Weser Report: Frau Vogt, zu Beginn der Corona-Pandemie versprach Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier, dass die Bundesregierung alles tun wird, damit kein Arbeitsplatz verloren geht und kein gesundes Unternehmen schließen muss. Halten Sie das Versprechen in Bremen?
Kristina Vogt: Das kann man für keinen Ort der Welt versprechen. Es gibt Bereiche, in denen Unternehmen die Geschäfte nicht nachholen können, die sie während der Corona-Pandemie verloren haben. Da helfen keine Konjunkturprogramme.
Der Ruf nach Konjunkturprogrammen wird trotzdem immer lauter.
Den Ruf gibt es zu Recht. Wir brauchen ein Konjunkturprogramm für das Handwerk und für die Industrie. Wenn es nicht vom Bund kommt, sollten wir auch im Land darüber nachdenken. Die Wirtschaft stand ja schon vor der Corona-Pandemie vor der Frage: Wie gelingt der Wandel zu einer stärker digital und ökologisch ausgerichteten Wirtschaft? Diesen Wandel wollen wir beschleunigen und sollten daher in Konjunkturprogrammen des Senats entsprechende Anreize geben, damit Bremen nicht den anderen Ländern hinterherläuft, nur weil die Bundesprogramme vielleicht zu zögerlich kommen oder die größeren Summen in den Süden der Republik fließen, wie wir es aus der Vergangenheit kennen.
Wie viel Geld kann Bremen für solche Programme geben?
Wir werden über die Bereitstellung vom Mitteln reden müssen. Die Größenordnung ist im Moment noch schwer absehbar. Wir müssen die Verluste ausgleichen, die öffentliche Unternehmen wie die BSAG oder die Messegesellschaft erleiden. Und wir müssen die Anreize für einen digitalen und ökologischen Wandel der Wirtschaft schaffen. Stichworte sind Airbus und öko-effizientes Fliegen und Strom aus Wasserstoff für die Stahlwerke.
Die beiden Projekte gibt es doch längst.
Beim Airbus-Projekt sind wir fortgeschritten und suchen den Schulterschluss mit den anderen Standorten. Aber bei den Stahlwerken stehen wir am Anfang. Die öffentliche Finanzierung des Wasserstoff-Projekts ist noch nicht geklärt. Wenn der Bund die Fördermittel nicht liefert, müssen wir es als Land Bremen tun. Wenn wir Airbus und Stahlwerke nicht verlieren wollen, müssen wir zeigen, warum Bremen für sie als Standort wichtig ist.
Wo bleibt der Mittelstand?
Auch um den müssen wir uns kümmern, auch um das Handwerk. Ich plädiere dafür, dass Bremen jetzt investiert, um Unternehmen und Arbeitsplätze zu sichern. Wir haben hier einen öffentlichen Sanierungsstau von den Straßen bis zu den Schulen, und wir müssen die Digitalisierung voranbringen.
Soll das Land Bremen zusätzlich zu einem Konjunkturprogramm noch ein Investitionsprogramm finanzieren?
In die konkrete Ausgestaltung müssen wir jetzt gehen. Wir haben ja seit Beginn der Corona-Pandemie eine Sozialpartnerrunde mit Kammern, Gewerkschaften, Unternehmensverbänden, dem Finanzsenator und dem Bürgermeister. In dieser Runde müssen wir besprechen, welche Programme wir jetzt auflegen müssen, damit Bremen nicht nur Anschluss halten kann an die Entwicklung anderer Bundesländer, sondern auch mal auf die Überholspur gehen kann.
Wie sieht Bremens Wirtschaft nach der Corona-Krise aus?
Die Pandemie trifft die Unternehmen besonders, die vorher schon einen schweren Husten hatten. Das sind zum Teil Mittelständler, die selbst in einen ruinösen Preiswettbewerb eingestiegen sind. Es sind aber auch Industrieunternehmen, die Probleme haben, sich umzustellen etwa auf neue Antriebsstoffe für Autos. Wir dürfen mit dem Konjunkturprogramm nicht den ruinösen Preiswettbewerb fördern.
Einige Anträge auf Soforthilfe enthalten falsche Angaben. Wie viele Antragsteller wurden wegen Betrugs angezeigt?
Tatsächlich haben auch wir schon erste Anzeigen gestellt. Wir haben aber viele unklare Fälle erst einmal zurückgestellt und werden sie bearbeiten, wenn wir die eindeutig richtigen Anträge erledigt haben. Aber klar ist auch: Bei einem Verdacht auf Subventionsbetrug werden wir auch Anzeige erstatten.
Wie hoch steigt die ohnehin schon relativ hohe Arbeitslosigkeit in Bremen?
Wir gehen davon aus, dass die Erwerbslosigkeit in Bremen ansteigt. Deshalb brauchen wir unterschiedliche Programm. Wir müssen jene schneller erreichen, die jetzt arbeitslos werden, damit sie nicht dauerhaft arbeitslos bleiben. Dafür werden wir die Programme stärker darauf ausrichten, dass sie eine Qualifizierung für einen anderen Beruf ermöglichen. Hierfür müssen wir auch Landesmittel einsetzen. Und die anderen Programme müssen weiterlaufen.
Die Hilfsprogramme kosten Milliarden. Wie sollen die Ausgaben ausgeglichen werden? Durch höhere Steuern?
Allen ist bewusst, dass das Geld irgendwann wieder hereingeholt werden muss. Aber erst, wenn sich Wirtschaft und Arbeitsmarkt erholt haben.