Die Novelle „Der Sandmann“, eines von Ernst Theodor Amadeus Hoffmanns Nachtstücken, entstand vor knapp 200 Jahren und glänzt vor allem durch die ausgefeilte Sprache des Autors. Die Interpretation des Stoffes am Oldenburgischen Staatstheater findet sich kondensiert auf nicht ganz 60 Minuten und spart Handlungsstränge und ganze Figuren aus. Für Puristen ist das nichts, es eröffnet sich jedoch eine spannende Sichtweise auf die Geschichte.
Drei Aspekte bleiben beim Lesen des Urstoffes besonders in Erinnerung. Da wäre zunächst die äußerst lebhafte Beschreibung des grausamen, Augen fressenden Sandmannes. Eine Beschreibung, die Nathanael, den Helden aus Hoffmanns Erzählung, von Kindes- bis hinein ins Erwachsenenalter verfolgt. Dann ist da noch die Affäre, die Nathanael zum Apparat Olimpia aufzubauen gedenkt, und schließlich die Figur des umherziehenden Brillenverkäufers Coppola. Dieser Charakter findet keinen Platz in der von Hauptdarsteller Fabian Kulp und Regisseur Kevin Barz geschriebenen Fassung. Denn tatsächlich scheint es das Ziel der Inszenierung, Unbehagen zu wecken. Solches, wie die Vorlage es vor etwa 200 Jahren vermochte.
Dies gelingt, indem eben nicht ein mit überspitztem italienischen Akzent sprechender Krämer den Grusel verteilt, vielmehr sieht man Kulps Nathanael dabei zu, wie er sich mehr und mehr in eine Art Norman Bates wandelt. Die Art von Horror, die vom Menschen selbst ausgeht, wird gerade im Finale stark ausgespielt.
Problematisch ist dabei einzig die Darstellung der Clara, die – effizient dargestellt von Rebecca Seidel – über sehr weite Strecken nichts zu tun hat. Dies ist auch dem Ausgangsmaterial zuzuschreiben. Clara führt einen psychoanalytischen Monolog, erweist sich wie schon in der Geschichte, als Vernunftmensch, wird danach aber nur noch einmal auf die Bühne geholt, damit sie Opfer spielen darf.
Im Gesamten jedoch verbringt der Zuschauer mit „Der Sandmann“ eine ansprechende, kurzweilige Zeit im Oldenburgischen Staatstheater. „Der Sandmann“ wird wieder am 14. Oktober um 20.30 Uhr aufgeführt. Karten unter staatstheater.de im Internet