Weser Report: Herr Jung, nach dem Sommer bekommt der kommunale Bremer Klinikverbund Gesundheit Nord, kurz Geno, eine neue Geschäftsführerin. Was muss Dorothea Dreizehnter zuerst anpacken?
Peter Jung: Mit Frau Dr. Dreizehnter habe ich in Berlin zusammengearbeitet…
…. Sie sitzen seit 2010 im Aufsichtsrat von Vivantes, dem kommunalen Klinikverbund in Berlin, der im Gegensatz zur Geno keine Verluste schreibt…
…Frau Dreizehnter war eine maßgebliche Treiberin der Restrukturierung von Vivantes. Mit ihr kommt jemand zur Geno, die es kann. Jetzt gibt es keine Ausreden mehr. Verluste sind allerdings zu Zeiten von Corona kaum zu vermeiden.
Für die Geno gab es schon verschiedene Sanierungskonzepte und Geschäftsführer, die sie umsetzen wollten. Warum soll die Sanierung jetzt erfolgreich sein?
Ich gehe nicht davon aus, dass alle Sanierungskonzepte schlecht waren und Geschäftsführer nicht die Fähigkeit zur Umsetzung hatten. Ich vermute, dass es andere Hindernisse im Umfeld der Geno geben kann.
Welche?
Politische Einflussnahmen zum Beispiel auf die Entgeltpolitik, auf Beschäftigungsbedingungen bis hin zu Einflussnahmen auf Bettenabbau oder Bettenaufbau in bestimmten Stationen. Das zermürbt die Glaubwürdigkeit der Geschäftsführung im Unternehmen. Dabei sehe ich durchaus den Interessenkonflikt der politisch Verantwortlichen, wenn sie, egal von welcher Partei, eine Funktion im Aufsichtsrat haben. Sie stehen unter Partei- und Koalitionszwängen, wollen wiedergewählt werden und auf der anderen Seite steht die alleinige Verpflichtung der Gesellschaft gegenüber.
Das ist kein speziell bremisches Problem.
Das ist in jedem öffentlichen Unternehmen so. In Berlin hatten wir während der Restrukturierung des Klinikverbundes mit Ulrich Nußbaum einen Finanzsenator, der parteiunabhängig war. Und mit ihm und dem damaligen Regierenden Bürgermeister Klaus Wowereit hatten wir ein Gespann, dass uns komplett den Rücken freigehalten hat.
Löhne und Gehälter zu deckeln oder gar zu kürzen macht ja noch keine erfolgreiche Sanierung aus.
Nein, die Geno hat von außen betrachtet ein Strukturproblem. In Berlin haben wir das Leistungsspektrum von Vivantes deutlich erweitert. Zu dem Verbund gehören nicht nur neun Krankenhäuser, sondern unter anderem auch Pflegeheime, Seniorenwohnungen und Rehabilitationszentren. Wir bieten alles aus einer Hand und erzielen Synergien.
In Bremen wird eher darüber diskutiert, ob sich die vier Kliniken nicht auf jeweils bestimmte Bereiche konzentrieren sollten und nicht jedes Haus alles bietet.
Das widerspricht sich doch nicht. Eine Restrukturierung kann auch einhergehen mit der Verbesserung der Versorgung durch Konzentration. Alle wissen, dass die Qualität eines Operierenden auch davon abhängig ist, wie viele Patienten mit ein und demselben Symptom er behandelt, wie viele er operiert. Ich gehe lieber zu einem Arzt, der täglich mehrere Hüftoperationen durchführt, als zu einem, der in der gleichen Zeit nur zwei macht. Da bringt Konzentration bessere Versorgung und spart Kosten.
Dann verlängert sich für viele Bremer der Weg in das Krankenhaus.
Wir verwechseln in Deutschland die Nähe eines Krankenhauses mit der Qualität der Versorgung. Andere Länder zeigen, dass es mit Konzentration, Zentrenbildung, Ambulantisierung, Digitalisierung und einer hervorragende lokalen Erstversorgung möglich ist, eine mindestens gleichwertige, aber kostengünstigere Versorgung darzustellen.
Von solch einer Zentrenbildung werden nicht alle Pflegekräfte und Mediziner begeistert sein.
Selbstverständlich wird es Widerstand geben, auch von lokalen Politikern. Auch von den Mitarbeitern und Personalräten. Wir haben in den Krankenhäusern einen Mangel an Mitarbeitern, ihre Arbeitsplätze sind also gesichert. Für sie geht es nur darum, ob sie dann 10 oder 20 Kilometer weit zur Arbeit fahren müssen. Das kann man verlangen. Ein Großteil der Sanierung war in Berlin nur durch das Mitwirken der Arbeitnehmer möglich.
Die auf Gehaltserhöhungen verzichtet haben…
…wir haben mit den Arbeitnehmervertretern einen Verzicht vereinbart, so lange die Restrukturierung läuft. Über Jahre haben die Kolleginnen und Kollegen auf eine Anpassung der Gehälter verzichtet. Eine weitere Voraussetzung zur Sanierung war ein transparentes Kostenrechnungssystem. Jeder Verantwortliche kann seither Leistung und Aufwand nachvollziehen. Da gab es am Anfang viele überraschte Gesichter von Ärzten, die sagten: Das kann nicht sein, ich stehe den ganzen Tag im Operationssaal und das wirtschaftliche Ergebnis meiner Abteilung ist negativ? Transparenz ist notwendig, um optimieren zu können.
All das soll die neue Geschäftsführerin der Geno, Dorothea Dreizehnter, jetzt durchsetzen?
Frau Dr. Dreizehnter wird ihre Maßnahmen bestimmen. Ich kann mir aber nicht vorstellen, dass es dem Bürgermeister oder dem Finanzsenator Spaß macht, jedes Jahr zweistellige Millionenbeträge in den Geno-Verbund zu stecken. Schön wäre ein Stillhalte-Abkommen unter allen Parteien: Wir mischen uns zwei Jahre lang nicht ein und lassen die neue Geschäftsführerin mal machen.