Daniel Friedrich, seit 2019 Bezirksleiter der IG Metall Küste, verhandelt für die Beschäftigten der norddeutschen Metall- und Elektroindustrie. Die Tarifrunde für sie beginnt am 14. Dezember in Hamburg. Foto: IG Metall Küste/Isadora Tast
Interview

„Das ist Teil der Logik“

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IG-Metall-Bezirksleiter Daniel Friedrich über sichere Jobs, mehr Geld und Warnstreiks.

Weser Report: Herr Friedrich, die IG Metall geht mit einem Forderungsvolumen von vier Prozent in die Tarifrunde der Metall- und Elektroindustrie, obwohl die Wirtschaft in der Krise steckt. Die Wirtschaftsweisen gehen davon aus, dass die Wirtschaft in diesem Jahr um 5,1 Prozent schrumpft und 2021 nur um 3,7 Prozent wächst. Warum dann vier Prozent mehr?

Daniel Friedrich: Wenn man die Entwicklung der Produktivität betrachtet und das Inflationsziel der Europäischen Zentralbank, ergibt sich ein Verteilungsspielraum von drei bis dreieinhalb Prozent. Und für 2021 sehen die wirtschaftlichen Daten ja schon wieder besser aus. Außerdem hatten wir 2020 schon eine Nullrunde. Darum müssen wir gucken, dass die Beschäftigten bei der Kaufkraft nicht abgehängt werden. Unsere Forderung stellt ja ein Volumen dar. Das wollen wir nutzen, um die Beschäftigung zu sichern, die Zukunft zu organisieren und die Kaufkraft der Kolleginnen und Kollegen zu stabilisieren.

In der Metall- und Elektroindustrie gibt es Unternehmen, die tief in der Krise stecken, und solche, denen es trotz Corona gut geht. Wie bekommen sie alle unter einen Tarifvertrag?

Wir müssen weitere Instrumente zur Sicherung der Beschäftigung in den Werkzeugkasten aufnehmen, den wir durch den Flächentarifvertrag den Unternehmen zur Verfügung stellen. Ein Beispiel ist die Vier-Tage-Woche. Wenn es Beschäftigungsprobleme gibt, kann man nicht nur die Arbeitszeit reduzieren, sondern auch die Zahl der Arbeitstage. Das hilft und ist auch ein Wert an sich, wenn man einen freien Tag hat. Wir müssen in den Betrieben differenzierte Möglichkeiten entwickeln.

Dem Unternehmen hilft eine Vier-Tage-Woche nur, wenn dann auch die Kosten sinken, die Beschäftigten also weniger verdienen, wenn sie weniger arbeiten.

Die Betriebe, die enorme Probleme haben, haben größtenteils ja schon Kurzarbeit eingeführt und so die Kosten erheblich gesenkt. Die Beschäftigten dort haben in der Regel bereits Einkommensverluste. Aber wenn ein Betrieb ein Strukturproblem hat, kann er das nicht über die Kostenfrage lösen, sondern nur durch eine intelligentere Struktur. Die kann aber nicht im Flächentarifvertrag festgeschrieben werden, sondern muss im Betrieb geregelt werden. Wir werden deshalb ein Spannungsfeld haben zwischen einem Flächentarifvertrag und der Anwendung im Betrieb. Dafür müssen wir intelligente Lösungen finden. Da reicht es nicht, nur auf die Kosten zu gucken. Das sehen wir gerade im Schiffbau. Da haben viele Betriebe das Kostenthema so weit getrieben, dass sie jetzt Probleme bekommen mit der Qualität ihrer Produkte.

Teil einer intelligenten Lösung wäre die Weiterqualifizierung der Beschäftigten. Was wollen Sie da erreichen?

Wo Veränderungen stattfinden, könnte man die Arbeit an vier Tagen in der Woche erledigen und am fünften Tag die Qualifizierung organisieren. Das hätte Charme. Uns ist aber klar, dass die Zukunftssicherung weitgehend im Betrieb geregelt werden muss. Der Flächentarifvertrag kann da nur den Rahmen setzen, die Ausgestaltung muss im Betrieb erfolgen.

