Unkomplizierte Hilfe: Coach Anja Oden hilft Bremern in ihrer Not. Foto: Anja Oden
Coronakrise

Coach Anja Oden: „Nennen wir es Krisenintervention“

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Tipps vom Profi gegen Ängste während der Corona-Isolation: Anja Oden hilft mit Telefongesprächen.

Weser Report: Frau Oden, Sie haben sich der Facebook-Gruppe Coronahilfe Freie Hansestadt Bremen angeschlossen und bieten Gespräche an. Warum?

Anja Oden: Ich möchte helfen. Ich habe überlegt, was ich tun könnte, und da ich unter anderem eine psychotherapeutische und eine Coaching-Ausbildung habe, dachte ich, ich biete einfach neben anderen Unterstützungsleistungen wie Einkaufen, Gesprächszeit an. Das ist Teil meiner Profession.

Wie ist die Resonanz bislang?

Es gibt ein erstaunlich großes Echo, das habe ich so nicht erwartet: In nur vier Tagen gab es schon 20 Anfragen.

Wie erklären Sie sich das?

Normalerweise sind wir oft unterwegs. Und nun sind wir plötzlich auf uns selbst zurückgeworfen. So gibt es etwa in Beziehungen, in denen es auch vor Corona schon Probleme gab, kein Entkommen mehr. Durch diese Ausnahmesituation entsteht so eine Nähe zum Partner, die zu verschärften Konflikten führen kann. Wir sehen zum Beispiel jetzt schon, dass die Scheidungsrate in China angestiegen ist, ebenso wie die häusliche Gewalt gegenüber Frauen.

Wer meldet sich bei Ihnen mit welchen Problemen?

Ich habe beispielsweise eine kranke Frau mit drei Kindern, die nicht weiß, wie sie ihr Leben organisieren soll. Eine Frau, die ihren kranken und sehr fordernden Mann pflegen muss, Menschen, die eh schon mit Depressionen zu kämpfen haben und gerade sehr unter der Situation leiden. Selbst für seelisch und körperlich gesunde Menschen ist die Situation nicht leicht zu verkraften. Wir alle haben Sorgen, Nöte, vielleicht sogar Existenzängste. Diejenigen, die dazu noch eine psychische Vorgeschichte haben, trifft das umso härter.

Wie helfen Sie diesen Menschen?

Viele zerreißen sich zwischen Home Office, Partner, Haushalt und Kinderbetreuung. Da braucht man auch mal einen kleinen Moment der Ruhe, Zeit für sich alleine, zum Auftanken. Ich sehe meine Aufgabe darin, den Blick für solche Möglichkeiten und für die eigenen Ressourcen zu öffnen. Aber ich verfolge keinen therapeutischen Anspruch, das geht in dieser Form gar nicht. Ich biete einfach an, zu telefonieren. Nennen wir es eine Art Krisenintervention.

Was genau sagen Sie den Anrufern?

In erster Linie höre ich zu und versuche den Blick auf die eigenen Kraftquellen zu richten, Ratschläge gebe ich eher nicht. Wenn jemand das Gefühl hat, im Chaos zu versinken, versuche ich, mit ihm eine Struktur zu erarbeiten. Denn wenn man mittendrin steckt, fallen einem die einfachsten Sachen nicht mehr ein, die aber Halt geben. Wie morgens aufstehen, sich fertig machen, die Wohnung in Schuss halten. Wenn man es halbwegs im Griff hat, eine äußere Ordnung herzustellen, dann hilft das auch gegen innere Unruhe und Stress.

Wie kann ich mir selbst helfen? Was machen Sie?

Denken Sie an all das, was Ihnen auch vor Corona schon Energie gegeben hat. Ich mache zum Beispiel Yoga, lese Bücher, schaue Filme auf netflix, die ich im Kino verpaßt habe, räume die Wohnung auf und pflanze Frühlingsblumen. Und vor allem habe ich viel Kontakt mit Familie und Freunden. Natürlich nur digital. Aber Kontakte sind das Wichtigste. Telefonieren, skypen oder texten Sie sich die Welt nach Hause. Oder gehen Sie bei dem herrlichen Wetter spazieren – das darf man ja und es hilft gegen trübe Gedanken. Und gucken Sie vor allem nicht jede Talkshow zu dem Thema.

Gibt es irgendetwas Positives, das man der Krise abgewinnen kann?

Bestenfalls die Erkenntnis, dass man auch allein stärker ist als man denkt. Vielleicht relativiert sich auch die Bedeutung all der Ablenkungen, mit denen wir uns sonst so umgeben und wir merken, was eigentlich wirklich zählt im Leben: all die Hilfsbereitschaft und Solidarität, die gerade entsteht. Und ich merke, was mich in einer Krise trägt und das kann auch stärken.


Zur Person:
Anja Oden arbeitet als Führungskraft im Personalbereich bei Mercedes-Benz. Die 54-Jährige hat eine psychotherapeutische Ausbildung, eine Ausbildung im Coaching und eine systemische Beratungsausbildung.

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