Den Beginn ihrer Karriere hätte sich Mona Rozdestvenskyte nicht schöner ausdenken können. Aber die Geschichte hat sich tatsächlich so zugetragen. „Meine Mutter wurde immer darauf angesprochen, ob ich mich nicht benehmen könne“, erzählt Rozdestvenskyte. „Als Kind habe ich während des Gottesdienstes immer nach hinten geschaut auf die Orgel und nicht auf den Altar.“
Jetzt schaut die 26-Jährige von der Orgel aus auf den Altar. Im Februar kommt die gebürtige Moskauerin in die Hansestadt – als katholische Regionalkantorin für die Region Bremen.
Beim Vorspielen in der Propsteikriche St. Johann setzte sie sich gegen drei Konkurrenten durch. „Es war meine erste Bewerbung für eine Stelle, für die ein Master-Abschluss erforderlich ist“, sagt die Musikerin.
Mit 14 fast den Unterricht geschmissen
Schon mit acht Jahren hat sie angefangen, Orgel zu spielen, da hatte sie bereits zwei Jahre Klavierunterricht hinter sich. Mit 14 hätte sie den Orgelunterricht fast geschmissen. „Was mich davon abgehalten hat war, dass ich Orgel nicht zu Hause üben konnte und als Pubertierende ein bisschen der Kontrolle der Mutter entfliehen konnte.“
Mit 16 lernt sie in Moskau Martin Sander kennen, Orgel-Professor an der Musikhochschule Detmold. Er hat sie in einem Wettbewerb gehört und lädt sie zu einem Meisterkurs ein. Mona Rozdestvenskyte ist begeistert. Zwei Tage nach ihrem 18. Geburtstag, das Moskauer Abitur liegt gerade hinter ihr, packt sie ihre Koffer, verlässt ihre Eltern in Moskau und zieht nach Deutschland, nach Detmold.
Kulturschock in der Kleinstadt
„Ein Kulturschock“, erinnert sie sich. So klein der Bahnhof, so klein die Stadt im Vergleich zu Moskau. „Aber ich wollte unbedingt Orgel studieren“, sagt sie, „und unbedingt in Detmold, wo Sander unterrichtet. Es muss ja professionell und persönlich passen.“
Seit ihrem Bachelor-Abschluss arbeitet sie als Kirchenmusikerin in Bad Driburg, nebenher studiert sie für den Master-Abschluss. „Ich habe mich bewusst dafür entschieden, in Deutschland zu leben“, sagt die Musikerin.
Ihr Vater ist Russe, ihre Mutter Litauerin. Anfangs keine leichte Liaison. Denn die Mutter kämpfte 1990 gegen die Russen für Litauens Unabhängigkeit. Doch eine glückliche Verbindung für Mona Rozdestvenskyte.
Traum von der Sauer-Orgel
Sie besitzt nämlich einen russischen und einen litauischen Pass. Und als litauische Staatsangehörige darf sie in der EU ohne Visa arbeiten.
Für den 7. Februar ist ihr erstes Konzert in der Propsteikirche St. Johann geplant. In der Bremer Kirche Unser lieben Frauen hat sie schon 2016 gespielt, in der Reihe „Orgelpunkt“.
Und einmal, das ist der große Wunsch der Kantorin, möchte sie im St. Petri-Dom spielen – auf der Sauer-Orgel. „Die“, sagt Rozdestvenskyte, „ist wie eine Stradivari unter den Geigen.“