Anfang des Jahres trat die Bremer Sängerin Stefanie Golisch mit ihrem „Diven-Abend“ im Händel-Haus in Delmenhorst. Dann kam der Corona-Lockdown und alle Konzerte mussten abgesagt werden. Doch so langsam füllen sich die Veranstaltungskalender wieder mit Terminen.
Delme Report: Frau Golisch, wie geht es Ihnen?
Stefanie Golisch: Eigentlich geht es mir sehr gut. Ich übe viel, darf wieder Konzerte geben und arbeite an neuen Programmen.
Wie muss ich mir aktuell Ihren Alltag vorstellen?
Kürzlich war der Bayreuther Autor und Regisseur Uwe Hoppe in Bremen und wir haben intensiv an einem neuen Programm über Dietrich Bonhoeffer gearbeitet. Wenige Tage später, habe ich dann gemeinsam mit dem Pianisten Nico Stabel ein Programm mit dem Titel „Kann denn Liebe Sünde sein“ über homosexuelle Komponisten und Komponistinnen finalisiert. Neu sind auch die Gartenkonzerte namens „Meine Liebe ist grün“ von Nico Stabel und mir.
Hätte es das Format dieser Gartenkonzerte auch ohne Corona gegeben oder ist die Idee aus der Not heraus geboren?
Die Deutsche Gesellschaft für Gartenkunst und Landschaftskultur hat meinen Pianisten und mich bereits im Herbst 2019 für eine exklusive Konzertserie zum Thema Garten gebucht. So war die Idee bereits da und wir mussten daraus lediglich eine corona-konforme Variante erarbeiten. Wir geben nun Gartenkonzerte in Privatgärten und kümmern uns selbst um das Hygienekonzept, begrüßen also jeden Gast persönlich. Die komplette Organisation und Durchführung liegt in unseren Händen.
Ist das Publikum nach der langen Zwangspause durch den Lockdown „dankbarer“ für kulturelle Veranstaltungen?
Ja, es ist viel näher, obwohl wir ja auf Abstand sind. Die Zuhörer haben glänzende Augen, sind einfach glücklich. Schade ist nur, dass ich sie nicht zum Mitsingen auffordern darf. Aber irgendwann werde ich auch wieder gemeinsam mit dem Publikum singen dürfen.
Singt es sich leichter Open Air oder in einem geschlossenen Raum?
Beides macht Freude, aber natürlich ist die Akustik in manchen Räumen besser. Dafür ist die Atmosphäre in der freien Natur viel schöner, besonders bei unserem Gartenprogramm.
Überwiegt bei Ihnen die Trauer, weil durch die aktuelle Situation viele Konzerte abgesagt werden mussten?
Anfangs war es sehr schwer und ich war oft sehr traurig, da ich es einfach nicht fassen konnte. Aber jetzt bin ich extrem dankbar, dass wir aus der Not eine Tugend gemacht haben und so einen massiven Zulauf an Konzertanfragen haben. Wir sind bis Anfang September fast ausgebucht.
Also können Sie der ungewohnten Situation aufgrund von Corona auch etwas positives abgewinnen?
Ja, man muss erfinderisch sein, alte Strukturen überdenken und sich eigentlich täglich neu erfinden. Ich mag Spontanität und genieße es, dass man jetzt vieles ganz kurzfristig organisiert. Positiv war während der Corona-Zeit natürlich auch, so viel Zeit für meine Familie zu haben.
Werden Sie aus der aktuellen Situation etwas für die Zukunft mitnehmen? Etwa bezüglich Planung, neue Programme?
Wir sollten alle mehr im Hier und Jetzt leben, uns Zeit für Kreativität nehmen und immer flexibel und optimistisch bleiben. Traurigkeit darf man aber natürlich auch zulassen. Nico Stabel und ich wollen in den Folgesommern wieder Gartenkonzerte organisieren, dann mit einem neuen Programm.
Muss in Deutschland mehr für den Erhalt von Kultur und Kulturschaffenden getan werden?
Unbedingt! Das war eines der schlimmsten Dinge, dass so wenig über uns geredet wurde, wir uns auf einmal nicht systemrelevant fühlten. Zwar wurde immer wieder über Hilfsfonds geredet, aber ich wollte einfach nur wieder arbeiten. Wir Kulturschaffenden brauchen den Austausch mit dem Publikum. Es geht nicht primär ums Geldverdienen, wobei diese Situation natürlich für Viele sicher auch existenzbedrohend ist.
Info: Stefanie Golisch kann man telefonisch unter 0160 / 9 49 0 07 16 kontaktieren, wenn man ein Gartenkonzert bei sich veranstalten möchte.