Wer hätte das nach dem Bundesliga-Fehlstart des SV Werder Bremen vor zwei Wochen mit dem 1:4 gegen Hertha BSC gedacht? Durch einen 1:0 (1:0)-Heimsieg gegen Arminia Bielefeld sprangen die Grün-Weißen am dritten Spieltag der Fußball-Bundesliga mit sechs Punkten auf den fünften Rang. Matchwinner war Leonardo Bittencourt mit seinem Siegtreffer in der 21. Minute, den Youngster Manuel Mbom in seinem ersten Heimspiel als Werder-Profi vorbereitet hatte. Nach einer ordentlichen ersten Halbzeit waren die Bremer allerdings nach der Pause viel zu passiv zu Werke gegangen und hatten Glück, der der Aufsteiger das nicht bestrafte. Das Ergebnis – vor Pandemie bedingt leeren Rängen – stimmte am Ende, die fußballerische Leistung noch nicht. Es war ein Zittersieg, der nach der Zittersaison aber extrem wichtig ist, um positiv in die Zukunft blicken zu dürfen. Wenn da nur nicht der wohl bevorstehende Wechsel von Davy Klaassen zu Ajax Amsterdam wäre.
Klaassen wohl auf dem Sprung zu Ajax
„Never change a winning team“, hatte sich Werder-Coach Florian Kohfeldt gedacht und die Startelf ins Rennen geschickt, die schon beim 3:1-Sieg auf Schalke begonnen hatte. Mit dabei auch Davy Klaassen, der auf dem Sprung zu Ajax Amsterdam ist. „Ich habe mit ihm gesprochen, und er hat mir gesagt: ,Natürlich spiele ich.‘ Davy ist seit über zwei Jahren hier, und ich habe nie gesehen, dass er weniger als 100 Prozent gegeben hat. Bei Davy mache ich mir da überhaupt keine Gedanken“, betonte Kohfeldt kurz vor dem Spiel.
Gleiche Aufstellung, anderes System
Klaassen, der für Ersatzspieler Niklas Moisander die Kapitänsbinde trug, begann wie seine Teamkollegen sehr angriffslustig. Werder setzte auf ganz hohes Pressing – und im Vergleich zum Schalke-Spiel auf ein anderes System. Hinten vertrauten die Bremer einer Dreierkette, Manuel Mbom und Ludwig Augustinsson agierten dazu als sehr offensive Außenverteidiger. Das klappte gut, die Arminia konnte ihren langen, gefürchteten Stürmer Fabian Klos kaum in Szene setzen.
Obwohl Werder durchaus gut presste, auch mal den Ball eroberte, ergaben sich zunächst kaum nennenswerte Torchancen. Ein Versuch von Leonardo Bittencourt mit der Pike, der am Tor vorbeizischte, war lange Zeit die beste Gelegenheit (9.).
Bittencourts zweiter Streich
Doch dann wurde es turbulent. Nach einem Pressschlag zwischen Josh Sargent und Bielefelds Amos Pieper landete der Ball bei Bittencourt, der eiskalt vollstreckte. Doch der Video-Schiedsrichter entschied auf Abseits, eine, ganz, ganz knappe Geschichte, die am Fernseher kaum zu erkennen war (21.). Doch Werder musste sich darüber nicht lange ärgern, denn bei Bittencourts zweitem Streich war alles in Ordnung, diesmal zählte das 1:0 (27.). Ein richtig schöner Treffer. Friedl hatte das Spiel gut verlagert, Mbom den Ball direkt in die Mitte gespielt, wo Bittencourt völlig frei nach guter Ballannahme einschießen konnte. Eine verdiente Führung.
Danach passierte bis zur Pause nicht mehr viel. Werder überließ den Arminen ein wenig das Spiel, doch damit konnte der Aufsteiger nichts anfangen.
Gleicher Fehler wie gegen Schalke
„Wir sind sehr gut reingekommen, haben das Spiel 45 Minuten kontrolliert“, urteilte Clemens Fritz zur Pause, Werders Leiter Profifußball und Scouting warnte aber auch: „Bielefeld ist sehr harmlos nach vorne gewesen, aber ich will nichts beschreien, es sind noch 45 Minuten zu spielen.“
Seine Worte wurden von den Werder-Profis nicht erhört. Denn die Bremer machten den gleichen Fehler wie auf Schalke, sie agierten nach dem Wechsel viel zu passiv, bauten die Bielefelder damit mehr und mehr auf. Und die kamen plötzlich auch zu einer ersten echten Chance. Werder-Keeper Jiri Pavlenka musste schon seine ganze Klasse zeigen, um den Kopfball von Fabian Klos aus kurzer Distanz zu entschärfen (61.).
Zerfahrenes Zitterspiel
Kohfeldt reagierte – und das ziemlich überraschend: Er nahm Klaassen vom Feld, dabei deutete nichts auf eine Verletzung hin (75.). Allerdings hatte der Noch-Bremer auch nicht wirklich gut gespielt und es als Kapitän nicht geschafft, seine Mannschaft aus der Passivität zu befreien.
Für Klaassen kam Christian Groß – und gleichzeitig Tahith Chong für Füllkrug. Verteidigt wurde nun mit Viererkette im 4:2:3:1. Immerhin konnte sich Werder nun mal befreien, verzeichnete durch Chong auch eine Chance. Dessen Schuss ging allerdings über das Tor (78.). Es folgten prompt die nächsten Bremer Wechsel: Davie Selke für Sargent und Johannes Eggestein für Bittencourt (81.). Die Partie wurde dadurch noch zerfahrener. Ein Bremer Zitterspiel gegen eine Arminia, die zwar den Ausgleich wollte, aber dabei letztlich zu harmlos wirkte.
Bielefelds Treffer zählt nicht
Kohfeldt brachte kurz vor Schluss noch Moisander für Mbom, um den knappen Vorsprung über die Zeit zu bringen. Und es wurde noch richtig eng, weil Werder immer mehr wackelte. Pavlenka rettete grandios gegen Joan Simun Edmundsson. Anschließend beförderte zwar Mike van der Hoorn die Kugel über die Linie, doch Schiedsrichter Robert Schröder entschied sofort auf Foulspiel des Arminen und gab das Tor nicht (90.+2). Nachvollziehbar, denn der Niederländer war mit offener Sohle gegen Veljkovic zu Werke gegangen.
Tiefes Durchatmen bei Werder – und dann großer Jubel beim Schlusspfiff. Denn nach dem Erfolg auf Schalke tut der zweite Sieg in Folge richtig gut. Mit sechs Punkten aus drei Spielen lässt sich entspannter in die Länderspielpause gehen.