Bisher hatte die Gewerkschaft darauf gepocht, dass möglichst viel im Flächentarifvertrag geregelt wird und nur wenig im Betrieb. Kehrt sich das jetzt um?

Wir haben auch schon in den letzten Jahren Regeln auf betrieblicher Ebene vereinbart. Aber betriebliche Regelungen werden wichtiger. Deshalb müssen wir uns in der Tarifrunde mit dem Arbeitgeberverband auch auf Verfahren verständigen, wie künftig betriebliche Regelungen erreicht werden sollen. Solche Verfahrensregelungen für Zukunftstarifverträge sind eine weitere wichtige Forderung von uns. Bisher haben wir die Erfahrung gemacht, dass die Betriebe erst auf uns zukommen, wenn die Belegschaft auf etwas verzichten soll, weil der Standort sonst gefährdet sei. Aber betriebliche Regelungen müssen ja nicht immer einen Verzicht bedeuten. Wir wollen schon viel früher mit dem Arbeitgeber, mit dem Arbeitgeberverband in einen Austausch über die Zukunftssicherung kommen.

Das ist doch Aufgabe des Betriebsrats?

Wenn im Betrieb tarifliche Regelungen getroffen werden sollen, müssen sie mit der Gewerkschaft getroffen werden. Der Betriebsrat ist dafür nicht zuständig und das schwächste Glied.

Was könnte ein betrieblicher Zukunftsvertrag zum Bespiel regeln?

Den Aufbau von Arbeitszeitkonten, von Sicherheitsarbeitskonten. In guten Zeiten wird mehr gearbeitet und in schlechteren dafür weniger. Die Vereinbarung von Innovationen und Investitionen oder die Beteiligung der Beschäftigten bei Veränderungsprozessen.

Ein Teil der von Ihnen geforderten vier Prozent soll auch für die Sicherung von Arbeitsplätzen eingesetzt werden und nicht nur für die Erhöhung der Löhne. Wer in einem gut gehenden Betrieb arbeitet und keine Instrumente zur Beschäftigungssicherung braucht, dessen Lohn steigt also stärker als der von Kollegen, deren Beschäftigung gefährdet ist?

Das ist ein Teil der Logik. Wenn die Beschäftigung gesichert ist, spricht nichts dagegen, das Volumen an die Belegschaft auszuschütten. Und dort, wo die Beschäftigung gerade unsicher ist und die Beschäftigten den großen Wunsch nach Arbeitsplatzsicherheit haben, gibt es dann Mechanismen, einen Teil des Volumens dafür einzusetzen.

Sie fordern auch, dass die Arbeitszeit im Osten an die des Westens angeglichen wird, also von 38 auf 35 Wochenstunden sinkt. Ist das in der Corona-Krise angebracht?

Das Thema werden wir in die Tarifgespräche einbringen, aber klar ist, es gab schon bessere Situationen, in denen man es hätte lösen müssen. Das holt uns jetzt ein. Aber, die Arbeitszeitmauer muss doch 30 Jahre nach der Wiedervereinigung endlich abgebaut werden.

Im März endet die Friedenspflicht. Dann sind Warnstreiks erlaubt. Wie sehen die aus während der Corona-Pandemie?

Es gibt da viele Ideen. Vor zwei Wochen haben wir in Hamburg zum Warnstreik im Heizungsbau aufgerufen. Die Beschäftigten standen mit Fahnen und in Abstand vor den Betrieben. Wer einer Risikogruppe angehört, beteiligte sich am Warnstreik, indem er nach Hause fuhr. Aber ich kann auch mit einer Stichnadel-Taktik einen Betrieb lahmlegen. Unsere Absicht ist es jedoch, in der Friedenspflicht einen Abschluss zu erreichen.

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