Weser Report: Herr Bovenschulte, wie beurteilen sie die Lage nach dem Corona-Treffen mit den anderen Länderchefs und Bundeskanzlerin Angela Merkel?
Andreas Bovenschulte: Ich mache mir sehr große Sorgen über die aktuelle Entwicklung der Infektionszahlen. Wichtig ist deshalb, dass wir jetzt zielstrebig an unserem Dreiklang festhalten: Klare Regeln aufstellen, diese konsequent durchsetzen und – das vielleicht wichtigste – jede Einzelne und jeden Einzelnen in die Verantwortung nehmen. Jetzt sind wir alle noch mehr als bislang schon gefordert, Gemeinsinn zu zeigen. Da haben wir eine Pflicht gegenüber der Gesellschaft, gegenüber den älteren Menschen, gegenüber denen mit Vorerkrankungen. Wenn wir alle überlegen, ob wir wirklich unbedingt zu einer Veranstaltung oder einer Feier müssen, ob der Kurzurlaub unbedingt jetzt sein muss oder ob er nicht auch einmal ausfallen kann, dann trägt das ganz wesentlich zur Bekämpfung der Pandemie bei. Es kommt in den nächsten Wochen entscheidend darauf an, dass wir füreinander einstehen und aufeinander aufpassen.
Welche Regeln muss Bremen nach dem Treffen in Berlin nachbessern?
Im Prinzip ist die Bremer Linie weitgehend bestätigt worden. Nur die Regeln für private Feiern haben wir noch einmal verschärft. Da sind jetzt generell nur noch zehn Personen zugelassen, auch wenn kein Alkohol konsumiert wird.
Muss Bremen die Maskenpflicht ausweiten?
Bisher gilt sie ja schon in Bussen und Straßenbahnen, auf den Wochenmärkten und auf dem Bahnhofsvorplatz. Seit Samstag sind Masken außerdem an der Schlachte, in der Innenstadt, im Schnoor, im Viertel, in der Vegesacker Fußgängerzone und am Vegesacker Bahnhof Pflicht. Es können aber noch weitere Orte dazu kommen. Das Ordnungsamt wird ganz genau hinschauen, wo der Mindestabstand regelmäßig nicht eingehalten werden kann.
Wie streng wird die Einhaltung kontrolliert?
Ordnungsamt und Polizei kontrollieren massiv. Seit Beginn der Pandemie haben wir knapp 3.500 Bußgeldverfahren wegen Verstoßes gegen Corona-Vorschriften eingeleitet. Das ist nicht wenig, finde ich.
Nach Prognosen von Wissenschaftlern steigt die Zahl der Corona-Neuinfizierten in den nächsten Wochen noch an. Wie reagiert Bremen darauf?
Zunächst einmal: Die Verschärfungen, die wir jetzt beschlossen haben, können nicht von einem auf den anderen Tag wirken. Wir müssen ihnen schon ein bisschen Zeit geben. Ich sage aber auch: Ob sie ausreichen, kann zum gegenwärtigen Zeitpunkt niemand sagen. Wenn wir feststellen, dass es nicht reicht, werden wir keine Sekunde zögern und nachschärfen, denn einen zweiten Lockdown wollen wir unbedingt vermeiden.
Wie überprüfen sie, ob die Maßnahmen wirken?
Entscheidend ist vor allem die so genannte Inzidenz. Also die Zahl der Neuinfektionen innerhalb einer Woche pro 100.000 Einwohner. Steigt die Zahl immer weiter, müssen und werden wir die Regeln verschärfen. Wenn sie sinkt, sind wir auf dem richtigen Weg.
Wo wollen Sie dann nachschärfen?
Wir denken über weitere Kontaktbeschränkungen nach und über eine Ausweitung der Maskenpflicht. Für die Schulen haben wir das schon beschlossen. Nach den Herbstferien müssen die Schüler der Oberstufen und der Berufsschulen auch im Unterricht eine Maske tragen.
Wird der Freipaak noch mal öffnen?
Das hängt davon ab, ob es uns gelingt, den Inzidenzwert so schnell wie möglich unter 50 zu drücken.
Aktuell liegt er bei 80 und der Freipaak sollte am 1. November enden.
Sie haben recht, das wird sehr schwer. Aber bei einem Wert über 50 wird der Freipaak geschlossen bleiben. Das tut mir nicht nur für die Schausteller sehr leid, sondern auch für die Besucherinnen und Besucher aus Bremen und umzu. Aber wir haben da keine Wahl.
Wann fällt eine Entscheidung über den Weihnachtsmarkt?
Ich denke, dass wir im Oktober eine Entscheidung treffen müssen.
Einzelne Bürger werfen dem Gesundheitsamt vor, es informiere nicht rechtzeitig die Menschen, die mit Corona-Infizierten Kontakt hatten.
Kein Mensch und keine Organisation ist ohne Fehler, auch das Gesundheitsamt nicht. Aber lassen Sie mich hier mal eins sagen: Die Kolleginnen und Kollegen arbeiten sehr, sehr hart und machen einen richtig guten Job. Dafür möchte ich mich ausdrücklich bedanken. Das Gesundheitsamt bekommt jede personelle Verstärkung, die es braucht. Da sind wir uns im Senat einig. Geld spielt dabei keine Rolle.