Weser Report: Herr Strehl, die Bundesregierung will im nächsten Jahr 96 Milliarden Euro an zusätzlichen Schulden aufnehmen. Welche Neuverschuldung planen Sie für Bremen?
Dietmar Strehl: Wir haben ja in den letzten Haushaltsberatungen den Bremen-Fonds eingerichtet mit insgesamt 1,2 Milliarden Euro, für den wir in dieser Höhe neue Schulden aufnehmen, aber nicht auf einen Schlag. Wir nehmen jeweils nur einen Kredit in der Höhe der aktuellen Ausgaben aus dem Bremen-Fonds auf. In diesem Jahr werden voraussichtlich 300 Millionen Euro aus dem Fonds abfließen, der größte Teil dann im nächsten Jahr.
Aus dem Fonds sollen auch die Einnahmeausfälle von Unternehmen ausgeglichen werden, an den Bremen beteiligt ist. Mit welchem Betrag rechnen Sie?
Für unsere Beteiligungen wie BSAG, Geno oder Flughafen rechnen wir mit 90 bis 100 Millionen Euro allein in diesem Jahr. Wir warten aber die Jahresberichte ab und helfen dann 2021 dort, wo es notwendig ist. Klar ist, dass wir auch für 2021 eine Notsituation ausrufen und damit die Ausnahmeregel der Schuldenbremse in Anspruch nehmen werden. Das schlagen wir der Bürgerschaft am 18. und 19. November für die zweite Lesung des Haushalts 2021 vor. Denn wir wissen jetzt schon, dass den Unternehmen wie der BSAG auch 2021 Einnahmen fehlen werden. Auch im Kulturbereich wird es zum Beispiel weiter schwierig bleiben.
Nur 90 bis 100 Millionen, wo allein der Klinikverbund Geno angeblich ein Loch von 58 Millionen Euro haben wird?
Für die Geno haben wir eine Lösung für ihre strukturellen Probleme entwickelt. Wir hatten ja angekündigt, dass wir sie auch 2021 mit weiteren 15 Millionen Euro unterstützen. Das ist der einzige Ausgabepunkt im Haushaltsentwurf 2021, den wir in den Haushaltsberatungen noch verändern werden. Die Corona-Ausfälle der Geno werden ganz oder teilweise durch Bundesmittel kompensiert. Da haben wir noch keinen endgültigen Stand.
Auch die im City-Aktionsplan vorgesehenen Maßnahmen sollen aus dem Bremen-Fonds finanziert werden, etwa eine bessere Beleuchtung. Ist die wegen Corona schlechter geworden?
Das ist Teil eines umfassenden Maßnahmepakets für die Innenstadt. Wir dürfen nicht zulassen, dass der Einzelhandel komplett kaputt geht. Was wir jetzt nicht tun, können wir später nicht mehr nachholen. Allerdings muss jede Senatorin und jeder Senator bei jeder Maßnahme, die aus dem Bremen-Fonds finanziert werden soll, den Corona-Zusammenhang nachweisen. Wir haben auch ein juristisches Gutachten eingeholt, das wir in der nächsten Woche vorstellen werden. Unsere Maßnahmen müssen auch vor Gericht standhalten, falls jemand dagegen klagt. Und sie müssen mit den Sanierungsvereinbarungen vereinbar sein, die wir im Zuge der Konsolidierung der Bremer Finanzen mit dem Bund beschlossen haben.
Kann Bremen das Geld aus dem Bremen-Fonds auch nutzen, um sich an notleidenden Unternehmen zu beteiligen?
Das ist in Bremen aktuell kein Thema. Ich schaue mal auf die Erfahrungen, die Hamburg macht. Dort hat der Senat neben dem Hamburg-Fonds eigens dafür einen Topf eingerichtet. Bisher liegen mir für Bremen keine Anfragen von Unternehmen vor.
Hat Bremen wie einige andere Städte Mieten von kleineren Läden übernommen?
Kleineren Läden haben wir über Immobilien Bremen Mieten gestundet, um ihnen zu helfen, die Corona-Zeit zu überstehen.
Die Gewerkschaft Verdi fordert für die Bediensteten der Kommunen und des Bundes 4,8 Prozent mehr Gehalt. Ist das angesichts leerer Kassen gerechtfertigt?
Das Argument, die Kassen sind leer, beeindruckt die Gewerkschaften nicht. Das habe ich oft erlebt. In der Verhandlungsrunde Ende Oktober in Potsdam werden die Arbeitgeber einen Vorschlag präsentieren. Das wird kein Null-Runden-Angebot sein. Wir haben in den letzten zehn Jahren immer einen fairen Ausgleich gefunden, das wird auch jetzt wieder klappen. Ich war allerdings überrascht, dass das Hauptthema, die Würdigung der Arbeit der Pflegekräfte, keine besondere Rolle spielt in der Forderung von Verdi, sondern dass die Gewerkschaft in einem Schwung für alle 4,8 Prozent mehr fordert.
Warum haben die Arbeitgeber eine Verschiebung der Tarifrunde abgelehnt?
Wir streben eine längerfristige Vereinbarung ab, nicht nur eine für ein Jahr. Die Kommunen stehen vor großen Problemen. Bei der Gewerbesteuer werden wir 2021 und 2022 riesige Ausfälle haben. Es gibt Prognosen, dass wir bei den Steuereinnahmen bald wieder auf dem Stand von 2019 landen. Das reicht aber nicht. Wir haben bei der Finanzplanung eine jährliche Steigerungsrate von rund drei Prozent vorausgesetzt. Wenn wir 2023 wieder auf dem Stand von 2019 wären, würden uns ab dann jährlich circa 400 Millionen Euro an Steuereinnahmen fehlen.
Wie wollen Sie die Schulden denn tilgen?
Von 2024 an wollen wir die Kredite für den Bremen-Fonds tilgen. Wir müssen auch noch 80 Millionen Euro im Jahr gemäß der Sanierungsvereinbarung tilgen. Deshalb müssen wir sparen, aber nicht jetzt und nicht 2021, sondern später. Über die Maßnahmen müssen wir dann sprechen. Wir müssen auf jeden Fall verhindern, dass unsere Steuereinnahmen noch weiter absacken.