Weser Report: Frau Wischhusen, wie lange halten die bremischen Unternehmen angesichts der massiven Einschränkungen noch durch?
Lencke Wischhusen: Das ist für alle Unternehmen eine wahnsinnige Herausforderung. Denn ihnen fehlen ja laufende Einnahmen. Deshalb müssen wir dafür sorgen, dass die Hilfen sehr unbürokratisch und schnell fließen. Es ist erschreckend, zu sehen, dass viele Anträge noch nicht bearbeitet wurden. Vor allem brauchen die Firmen einen Zeitplan, wann sie ihren Alltagsbetrieb wieder aufnehmen können.
Kommen die Lockerungen zu langsam?
Wir müssen aufpassen, dass die Corona-Werte nicht weiter ansteigen. Allerdings müssen wir uns auch täglich fragen, welche Einschränkungen und Auflagen überhaupt noch gerechtfertigt sind.
Zum Beispiel?
Ein Thema ist die Maskenpflicht. Im öffentlichen Personennahverkehr ist sie sinnvoll, aber im Einzelhandel sollte man es jedem einzelnen Geschäft überlassen, ob eine Maskenpflicht notwendig ist. Viele Läden haben zwar geöffnet, sind aber leer. Die Menschen fühlen sich unter einer Maske nicht wohl. Außerdem ist deren Wirkung umstritten. Vor allem aber sollte den Menschen gesagt werden, wann die Maskenpflicht wegfällt.
Der Senat will einen Bremen-Fonds mit 1,2 Milliarden Euro auflegen, um die Folgen der Corona-Pandemie zu mildern. Wohin soll das Geld fließen?
Das Geld darf nicht wie mit einer Gießkanne überall tröpfchenweise verteilt werden. Wir haben Investitionen in die Bildung und die Digitalisierung in den Mittelpunkt gestellt. Die Unternehmen müssen wir auch darin unterstützen, dass sie für ihre Beschäftigten Homeoffice-Plätze einrichten können. Außerdem schlagen wir auch vor, das Vergaberecht zu ändern, damit Projekte möglichst schnell auf den Weg gebracht werden können. Und wir müssen immer daran denken, dass jeder in ein Unternehmen investierte Euro gut angelegtes Geld ist, weil dadurch Arbeitsplätze, Steuereinnahmen, unsere Sozialsysteme und unser Wohlstand gesichert werden.
Der Senat will mithilfe des Bremen-Fonds auch den sozial-ökologischen Umbau der Wirtschaft vorantreiben. Was müsste dafür vorrangig getan werden?
Es ist vermessen und falsch, Unternehmen jetzt durch zusätzliche Anforderungen zu belasten und ihnen nur dann zu helfen, wenn sie zusätzlich diese und jene Kriterien erfüllen. Wenn wir beispielsweise anfangen, Unternehmen, die nicht an einen Tarifvertrag gebunden sind, Landesmindestlohn-Dokumentationspflichten aufzuerlegen, sehe ich das kritisch. Grundsätzlich stehen wir aber dafür, dass soziale und ökologische Aspekte berücksichtigt werden sollen.
Wie wollen Sie verhindern, dass der Senat Geld aus dem Bremen-Fonds in stadt- und landeseigene Betriebe steckt, die vorher schon in den Miesen waren?
Darüber, insbesondere über den Geno-Klinikverbund, haben wir in der Fraktion schon gesprochen. Es ist unsere Aufgabe als Opposition zu kontrollieren, dass der Senat die aktuelle Situation nicht als Entschuldigung nutzt, um mit dem Fonds die zunehmend größeren Haushaltslöcher zu stopfen. Bei den Haushaltsberatungen werden wir sehr darauf achten, wie die Hilfen verteilt werden.
Wie soll Bremen das Geld wieder einnehmen, das es jetzt für die Hilfen ausgibt?
Wir haben den Senat aufgefordert, einen Tilgungsplan für die neuen Schulden vorzulegen. Der nächste Schritt muss sein: Wie schaffen wir es, dass Bremen für die Wirtschaft wieder attraktiver wird? Wie können wir neue Unternehmen anwerben? Wie können wir es schaffen, dass in den Firmen, die vor einem Generationswechsel stehen, die Nachfolge gelingt? Unternehmen, die keinen Nachfolger finden und vielleicht sogar noch in Schieflage geraten, sind attraktiv für auswärtige Firmen. Solch einen Ausverkauf sollten wir verhindern, weil sonst der Standort Bremen massiv geschwächt wird.
Der Senat schließt nicht aus, dass sich Bremen auch an notleidenden Unternehmen beteiligt. Ist das erfolgversprechend?
Grundsätzlich bin ich nicht dafür, dass sich der Staat an Unternehmen beteiligt. Besser wäre ein Konzept, wie er zum Beispiel über zinslose Darlehen helfen könnte. Jeder Schritt in Richtung Verstaatlichung stärkt massiv die Einflussnahme des Staates. Das darf nicht passieren. Bei den bremischen Eigenbetrieben zeigt sich ja, dass der Staat nicht der bessere Unternehmer ist.
Auf der Agenda des Bremen-Fonds steht auch der Umbau der City und der Wandel des Einzelhandels. Worauf kommt es da an?
Wir sind für einen Gleichklang von Leben, Wohnen und Arbeiten in der Innenstadt und für mehr individuelle Geschäfte. Und der Domshof muss wieder belebt werden. Genauso wichtig ist die Entwicklung des Sparkassenareals Am Brill. Wir müssen die Investoren auch entwickeln lassen, sonst investiert niemand mehr in Bremen. Es geht darum, Investoren als Partner zu sehen und nicht als Feinde. Diese Einsicht wünsche ich mir vor allem von der Baubehörde.