Die Wirtschaftsbehörde leitet Kristina Vogt seit August, zuvor war sie Fraktionsvorsitzende der Linken.Foto: Schlie Die Wirtschaftsbehörde leitet Kristina Vogt seit August, zuvor war sie Fraktionsvorsitzende der Linken. Foto: Schlie
Interview

Vogt: Im Sommer Pflöcke einschlagen

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Wirtschaftssenatorin Kristina Vogt (Linke) über Ausbildungsfonds, Bundeshilfen und Start-ups.

Weser Report: Frau Vogt, müssten Sie als Politikerin der Linken nicht ihren Amtstitel ändern und die Arbeit voranstellen, also Senatorin für Arbeit, Wirtschaft und Europa statt Senatorin für Wirtschaft, Arbeit und Europa?

Kristina Vogt: Der Name hat sich traditionell so etabliert. Arbeit und Wirtschaft hängen ja zusammen, das eine bedingt das andere. Welcher Bereich als erster genannt wird, ist unerheblich.

Die Arbeitswelt verändert sich, insbesondere durch die Digitalisierung. Wie helfen Sie den Beschäftigten, den Wandel zu meistern?

Wir fordern zum Beispiel ein Transformation-Kurzarbeitergeld. Bisher zahlt die Arbeitsagentur Kurzarbeitergeld nur, wenn die Konjunktur schlecht läuft. Wir wollen, dass Beschäftigte auch in einer Transformationsphase, also während einer grundlegenden Veränderung der Fertigungsprozesse und damit der Arbeitswelt, in Kurzarbeit gehen dürfen und sich während dieser Zeit weiter oder für andere Aufgaben qualifizieren können.

Viele Maßnahmen können Sie nur gemeinsam mit der Bundesregierung angehen. Wie weit sind Sie da?

Wir haben viele Gespräche geführt, etwa über die Raumfahrt. Bremen wird sehr stark davon profitieren, dass die Europäische Weltraumorganisation ESA vor allem auf Drängen Deutschlands mehr Geld bekommt. Mit Wirtschaftsminister Peter Altmaier will ich darüber reden, wie wir eine europäische Regelung für die Stahlindustrie erreichen. Und ich will mit ihm über Strukturhilfen für den Kohleausstieg sprechen. So wie sie jetzt geplant sind, wird Bremen nicht davon profitieren.

In Bremen wird ja auch keine Kohle abgebaut.

Auch andere Länder, in denen keine Kohle abgebaut wird, profitieren von der Strukturhilfe, wenn sie wie Bremen Standorte von Steinkohle-Kraftwerken sind. In Bremen würde das Unternehmen SWB davon profitieren, aber auch Bremen insgesamt als Standort. Mit den Strukturhilfen könnten wir die Frage erneuerbarer Energie und neuer Speichermedien für Energie und Wasserstoff finanziell ganz anders angehen.

Unternehmen, die nicht ausbilden, sollen in einen Fonds einzahlen. Wann kommt der?

Wir haben zwei Jahre Zeit, eine Lösung zu finden. Gemeinsam mit Kammern, Unternehmensverbänden, Gewerkschaft und Arbeitsagentur haben wir eine Lenkungsgruppe eingesetzt, die möglichst schnell Maßnahmen erarbeiten soll. Im Sommer wollen wir schon die ersten Pflöcke einschlagen.

Ist solch ein Fonds verfassungsrechtlich erlaubt?

Das prüfen jetzt unabhängige Experten. Er muss aber auch operationalisierbar sein. Wir wollen ja keinen Papiertiger schaffen. Klar ist: Die Ausbildungsquote muss besser werden. In kleinen und mittleren Unternehmen haben wir in Bremen eine gute Quote, aber in den großen ist sie oft bescheiden. Es gibt zum Beispiel in Bremerhaven mehrere Firmen, die mehr als 250 Beschäftigte haben, aber nicht ausbilden. Und oft werden Auszubildende aus kleinen Unternehmen von Betrieben abgeworben, die ungenügend ausbilden. Darunter leiden nicht nur Handwerksbetriebe. Aber aus die Sache kommt Bewegung, immer mehr ausbildende Unternehmen sind mit dieser Praxis unzufrieden.

Die Wirtschaft in Bremen wächst kaum noch, die Zahl der Arbeitslosen steigt. Wie stoppen Sie die Entwicklung?

Es gibt einen konjunkturellen Abschwung, aber keine Rezession. In Bremen haben wir eine Besonderheit: Wir haben unter allen Bundesländern die höchste Indus­triedichte und den höchsten Exportanteil. Deshalb sind wir stärker als andere von Entwicklungen betroffen, die wir nicht beeinflussen können wie den Handelsstreit zwischen China und den USA oder den Brexit.

Andere Bundesländer haben einen höheren Anteil an Dienstleistern. Hat Bremen den Strukturwandel verpasst?

Wir haben einen guten Dienstleistungsbereich, gerade in den wissensbasierten Dienstleistungen. Aber der stand bisher nie so im Fokus. Da müssen wir noch mehr Standortunterstützung bieten. Insbesondere im Bereich der Digitalisierung und bei der Künstlichen Intelligenz ist Bremen sehr gut aufgestellt.

Sie haben das Starthaus aufgefordert, mehr Gründerinnen zu fördern. Wie weit sind Sie?

Es wird verstärkt auf Gründerinnen und Migranten ausgerichtet. Dafür muss es auch andere Formate entwickeln, weil Gründerinnen sich häufig auch noch um Kinder kümmern oder anderswo noch teilzeit arbeiten müssen. Außerdem werden Mitarbeiter im Starthaus noch mehr rausgehen, an die Universitäten, Hochschulen und in die Quartiere. Wir wollen 2020 noch aktiver auf die Zielgruppen zugehen.

Gibt es in Bremen denn genug Geldgeber für Start-ups?

Da sind die Norddeutschen eher zurückhaltend und scheuen sich, ins Risiko zu gehen. Wir brauchen noch mehr Anstrengungen, um vorhandenes Kapital für Gründungen zu aktivieren.

Neue Unternehmen brauchen auch neue Flächen.

Es geht nicht nur darum, Flächen für neue Unternehmen bereitzuhalten. Wir müssen uns auch um die kümmern, die schon hier sind. Wir haben nur eine beschränkte Anzahl an Grundstücken, deshalb müssen wir verdichten so wie in der Airport City, und in der Logistik müssen wir auch in die Höhe bauen. Das Güterverkehrszentrum läuft voll. Wir verbinden die Frage nach neuer Fläche allerdings immer mehr mit der Frage: Wie viele Arbeitsplätze entstehen dann dort? Das ist entscheidend.

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