Weser Report: Herr Bovenschulte, knapp ein Jahr nach der Bildung der rot-grün-roten Koalition sind erste Misstöne zu hören. Wo knirscht es?
Andreas Bovenschulte: Nirgendwo. SPD, Grüne und Linke haben nicht nur die Koalitionsvereinbarung gemeinsam beschlossen, sondern entgegen manchen Unkenrufen auch den Haushalt im Senat einvernehmlich verabschiedet. Das war nicht einfach, weil es wie immer mehr Wünsche gab als Geld. Dass man dann in der einen oder anderen Sache unterschiedlicher Meinung ist, das kommt vor.
Wie wirkt sich die Coronakrise auf die geplanten Projekte der Koalition aus?
Klar ist: Die Rahmenbedingungen haben sich grundlegend geändert. Es brechen die Einnahmen weg, aber deshalb dürfen wir nicht einfach parallel dazu die Ausgaben kürzen. Wir können der Krise jetzt nicht hinterher sparen. Sonst vertieft sie sich, es fallen noch mehr Einnahmen weg und am Ende haben wir ein noch größeres Finanzloch.
Im Moment ist Sparen nirgends angesagt. Bund und EU legen Milliarden Euro schwere Konjunkturprogramme auf, Bremen steckt 1,2 Milliarden in einen Bremen-Fonds. Welches Geld nutzt Bremen wofür?
Vorrang hat ja immer, dass wir die Hilfen des Bundes in Anspruch nehmen. Beim Konjunkturprogramm hat der Bund bislang nur den Rahmen gesetzt, die Details werden erst noch geregelt. Und da wollen die Länder auch mitsprechen. Aus unserer Sicht geht es darum, für möglichst viele Bremer und Bremerhavener Projekte die größtmögliche Unterstützung aus Berlin zu bekommen, um möglichst viele Arbeitsplätze zu sichern und zu erhalten.
Welche Projekte stehen im Vordergrund?
Zum Beispiel die Förderung einer nachhaltigen und wettbewerbsfähigen Stahlproduktion, der Bau klimaschonender Flugzeuge, Elektromobilität und autonomes Fahren und die Weiterentwicklung unserer Hafeninfrastruktur. Manche Projekte werden Bund und Land hoffentlich gemeinsam finanzieren, bei anderen ist Bremen möglicherweise allein gefordert. Deshalb ist es wichtig, dass wir jetzt den Bremen-Fonds haben. Was konkret und in welcher Dimension aus den Konjunkturprogrammen des Bundes nach Bremen fließt, kann man jetzt aber noch nicht sagen.
Ein Programmpunkt der Koalition ist der Bau mietgünstiger Wohnungen. Wie kommt der voran?
Im bundesdeutschen Durchschnitt sank der geförderte Wohnungsbau von 2018 auf 2019 um 5,5 Prozent, in Bremen stieg er im gleichen Zeitraum um 248 Prozent. So wollen wir auch weitermachen. Wir wollen insgesamt in dieser Legislaturperiode die Voraussetzungen für den Bau von insgesamt 10.000 Wohnungen schaffen. Der Baubranche kommt jetzt in der Pandemie die Rolle einer Konjunkturlokomotive zu, gerade auch in Bremen, denn als exportorientiertes Land leiden wir besonders unter der weltweiten Konjunkturkrise.
Bremen kann die Baubranche unterstützen, indem es in Straßen und öffentliche Gebäude investiert.
Ja, das stimmt. Ohne privates Kapital geht es aber auch nicht. Deshalb ist es wichtig, dass wir jetzt auch bei den großen städtebaulichen Projekten zügig vorankommen.
Welchen Einfluss kann die Stadt nehmen? Sie ist ja an den Immobiliengesellschaften Gewoba und Brebau beteiligt.
Gewoba und Brebau sind wichtige Akteure im Wohnungsbau, in der Quartiersentwicklung und zunehmend auch im Bau sozialer Infrastruktur. Direkt und indirekt nimmt so die Stadt auch Einfluss auf die Bauentwicklung. Häufig aber sind die Grundstücke nicht in öffentlicher Hand. Deshalb machen wir ja Vorkaufsrechte geltend, wenn ein privates Grundstück zum Verkauf steht und wir das Gefühl haben, da geht es nicht voran. Einen Stillstand können wir uns nicht leisten.
Zum Beispiel das Hachez-Gelände.
Für das Gelände haben wir in der Tat die rechtlichen
Voraussetzungen für ein Vorkaufsrecht geschaffen. Zurzeit befinden sich Bau- und Wirtschaftsressort in intensiven Gesprächen mit den Eigentümern über die Entwicklung des Grundstückes.
Die Investoren für den Sparkassen-Komplex Am Brill haben Sie persönlich getroffen …
… das stimmt. Aber um mal mit einem Mythos aufzuräumen: Alle Entwicklungen dort erfolgen in enger Abstimmung zwischen den beteiligten Ressorts. Es geht darum, möglichst schnell zu einer Einigung darüber zu kommen, was die Investoren dort bauen dürfen.
Beim Bau von Schulen und Kitas wollen Sie mit Brebau zusammenarbeiten. Brebau baut und vermietet die Gebäude dann an die Stadt. Gilt das für alle Projekte?
Nein, wir schauen uns jedes einzelne Projekt an und suchen in jedem einzelnen Fall nach der besten Lösung. Letztlich geht es darum, dass ausreichend Kita- und Schulplätze zur Verfügung stehen.
Auch die stadteigenen Unternehmen leiden unter der Krise, zumal der Flughafen und der Klinikverbund Geno schon vorher Probleme hatten. Wie kommen die da heraus?
Regionalflughäfen haben überall in Deutschland Probleme, weil sie zu klein sind, um Gewinne zu erwirtschaften. Aber ein Flughafen ist für ein Oberzentrum wie Bremen und die gesamte Region wichtig. Er steht nicht zur Disposition, auch wenn er Unterstützung braucht.
Die braucht die Geno auch. Sie schrieb schon vor dem Ausbruch der Corona-Pandemie rote Zahlen.
Es wird Unterstützungsbedarf geben, das ist sicher, denn gerade die Pandemie hat deutlich gemacht, wie wichtig ein handlungsfähiges Gesundheitssystem ist. Grundsätzliches Ziel ist eine schwarze Null, auch wenn dies sicher nicht von heute auf morgen zu erreichen sein wird. Dafür muss man auch bundesweite Rahmenbedingungen ändern, zum Beispiel das Zusammenspiel zwischen Krankenkassen, Krankenhäusern und Medizinischem Dienst.