Auf einmal war Leonardo Bittencourt Teil des Problems. Beziehungsweise nicht er selbst, sondern die Ablösesumme, die für ihn ein Jahr nach seiner Verpflichtung fällig geworden war. Sieben Millionen Euro, zahlbar an 1899 Hoffenheim – dass Werder das Geld nicht hatte, war ein Grund, weshalb Davy Klaassen an Ajax Amsterdam verkauft werden musste. Was wiederum für Bittencourt mehr Verantwortung im Mittelfeld bedeutet sowie die Chance darstellt, zu beweisen, dass die sieben Millionen Euro gut angelegtes Geld sind.
200 Bundesligaspiele bestritten
„Die Summen kann ich nicht beeinflussen. Aber einen 26-Jährigen zu holen, der fast 200 Bundesliga-Spiele auf dem Buckel hat, verschiedene Positionen spielen kann – ich weiß nicht, ob das falsch ist“, sagt Leo Bittencourt in einem Interview mit dem „kicker“ und betont darin seinen Wert für das Team. Zum Beispiel wegen der Treffer zu den 1:0-Siegen auf Schalke und in Freiburg in der heißen Phase der vergangenen Saison sowie am vergangenen Spieltag gegen Arminia Bielefeld – „wichtige Tore“ seien das gewesen, meint der Bremer Mittelfeldspieler.
Aufstellung unabhängig von Klaassen
Womit er fraglos recht hat. Aber dennoch und trotz der 28 Liga-Einsätze in der vergangenen Saison hat es Bittencourt in der Wahrnehmung vieler noch nicht zur Stammkraft bei Werder gebracht. Seine Sicht auf die Vergangenheit und vor allem auf die Zukunft, die bei Werder nun ohne Davy Klaassen stattfindet, ist jedoch diese: „Ich habe letzte Saison fast alle Spiele gemacht, jetzt gegen Schalke und Bielefeld wieder, mit Davy. Meiner Ansicht nach habe ich Qualität und Selbstvertrauen, um zu sagen: Ich kann jedes Spiel machen, unabhängig von Davy.“
Im Sinne der Mannschaft auch Außenverteidiger
Natürlich rückt der Klaassen-Abgang den Deutsch-Brasilianer nun stärker in den Fokus. Hatte Bittencourt in der vergangenen Saison noch auf allen möglichen Positionen im Mittelfeld und auch als Außenverteidiger aushelfen müssen, so soll er jetzt maximal zwischen der Acht und der Zehn pendeln – und in Ausnahmefällen auch im Angriff eingesetzt werden. Das sei mit Trainer Florian Kohfeldt „klar besprochen“, erklärt Bittencourt: „Ich war im Sinne der Mannschaft gerne auch Außenverteidiger oder Sechser. Aber das war nicht einfach, weil ich viel Neues lernen musste.“
Wadenbeißer ohne Theatralik
Was er aber nicht mehr lernen muss, ist, wie man den Gegner auf die Palme bringt. Bittencourt schafft es immer wieder, sagt selbst über sich: „Dass ich gerne ein bisschen stichele, im Zweikampf weiter nachgehe, das ist so. Ich bin schon ein kleiner Wadenbeißer. Vielleicht nervt das manche.“ Nicht nur vielleicht, sondern ganz sicher. Aber eins lässt der nur 1,70 Meter große und 62 Kilo schwere Profi nicht auf sich sitzen: ein Schauspieler zu sein. „Klar ist: ich bin klein und schmächtig. Wenn man mich abräumt, fliege ich natürlich weiter als einer, der 20 Kilo mehr hat“, sagt er und ergänzt: „Deswegen sieht es bei mir vielleicht manchmal etwas schlimmer aus. Aber Theatralik? Da widerspreche ich. Wenn ich fliege, dann war es ein Foul.“