Weser Report: Herr Eckhoff, schon vor Wochen haben Sie gefordert, eine Exit-Strategie zu entwickeln. Jetzt lockert der Senat nach und nach die Corona-Beschränkungen. Zufrieden?
Jens Eckhoff: Nein. Jetzt kommt genau das, was ich befürchtet habe. Ein unüberschaubarer Flickenteppich. Warum durfte der Friseur schon öffnen, das Fitnessstudio aber noch nicht? Das ist schwer zu verstehen. Die Politik handelt willkürlich. Wir brauchen anhand von regionalen Kennzahlen verlässliche Kriterien für alle Bereiche. Das kann dann auch jeder nachvollziehen: Sind die erfüllt, passiert das und das. Es macht ja keinen Sinn, die Gastronomie an der Ostsee zu schließen, weil es in Süddeutschland viele Infizierte gibt.
Jetzt haben sich die Länderchefs mit der Bundeskanzlerin auf eine Formel geeinigt: Sobald sich in einer Stadt oder einem Landkreis binnen sieben Tagen mehr als 50 Menschen je 100.000 Einwohner neu infizieren, müssen die Lockerungen zurückgenommen werden.
Das ist richtig, aber nur eine Kennzahl und es hätte viel früher kommen müssen.
Der Senat hat einen Bremen-Fonds mit 1,2 Milliarden Euro beschlossen, um die wirtschaftlichen und sozialen Folgen der Corona-Pandemie zu mildern. Warum kritisieren Sie das?
Ich finde es grundsätzlich gut, dass es solch einen Fonds gibt. Wir müssen aber gucken, ob die Mittel ausreichen. Im Verhältnis zu den Maßnahmen anderer Bundesländer ist er klein. Die Summe muss, wenn es erforderlich ist, deutlich erhöht werden. Es muss aber eine klare Differenzierung geben: Welche Einbußen sind Coronabedingt? Und welche waren schon vor Corona da? Der Klinikverbund Geno hatte schon lange vor Corona Probleme. Deshalb können wir nicht den gesamten Verlust aus dem Bremen-Fonds ausgleichen. Auch der Flughafen hatte vor Corona bereits Probleme. Das Geld aus dem Fonds darf nicht für den allgemeinen Haushalt zweckentfremdet werden.
Wer kommt denn am Schluss für all die Corona-Hilfen auf, für die Ausgaben, die jetzt dafür getätigt werden?
In meiner Partei gibt es viele, die sagen: Wir müssen jetzt den Solidaritätszuschlag abschaffen und zwar für alle, auch für die Vermögenden. Ich frage mich eher, ob wir den Solidaritätszuschlag nicht verlängern müssen und wir ihn nicht mehr Soli-Zuschlag für die deutsche Einheit nennen, sondern Corona-Zuschlag. Das ist zwar nicht populär, aber all die Maßnahmen, die jetzt beschlossen werden, müssen finanziert werden. Wir wissen nicht, wie schnell die Wirtschaft wieder hochfährt. Deutschland und insbesondere Bremen ist stark vom Export abhängig. Wenn sich die Wirtschaft im Ausland nicht schnell erholt, werden wir das hier merken.
Wo kann Bremen denn sparen, um Geld für Corona-Hilfen frei zu machen?
Wir fangen ja erst mit den Beratungen über den Haushalt 2020/21 an. Da werden wir uns darüber unterhalten müssen, welche Ausgaben sinnvoll sind und welche nicht. Aber viel Luft ist im Bremer Haushalt nicht. Wir werden auch noch Steuerausfälle von rund 500 Millionen Euro haben. Das heißt, Anfang Juli werden wir den Haushalt in der Bürgerschaft verabschieden, und Ende Juli muss der Senat wahrscheinlich eine Haushaltssperre beschließen.
Der Senat hat auch angekündigt, dass sich Bremen notfalls an Unternehmen beteiligt, um sie zu retten. Aber welche seiner eigenen Unternehmen könnte er verkaufen, um Geld einzunehmen?
Mittelfristig kann man darüber nachdenken, ob Bremen eine Parkplatzgesellschaft vorhalten muss. Aber erst einmal muss man die Innenstadt neu ordnen und das wird Jahre dauern und dann kann man einen Verkauf der Brepark erwägen.
Mit dem Bremen-Fonds will der Senat auch einen sozial-ökologischen Umbau vorantreiben. Das hat mit Corona direkt aber wenig zu tun. Oder?
Die Frage ist: Wie definieren wir das? Wir sind nicht gegen eine Stärkung neuer Bereiche. Streit wird es geben, wenn es um die Konkretisierung geht. Der Wirtschaft zu helfen und Bereiche wie die Digitalisierung, die Wasserstoff-Technologie, die Elektro-Mobilität, Start-ups oder universitäre Ausgründungen zu unterstützen, kommt Bremen zugute. Das schafft auch Arbeitsplätze. Aber eine Stärkung der Mobilität kann nicht heißen, dass man mit dem Geld aus dem Fonds neue Busse für die BSAG besorgt. Auch der Rückbau von Straßen oder das Anlegen von Fahrradwegen hat nichts mit Corona zu tun. Das sind normale Infrastrukturmaßnahmen, die man aus dem normalen Haushalt finanzieren muss. Wir brauchen schon klare Konzepte.
Was bedeutet das denn für den geplanten Umbau der Innenstadt?
Nach Corona fällt es noch schwerer zu sagen, wie entwickeln sich die Innenstadt und der Einzelhandel dort. Die Frage ist: Was will der Senat? Es ist nicht klar, wer die Verhandlungen mit den Investoren führt. Wer in der Frage Cityumbau überhaupt politisch führt. Zuständig wäre die Bausenatorin. Doch von Maike Schaefer vernimmt man dazu wenig, und Bürgermeister Andreas Bovenschulte grätscht sie auch noch ab. Jemand muss einen Kreis mit den großen Investoren einrichten und die Maßnahmen koordinieren. Vielleicht ist dafür die neue Staatsrätin Gabriele Nießen geeignet oder man holt einen externen Koordinator.