Trotz des Kurztrainingslagers in Leipzig hat der Vorletzte der Fußball-Bundesliga deutlich mit 0:3 (0:2) verloren. Lukas Klostermann (17.), Patrick Schick (38.) und Nordi Mukiele (46.) erzielten die Tore für die kaum geforderten Leipziger.
Werder legte indes das nächste Spiel ohne eigenes Tor hin und hat nunmehr in der Liga seit 696 Minuten nicht mehr selbst getroffen. Seit dem 15. Spieltag durften die Bremer lediglich zwei Eigentore der Gegner bejubeln – mehr nicht.
Die Rückrundenbilanz steht jetzt bei einem Sieg und vier Niederlagen. Zu allem Überfluss verloren die Bremer auch noch Abwehrmann Kevin Vogt mit einer noch nicht näher benannten Verletzung.
Trainingslager ohne Effekt
Drei Tage lang hatte Trainer Florian Kohfeldt sein Team in Leipzig zusammengezogen, um sich auf die Partie vorzubereiten. Er wollte mit jedem Spieler sprechen, er wollte allen die Lage verdeutlichen, er wollte fußballerische Lösungen erarbeiten, wie Werder die Situation bewältigen kann. Und er stellte schon nach 24 Stunden fest, dass „der Effekt, den wir uns erhofft haben, eingetreten“ sei.
Auf dem Platz war davon jedoch nichts zu sehen. Das Kurztrainingslager hat nichts gebracht, und Kohfeldt hat nun noch eine Patrone weniger im Magazin. Mittlerweile spitzt sich die Frage, was Werder tun kann, um den Abstieg zu vermeiden, auf die eine Antwort zu: Trainerwechsel. Einige Fans fordern Kohfeldts Ablösung schon seit Wochen.
Sportchef Frank Baumann und Aufsichtsratsboss Marco Bode stehen bislang aber fest zu dem Coach. Auch Davie Selke, der Ex-Leipziger, der Werder wegen seiner fünften Gelben Karte am Samstag fehlte, sprach sich im Sky-Interview klar für Kohfeldt aus. „Über den Trainer müssen wir gar nicht groß reden. Er macht das überragend. Er hat uns im Kurztrainingslager alle ins Boot geholt. Wir Spieler sind jetzt in der Bringschuld, den Trainer aus der Schusslinie zu nehmen“, sagte der Stürmer.
Fehlpässe und Verunsicherung
Allerdings kamen Selkes Kollegen dieser Bringschuld gegen den Tabellenzweiten in keiner Weise nach. Das Bremer Spiel war einmal mehr von Fehlpässen und Verunsicherung, einem deshalb nicht vorhandenen Spielaufbau sowie haarsträubenden Fehlern geprägt.
Im Grunde galt diese Formel: vertikaler Pass = Ballverlust. Und hinten meldete sich ein treuer, aber überhaupt nicht gern gesehener Freund zurück: die Schwäche bei gegnerischen Standards. Das Leipziger 1:0 resultierte aus einem Freistoß aus dem Halbfeld. Im Strafraum ließen alle Bremer ihre Gegenspieler aus den Augen, weshalb Schick ungehindert auf Klostermann querlegen konnte (17.).
Bei Werder hatten Milos Veljkovic (bekam den Vorzug vor Ömer Toprak), Marco Friedl und in letzter Konsequenz der überraschend aufgebotene Yuya Osako im Kollektiv versagt.
Vogt verhindert Schlimmeres
Und so ging es auch weiter. Nach einem katastrophalen Friedl-Rückpass verhinderte Kevin Vogt noch das 0:2 (26.), das dann aber nach einem Eckball fiel. Schick köpfte ein, nachdem er sich zunächst mit einem leichten Schubser der Bewachung durch Veljkovic entledigt hatte. Ein Foul? Selke sah es so: „Ich bin selbst Stürmer, will deshalb keine Ausrede suchen. Das kann man pfeifen, muss man aber nicht.“
Das Tor zählte, und Werder registrierte am 22. Spieltag das 50. Gegentor der Saison – zudem das 17. nach einem ruhenden Ball. Es sind Horror-Quoten, die kaum noch Hoffnung zulassen, dass die Bremer am Ende den Abstieg abwenden können.
Offensiv brachten die Gäste in der ersten Halbzeit zwei nennenswerte Aktionen zusammen. Friedl versuchte es aus der Distanz (33.), Rashica verzog nach Zuspiel von Gebre Selassie, der nach zwei Monaten sein Comeback feierte, deutlich (35.). Dennoch waren das die Augenblicke, die Selke im Halbzeitgespräch motivierten, von Szenen zu sprechen, auf die man aufbauen könne.
Nächster Treffer direkt nach der Pause
Konnte man nicht. Denn direkt nach Wiederbeginn ging Werder hart auf die Bretter. Kapitän Moisander, ohnehin erschreckend schwach, verpasste einen langen Ball, Mukiele lief Friedl davon und vollstreckte kompromisslos. 32 Sekunden waren da nach Wiederbeginn erst gespielt.
Und hatte sich Werder irgendetwas für den zweiten Durchgang vorgenommen, so war das alles dahin. 0:3, kein Zutrauen, keine spielerischen Mittel, keine funktionierende defensive Ordnung, einfach nichts. Leipzig reichte eine Leistung, die irgendwo zwischen 60 und 70 Prozent der normalen Anforderung angesiedelt war, um die Bremer klar zu beherrschen und zu bezwingen.
Als ob das nicht alles schon schlimm genug gewesen wäre, passierte auch noch, was überhaupt nicht passieren durfte. Abwehrchef Vogt, bis dahin der beste Bremer, verletzte sich am linken Knie und musste ausgewechselt werden. Humpelnd verließ der Innenverteidiger den Platz – das sah schwer nach einem Ausfall auch für die Partie gegen Borussia Dortmund am kommenden Samstag (15.30 Uhr) aus. Dann muss Werder auch auf Maximilian Eggestein verzichten. Der Mittelfeldspieler sah früh in der Partie seine fünfte Gelbe Karte.
Bremen hat es so verdient. Ein gebürtiger Siegener lässt Bremen mehr und mehr siegen.
Weiter so. Dank Kohfeldt, der in Siegen geboren ist und seinen Sieg feiern kann, in Bremen beliebt zu sein, ist Werder demnächst schon wieder mehr im Norden zuhause, als jetzt. Standesgemäß kann sich Bremen darauf freuen, sich demnächst auch fußballerisch in der Liga wiederzufinden, in der sich ein Großteil der Landeshauptstädte der nordischen Bundesländer vertreten sieht. Bis auf Rostock, als neues nordisches Bundesland diesbezüglich ebenfalls standesgemäß in der dritten Liga vertreten, sind Bolzclubs aus Hamburg, Kiel und Hannover entsprechend zweitklassig. Die Hoffnung bei Exilbremern mit Anspruch und Niveau steigt mit Kohfeldt als Trainer also, Werder bald nicht mehr in der 1. Bundesliga zu sehen und nicht durch unerträglich gewaltbereite Fans auf internationaler Ebene automatisch mit vertreten zu sein.
Im Norden zu Hause
Welcome. Werder kann sich aus Sicht von Exilbremern freuen. In der nächsten Saison geht es, standesgemäß für die „Bremer“, vielleicht gegen Vereine aus anderen nordischen Landeshauptstädten, wie Hannover, Hamburg vielleicht, über St.-Pauli aber auf jeden Fall als solche vertreten, oder Kiel.