Delme Report: Herr Westphal, nach vier Jahren als Geschäftsführer der Volkshochschule Delmenhorst verlassen Sie das Haus, um die Entwicklungsarbeit in Mali zu unterstützen…
Martin Westphal: Ja, aber ich hatte das gar nicht vor. Ich habe ein Angebot bekommen, mit dem ich gar nicht gerechnet habe. Denn als ich vor vier Jahren die Leitung der VHS übernahm, hatte ich hier noch rund zehn Berufsjahre vor mir.
Was genau werden Sie in West-Afrika machen?
Ich werde für den deutschen Volkshochschulverband arbeiten, der international tätig ist und mit Erwachsenenbildung in einigen Regionen die Entwicklungsarbeit unterstützt. Mein Einsatzgebiet ist die Region um Mali. Dort geht es um Grundbildung und Alphabetisierung. Das ist eng verknüpft mit der Sozialstrukturförderung und soll die Menschen vor Ort in die Lage versetzen, ihre eigene Situation zu verbessern. Sie lernen rechnen, schreiben, erwerben IT-Kenntnisse und werden dadurch befähigt, die lokale Wirtschaft zu stärken. Ein Ziel ist zum Beispiel, dass die Frauen ihre eigenen Produkte, die sie erwirtschaften, besser zu vermarkten lernen. Es geht nicht darum, sie zu belehren, sondern dazu beizutragen, dass sie ihre eigenen Lösungsansätze finden. Ich werde die Projekte dort konzipieren, koordinieren und dafür sorgen, dass eingeworbene Gelder ordnungsgemäß abgerechnet werden. Auch wird es darum gehen, bei der örtlichen Politik für unsere Form der Bildung zu werben.
Wo wird Ihr Standort genau sein?
Mein Büro ist in Bamako, der Hauptstadt Malis. Die Dozenten aus der Gegend fahren direkt in die Ortschaften.
Inwieweit sind Ihre Erfahrungen, die Sie in Delmenhorst gesammelt haben, dabei hilfreich?
In Delmenhorst ist die Gesellschaft sehr stark multikulturell geprägt und auch in der VHS vereinen wir etliche Nationalitäten. Ich denke dass man mit der Zeit ein Gefühl dafür kriegt, respektvoll mit unterschiedlichen Kulturen zusammenzuarbeiten.
Waren Sie früher schon einmal in der Entwicklungsarbeit tätig?
Ja, vor etwa 15 Jahren im Rahmen eines EU-Projekts in Bulgarien. Dort ging es zwar nicht um Entwicklungsarbeit im engeren Sinn, aber um die Heranführung an die Standards der Europäischen Union. Damals ging es auch um ein Erwachsenenbildungsprojekt. Das Thema Entwicklungsarbeit hat mich aber immer wieder interessiert und auch zu einigen Kurzzeiteinsätzen geführt. Ich war 2010 zum Beispiel in den palästinensischen Autonomiegebieten und habe dort Trainings für Berufsschullehrer gemacht.
Als Sie vor vier Jahren die Geschäftsführung der VHS in Delmenhorst übernommen haben, was hatten Sie sich damals vorgenommen?
Ich wollte die Idee der VHS als Bildungsdienstleister für die Bürger sowie als Teil des kulturellen und sozialen Lebens fortführen und auch weiterentwickeln. Unter anderem hat mich schon damals der Bereich der politischen Bildung sehr interessiert, den ich neben meiner Tätigkeit als Geschäftsführer auch inhaltlich vertreten habe. Die VHS soll ein Forum für den Gedankenaustausch zu politischen und kommunalen Themen sein. Andererseits muss man natürlich auch immer gucken, was hier für Themen anliegen. Bildung dient ja auch immer dazu, Menschen einen beruflichen Weg zu ebnen oder sie dabei zu unterstützen. Auch dieses Thema hat mich immer sehr motiviert in der Erwachsenenbildungsarbeit.
Was konnten Sie realisieren?
Die kontinuierlichen Bildungsangebote zur Erinnerungsarbeit, wie beispielsweise vor zwei Jahren das Ausstellungsprojekt zur Befreiung des KZ Dachau „A Letter to Debbie“ oder die Reihe zum Boelcke-Geschwader, das auf dem ehemaligen Fliegerhorst Adelheide zeitweise stationiert war, im letzten Frühjahr. Auch die kommunalpolitische Reihe „Kommunalpolitik verstehen“ mit Politikern aus dem Stadtrat gehört dazu. Zudem hat sich der Bereich der beruflichen Integration sehr gut an der VHS in Delmenhorst entwickelt.
Gibt es Projekte, die Sie ihrem Nachfolger hinterlassen?
Ja, zu den zurzeit großen gesellschaftlichen Themen wie Digitalisierung und Nachhaltigkeit muss an der VHS noch mehr passieren. Ich will nicht sagen, dass dahingehend gar nichts passiert ist, es hat durchaus Ansätze gegeben. Ich glaube, dass die VHS dazu einen wichtigen Beitrag leisten kann und die Möglichkeit hat, Themen in die Breite zu bringen.
Gehört das nicht sowieso zur Aufgabe der VHS?
Ja, aber wir waren in den vergangenen Jahren sehr stark mit der sprachlichen Integration von geflüchteten Migranten und Migrantinnen beschäftigt. Das ist auch gut so. Der zweite Schritt ist jetzt, sie hier beruflich zu verankern. Gleichzeitig dürfen wir aber nicht den klassischen Bereich der VHS aus den Augen verlieren. Das wird auch die Herausforderung bleiben in den nächsten Jahren.
Sie haben vor einigen Monaten eine Online-Befragung durchgeführt. Was ist dabei herausgekommen?
Die Kunden erwarten von uns, dass wir verstärkt verträglichere Formate anbieten. Die Leute sind heute beruflich anders eingespannt als früher und wir müssen neben den klassischen Kursformaten auch kompaktere Angebote machen.
Der Aufsichtsrat hat Ihren Vertrag zum 29. Februar aufgehoben. Wann starten Sie in Mali?
Es gibt eine mehrwöchige Vorbereitungszeit, unter anderem in Bonn. Dazu gehört neben einem Sprach- auch ein Sicherheitstraining sowie Landeskunde und eine Schulung zu den administrativen Abläufen. Für Juni ist dann die Ausreise geplant.
Waren Sie zuvor einmal in Mali?
Ja, ich war im Oktober des vergangenen Jahres für eine Woche dort und habe mir alles angesehen.
Container oder Koffer? Was nehmen Sie mit?
Ich mache es mit zwei großen Koffern und werde mir dort ein Bett und einen Stuhl kaufen.
Zur Person:
Martin Westphal ist 60 Jahre alt. Er studierte zunächst Sozialwissenschaften, danach dann Betriebswirtschaft. Er stammt gebürtig aus Hannover und ist verheiratet. Die Volkshochschule Delmenhorst leitet er seit März 2016.
Der Aufsichtsrat hat sich bereits für einen Nachfolger entschieden, Verträge werden in diesen Tagen gemacht.