Davon träumt Raimund Michels schon lange: von einem Tonstudio zu Hause. Was jetzt aus seinem Traum geworden ist, hätte er bis vor einigen Monaten selbst nicht für möglich gehalten – genauso seine Frau Silvia. Mit dem Gedanken eines kleinen Tonstudios für ihren Raimund hatte sie sich angefreundet. Doch nun ist es ein komplettes Filmstudio geworden. Nicht im Keller oder auf dem Dachboden, sondern im Wohnzimmer.
„Wir haben ja zum Glück ein großes L-förmiges Wohnzimmer, da kann man relativ problemlos in einem Teil alles aufbauen, um meine Videos zu drehen und im anderen Teil immer noch gemütlich auf der Couch sitzen“, beschwichtigt der 67-Jährige, dessen Augen vor Begeisterung glänzen wenn er sich umschaut: Beleuchtungs- und Kameratechnik sowie die Musikanlage haben schon ein paar Euro gekostet. Aber das war es Michels wert: „Wenn man das Studio hochfährt, ist man voll drin“, schwärmt er über sein kleines Home-Hollywood.
Leidenschaft für Sport und Bewegung
Für den ehemaligen Sportlehrer, der als Erfinder und Initiator des Kinderbewegungszentrums beim Sportverein Bremen 1860 Maßstäbe gesetzt hat, ist das Studio weit mehr als nur Hobby. Denn auch im Ruhestand hat sich an Michels‘ Leidenschaft für Sport und Bewegung nichts geändert. Sein großes Ziel: durch ein Online-Mitmach-Angebot Kinder auch in Coronazeiten in Bewegung bringen und sie mit Spaß an eine gesunde Lebensweise heranführen. „Denn Bewegungsfreude ist Lebensfreude. Die Kinder bekommen den Kopf frei, können sich austoben und sind leistungsfähiger.“
In seinem Haus in Horn-Riensberg produziert Michels Videos, die vielleicht nicht die Welt, dafür aber zahlreiche Kinder bewegen. Viele davon in Bremen und umzu, aber es werden auch quer durch die Republik immer mehr, hat Michels aufgrund der Resonanz festgestellt.
Pädagogischer Anspruch
Jedes Video hat ein anderes Thema mit pädagogischem Anspruch. Gefördert werden koordinative Fähigkeiten, es gibt kleine Spiele mit Bällen oder Seilen. Durch das Mitsingen der Lieder können die Kinder ihr Sprachvermögen verbessern und zusätzlich geht es auch um die eigene Körperwahrnehmung.
Wie meist im Sport ist auch jedes Video echte Teamarbeit. „Ich spiele Gitarre und singe meine selbst komponierten Bewegungslieder und Michi Möhrchen macht die Übungen“, erzählt Michels und deutet auf das überlebensgroße Hasenkostüm mit der grünen Latzhose und dem gelben T-Shirt hin, das noch auf dem Sessel liegt.
Mehrere Praktikanten und Freiwillige hat Michels, die für die Dreharbeiten ins Kostüm schlüpfen und ihren schweißtreibenden Job erledigen. Dazu gehört es natürlich auch, dass seine Maskottchendarsteller den Karottentanz oder die Massage lernen müssen, die Michi seinem Freund, dem Riesenbär, verabreicht.
Mehr als 80 Kinderbewegungslieder produziert
„Das ist schon ein Augenschmaus“, schwärmt Michels, der noch viel mehr Ideen hat. Schließlich hat er im Laufe der Zeit mehr als 80 Kinderbewegungslieder produziert, mehr als doppelt so viele komponiert, denen noch der letzte Feinschliff fehlt. „Ich habe keine Ermüdungserscheinungen und meine Kreativphase ist noch nicht vorbei. Ich bin ein Opa, der noch ein bisschen Spaß hat“, lacht der sportliche Routinier.
Die Sache mit Hollywood im Wohnzimmer soll aber keine Dauereinrichtung werden, das hat er seiner Frau versprochen. Dass er mit seinen Bewegungsvideos noch lange nicht fertig ist, ist ihm allerdings (und wahrscheinlich auch seiner Frau) genauso bewusst. „So 30 oder 40 – vielleicht auch 50 Videos würde ich gerne drehen, um alle Aspekte abzudecken“, sagt der Kindersport-Experte, dessen Frau aber ebenfalls eine wichtige Funktion bei den Bewegungsvideos hat. „Als Ratgeberin und Kritikerin. Sie ist diejenige, die mich immer wieder erdet“, erzählt Michels, der für sein Online-Projekt in Coronazeiten von der gesamten Familie unterstütz wird.
Familie hilft mit
Sein Sohn David hat ihm geholfen, das richtige Filmequipment anzuschaffen. Schwiegersohn Jan hat ihn musikalisch beraten und hilft, den richtigen Sound zu finden. Und ob Opas Videos tatsächlich bei der Community ankommen, dafür ist Enkel Paul der erste Indikator. Denn kein Video geht online, ohne dass es der Sechsjährige abgesegnet hätte.
Über die Homepage kinderbewegungslieder.de kann man mehr über Raimund Michels‘ Projekte erfahren. Dort gibt es auch einen Link zu Youtube, über den man die elf bislang produzierten Videos findet. Die Filme mit einer Länge von fünf bis zehn Minuten richten sich an Kinder zwischen zwei und acht Jahre.