Seit mehr als zehn Jahren ist Klaus Filbry schon Teil der Geschäftsführung des SV Werder Bremen – längst als deren Vorsitzender. Doch eine so schwierige Zeit wie die aktuelle hat der 53-Jährige noch nicht erlebt. Die Folgen der Coronavirus-Pandemie und der Abstiegskampf haben dem Club finanziell schwer zugesetzt. Im Trainingslager in Zell am Ziller beschreibt Klaus Filbry die aktuelle Lage, die Perspektiven und Möglichkeiten des Clubs.
Herr Filbry, Sie haben im Frühjahr, am Anfang der Coronakrise, gesagt, der SV Werder sei bis Herbst durchfinanziert. Wie ist die aktuelle Lage?
Klaus Filbry: Wenn wir den beantragten KfW-Kredit bekommen, dann ist die Saison komplett durchfinanziert. Das ist im Übrigen keine Staatshilfe, das möchte ich noch mal klarstellen. Der Kredit wird durch eine Bürgschaft des Staates zu 80 Prozent abgesichert und wird normal getilgt und mit Zinsen zurückgezahlt. 16 Vereine aus der ersten und zweiten Liga haben einen solchen Antrag gestellt.
Was passiert, wenn Sie den Kredit nicht bekommen?
Filbry: Dann müssen wir andere Finanzierungsmöglichkeiten finden. Da arbeiten wir bereits an Lösungen. Es fehlt uns einfach unglaublich viel Geld als Folge der Coronakrise – rund 30 Millionen Euro aus der vergangenen und der kommenden Saison. Das sind vor allem geringere TV-Einnahmen sowie Sponsoring-Erträge und fehlende Zuschauer-Einnahmen. Unsere Kalkulation sieht vor, dass spätestens ab Januar wieder vor Publikum gespielt werden kann. Wenn nicht, müssen wir neu rechnen und über weitere Kredite nachdenken.
Wo spart Werder ein?
Filbry: Wir werden in den nächsten Wochen mit den Spielern über einen erneuten Gehaltsverzicht sprechen. Im Frühjahr hat das gut geklappt, da kam der Impuls sogar aus der Mannschaft, und alle haben mitgemacht. Das haben längst nicht alle Clubs geschafft. Ich kenne die öffentliche Wahrnehmung und die Forderung: Die Profis können doch auf noch mehr verzichten. Aber Spieler und Berater wissen immer sehr genau, wie das bei anderen Clubs läuft, haben einen guten Marktvergleich. Und es gibt nun einmal Verträge, an die wir uns halten müssen. Im administrativen Bereich haben wir bereits vier Millionen Euro eingespart, haben zum Beispiel die Reisebudgets gekürzt und alle Investitionen gestoppt. Im kompletten Unternehmen gibt es keine Gehaltserhöhung und in einigen Bereichen Kurzarbeit.
Wie sieht es mit Transfer-Einnahmen aus?
Filbry: Wir dürfen nicht nur Transfers zu uns vermelden. Viele Spieler sollen noch verliehen werden, daran arbeiten Frank Baumann und Clemens Fritz. Und es ist kein Geheimnis, dass wir irgendwann den Rashica-Transfer durchziehen möchten. Wir haben aber bis zum 5. Oktober Zeit. Da muss man geduldig sein.
Wo steht Werder finanziell, sportlich und als Marke?
Filbry: Wir sind ein klassischer Mittelstandsclub. Die Bundesliga hat sich grundsätzlich verändert. Wir haben immer stärker das Thema der Investorenclubs, das hat man auch im Champions-League-Halbfinale mit PSG, Manchester City und RB Leipzig gesehen. Nur noch Bayern ist da ein traditioneller Club. Die anderen sind mit Gesellschaftermitteln entwickelt worden. Diese Tendenz haben wir auch in der Bundesliga. Wir haben Wolfsburg, Hoffenheim, Leipzig, Leverkusen und jetzt auch noch Hertha dazubekommen. Da hat sich der Wettbewerb einfach verändert. Dann wird bei Vereinen wie Mainz, Freiburg, Augsburg auch sehr gute Arbeit geleistet – und Dortmund und Bayern sind ohnehin in einer anderen Liga.
Klingt verzweifelt und perspektivlos.
Filbry: Soll es aber nicht. Auch als guter Mittelstandsclub können wir eine außergewöhnliche Saison spielen. Das haben wir 2018/19 mit dem achten Platz gezeigt. Und zum Thema Marke: Bezüglich Social Media, Sympathiewerte und Fans gehören wir zu den Top Fünf der Liga.Und jetzt ist unser und mein großes Ziel, Werder wirtschaftlich gut durch die Corona-Krise zu bringen. Dafür haben wir in den letzten Monaten bereits hart gearbeitet.