Erste Hilfe per Telefon: Jürgen und seine Mitstreiter der Anonymen Alkoholiker wissen, wann Not am Mann ist und wie man Betroffenen helfen kann. Foto: Lenssen
Anonyme Alkoholiker

Treffen im virtuellen Raum

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Wie Anonyme Alkoholiker sich trotz Kontaktbeschränkung helfen, um die Kraft der Gemeinschaft nutzen zu können.

Kirsten ist eigentlich eine zuversichtliche fröhliche Frau. Doch die aktuelle Situation nagt an ihr. „Für viele alkoholkranke Menschen ist die Schließung unserer Kontaktstelle eine Katastrophe, das Leben in der Isolation ganz bitter“, sagt die 48-Jährige, während sie die Stufen zur ersten Etage hinauf geht. Das Treppenhaus ist gepflegt, es duftet nach Kaffee. Das Haus an der Straße Geeren gehört zur Kaffeerösterei Münchhausen.

Kirsten schließt die Tür zur Kontaktstelle der Anonymen Alkoholiker (AA) auf. An normalen Tagen würde sie nun ein paar Kannen Kaffee aufsetzen, wenig später mit 10, 20 oder auch mal 25 Freunden – so nennen sich die Betroffenen der AA untereinander – in einem Gesprächskreis zusammensitzen. Diese Treffen sind das wichtigste Instrument der Anonymen Alkoholiker, das Zusammensein in der Gemeinschaft ist wichtiger ein Teil für ein nüchternes Leben.

Kontaktstelle geschlossen

Jetzt ist nicht nur die Kontaktstelle in Nähe der Schlachte geschlossen, auch alle anderen Treffen, die sonst täglich und über ganz Bremen verteilt unter anderem in Gemeinde-, Bürger- oder Krankenhäusern stattfinden, fallen wegen der Corona-Pandemie aus. „Am 17. März hatten wir das letzte Treffen. Für Leute, die jetzt Hilfe suchen, sind wir auf den ersten Blick unsichtbar. Genau deswegen bieten wir ganz niederschwellig virtuelle Räume für unsere Treffen an“, erzählt Jürgen, der heute im Büro der Kontaktstelle einige orgnisatorische Dinge erledigt. Später wird er sich von hier aus in ein Telefon- oder Videomeeting einwählen.

Kirsten und Jürgen gehören zum festen Stamm der Anonymen Alkoholiker in Bremen. Die beiden wissen um die verheerenden Auswirkungen von Alkohol – deswegen sind sie einst zu den AA gekommen. Aber Kirsten und Jürgen wissen eben auch, wie man ohne Alkohol lebt, denn sie haben die Krankheit und ihr Leben wieder in den Griff bekommen. Seit mehr als zehn Jahren sind sie trocken.

Verständnis aus eigener Erfahrung

„Wir verstehen, wie es den Hilfesuchenden geht, wie Alkoholiker ticken. Leute, die neu sind, wissen nicht, wie man einen einzigen Tag oder sogar eine Woche ohne Alkohol übersteht“, sagt Jürgen. „Aber wir wissen auch, wie man da raus kommen kann und das Leben wieder bunt und lebenswert wird“, schiebt Kirsten nach.

Es seien eben diese Meetings aus denen jeder Teilnehmer seine Kraft ziehen kann. „Dieses Wir am Tisch – diese Vertrauensbasis, Ehrlichkeit und Offenheit sind unglaublich, obwohl man mit einem Rucksack voller Probleme in solch ein Treffen hinein gekommen ist. Und ich stelle auch jedes Mal wieder fest: Der ganze Tag nach einem Meeting ist toll“, beschreibt Kirsten.

Kraft der Gemeinschaft

Auch Jürgen weiß um die Kraft der Gemeinschaft. „Es gibt keine hoffnungslosen Fälle. Jeder kann es schaffen. Und genau deswegen sind wir jetzt mit unseren Treffen auch ins Internet umgezogen“, sagt Jürgen. Die Resonanz sei sehr positiv. Und neu dazu kommende Hilfesuchende könnten so den Einstieg schaffen.

Kirsten hofft, dass möglichst viele Betroffene die Angebote der AA annehmen. Im Moment nur in der virtuellen Welt, aber bald hoffentlich auch wieder auf eine Tasse Kaffee in einer der vielen Gruppen überall in Bremen.

Erste Hilfe bei den Anonymen Alkoholikern erhält man donnerstags von 19 bis 20 Uhr. Unter der Telefonnummer 0221-98  88  21  19 und folgenden Eingabe der Codenummer 4343105# kann man sich mit einem ganz normalen Telefon einwählen. Eine Stunde lang existiert hier ein virtueller Raum, in dem Fragen beantwortet, Ängste genommen und mit Unsicherheiten aufgeräumt werden soll. Mehr Infos unter anonyme-alkoholiker.de (Internetgruppe Nordwest) oder der Telefonnummer der Kontaktstelle 45  45  85.

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