober durchgeführt und ist auch als Selbstfahrer-Autotour buchbar. Infos auf dertour.de im Internet.
Flüge: Ab Bremen mit Lufthansa über Frankfurt nach Tirana.
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