Ömer Toprak hilft mit seiner Zweikampfstärke mit, die Bremer Defensive - wie hier gegen Frankfurt - zu stabilisieren. Foto: Nordphoto Hinten stehen die Grün-Weißen bei Standardsituationen wesentlich sicherer. Hier setzt sich Ömer Toprak im Kopfballduell gegen Frankfurts Andre Silva durch. Foto: Nordphoto
Standardsituationen

Konzentration auf den Moment

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Der gut gestartete SV Werder hat seine ehemals große Schwäche bei hohen Bällen in den Griff bekommen.

Es ist fast auf den Tag genau ein Jahr her, da sagte Ömer Toprak einen denkwürdigen Satz. Einen, der Anfang November 2019 ein brandaktuelles Problem von Werder Bremen beschrieb und der, wie heute bekannt ist, darüber hinaus auch prophetischen Charakter hatte. Denn wirklich besser sollte es mit diesem Problem bis zum Saisonende nicht mehr werden. „Beim Standard ist Chaos“, sagte Abwehrspieler Toprak, nachdem Werder am zehnten Spieltag bereits das siebte Gegentor nach ruhenden Bällen kassiert hatte. Nach 34 Spieltagen sollten es gar stolze 21 sein. Kein anderes Team in der Bundesliga schnitt in dieser Wertung schlechter ab.

Nur ein Standard-Gegentor nach sechs Spielen

„In der vergangenen Saison waren wir irgendwann in einem Negativstrudel gefangen und Woche für Woche leider sehr anfällig bei Standardsituationen“, sagt Clemens Fritz. Dass Werders „Leiter Profifußball“ diese Einschätzung im November 2020 ziemlich locker über die Lippen kommt, dürfte damit zusammenhängen, dass die Bremer ihre große Standardschwäche inzwischen in den Griff bekommen haben. An den ersten sechs Spieltagen der laufenden Serie hat die Mannschaft von Cheftrainer Florian Kohfeldt erst einen Gegentreffer nach einem ruhenden Ball kassiert (beim 1:1 in Freiburg), was ganz sicher einen maßgeblichen Teil zum guten Saisonstart mit neun Punkten und Tabellenplatz neun beiträgt.

Zuordnung, Präsenz und Entschlossenheit

Zum selben Zeitpunkt waren es im Vorjahr nämlich schon sechs Standardgegentore gewesen, davon ein Elfmeter und ein direkter Freistoß. Nahezu wöchentlich kamen in der Folge neue Standardpannen hinzu, aus denen sich für Werder schnell die Faustregel ableiten ließ: hohe Bälle gleich große Gefahr. Das ist mittlerweile anders. Zuordnung, Verhalten bei Kopfballduellen, körperliche Präsenz und Entschlossenheit – all das ist bei Werder während des Sommers besser geworden. „Jetzt ist einfach ein ganz anderes Bewusstsein da“, betont Fritz, „die Spieler haben ein ganz anderes Selbstverständnis, weil sie wissen: Wir können das verteidigen!“ Die vielen negativen Gedanken aus dem Vorjahr seien endgültig raus aus den Köpfen. „Jeder konzentriert sich jetzt nur noch auf den Moment.“

Geheimnis um Mann hinter den Standards

Wie genau Werder das geschafft hat, wollte Fritz nicht verraten. Mehr als der Hinweis darauf, „dass wir an dem Thema arbeiten und darüber sprechen“, war vom Ex-Profi nicht zu bekommen. Trainer Kohfeldt hatte es vor dem Saisonstart sogar vermieden, öffentlich zu berichten, wer aus seinem Trainerteam sich künftig federführend um die Standards kümmert. Im Vorjahr war genau das nämlich ziemlich nach hinten losgegangen. Zur Erinnerung: Der damals neue Co-Trainer Ilia Gruev, heute in anderer Funktion für den Verein tätig, war im Sommer 2019 als eine Art Standard-Coach vorgestellt worden und angesichts der Gegentorflut nach gegnerischen Eckbällen und Freistößen öffentlich schnell in die Kritik geraten.

„Angst spielt nicht mehr mit“

Als die Bundesliga nach der Corona-Pause den Spielbetrieb im Mai fortsetzte, übernahm Kohfeldt selbst den sensiblen Bereich. Auch Teampsychologe Andreas Marlovits, mit dem Werder seit dem Februar nicht mehr zusammenarbeitet, soll das Thema mit den Profis noch intensiv besprochen haben, um eventuelle mentale Blockaden zu lösen. Womöglich waren das bereits zwei Grundbausteine dafür, dass die Standard-Arbeit während der Saisonvorbereitung im Sommer zum Erfolg führen konnte. „Die Angst spielt nicht mehr mit“, betont Fritz, „weil wir uns diese Stabilität und Robustheit erarbeitet haben.“

Kreativität und neue Lockerheit auf der Gegenseite

Was übrigens auch auf der anderen Seite des Platzes zu erkennen ist. Während des 1:1 bei Eintracht Frankfurt überraschte Werder mit zwei kreativen Eckballvarianten, die zwar nicht zum Erfolg führten, aber doch für die neue Lockerheit standen. „Wir wollen variieren, was die Standardsituationen betrifft, das haben wir im letzten Jahr aber auch nicht anders gemacht“, erklärte Fritz. Nur mit dem Unterschied, dass damals irgendwann der Punkt erreicht war, an dem Werders Ecken die Beobachter eher an gefährliche Konter des Gegners denn an gute Torchancen für die Bremer denken ließen. Auch diese Zeiten scheinen an der Weser vorbei zu sein.

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