Für den selbsterklärten "Hardcore-Fernsehmann" Ludwig Evertz, lag das Brot-und-Butter-Geschäft stets in Bremen und umzu. Foto: Radio Bremen, Jan Rathke Hätte gerne mit seinen Radio-Bremen-Kollegen und den Sportchefs der anderen ARD-Anstalten gefeiert. Stattdessen geht Ludwig Evertz „durch die Hintertür“. Foto: Radio Bremen, Jan Rathke
Abschied

Ohne Kirsche auf der Torte

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Radio-Bremen-Sportchef Ludwig Evertz geht in Rente und will jetzt musikalisch mit dem Banjo durchstarten.

Die vergangene Woche war für Ludwig Evertz vollgepflastert mit Terminen. Und beinahe stündlich schienen noch weitere hinzuzukommen. Ständig klingelte das Telefon des Sportchefs von Radio Bre-men. Es waren nicht nur die ARD und die Hörfunksender aus dem eigenen Haus, die den 65-Jährigen unbedingt noch einmal vor die Kamera oder das Mikrofon bekommen wollten.

Evertz ist so etwas wie ein Fernseh-Dino – oder wie er es sagt: „Ein technisches Auslaufmodell.“ Hört sich erst einmal wenig charmant an, aber dafür hat er die Messlatte ziemlich hoch gelegt. Genau 36 Jahre lang hat er seinen Job gemacht – und alleine im eigenen Sender vier Intendanten, fünf Programmdirektoren und sieben Chefredakteure miterlebt und die meisten davon eben überlebt.

Für die ARD bei Olympischen Spielen und Weltmeisterschaften

Er habe ein sehr privilegiertes Berufsleben gehabt, sei bei vielen Dingen dabei gewesen, für die andere Menschen eine Menge Geld bezahlten: „Beim 7:1 im Halbfinale bei der Fußball-Weltmeisterschaft in Brasilien war ich im Stadion, ebenso beim Endspielsieg der deutschen Mannschaft wenige Tage später“, erzählt er. „Dazu die Eröffnungs- und Abschlussfeiern Olympischer Spiele“, fügt er an.

Für die ARD war Evertz mehr als 30 Jahre lang bei sportlichen Großereignissen in der ganzen Welt dabei, berichtete von sechs Fußball-Weltmeisterschaften, sechs Europameisterschaften, sieben Olympischen Sommer- und vier Winterspielen.

Auf ein Interview mit Placido Domingo

Dabei habe er es immer als Vorteil empfunden, kein klassischer Sportreporter zu sein. Denn so wurde er oft der Mann für ganz besondere Aufträge rund um die Events: So 1990 bei der Fußball-WM in Italien, als er ein Interview mit Mario Adorf führte oder vier Jahre später in Chicago durfte er derjenige sein, der für das Treffen mit Weltstar Placido Domingo ausgewählt wurde. Vieles fiel Evertz jetzt auch wieder ein, als er sein Büro ausräumte und seine persönlichen Dinge in Umzugskartons verstaute. Parallel dazu bereitete er noch seinen letzten dienstlichen Auftritt vor: Am Freitagabend um 18.06 Uhr moderierte er zum letzten Mal den „Sportblitz“. Die Sendung, die er einst gemeinsam mit Jörg Wontorra – 1985 Entdecker und danach Förderer von Evertz – erfand und als eigenständigen Programmpunkt mit eigenem Etat neben „Buten un Binnen“ als Marke etablierte.

Internationale Highlights für Radio-Bremen-Team

Siebeneinhalb Minuten lang ist das Format – die einzige täglich ausgestrahlte Regionalsport-Sendung im deutschen Fernsehen. Evertz‘ Brot-und-Butter-Geschäft war stets das vor der eigenen Haustüre – die großen Highlights erlebten er und sein Team international. Auch da war Evertz in federführender Funktion dabei: Bei den Olympischen Spielen 2012 und 2016 war er für die ARD Chef vom Dienst (CvD).

Bei Olympia in Tokio wäre Evertz ebenfalls wieder am Start gewesen, hätte Corona nicht allem einen Strich durch die Rechnung gemacht. „Es wäre die Kirsche auf der Tort e g e w e s e n“, b e d a u e r t Evertz sein geplatztes beruf liches „Traumfinale“. Was ihn ähnlich schmerzt, ist dass er sich anstelle einer großen Einladung nur digital von den anderen ARD-Sportchefs verabschieden konnte – und auch im eigenen Sender der übliche Abschiedsempfang mit Kollegen und langjährigen Weggefährten wegen Corona unmöglich ist.

Fan von Oldtimern und Café-Besuchen

„So ist es nun der Abgang durch die Hintertüre. Aber ich unterliege nicht dem Irrtum, unentbehrlich zu sein“, sagt der jung gebliebenen Neurentner, dem es aber wohl kaum langweilig werden dürfte. Denn dafür steht viel zu viel auf seiner To-Do-Liste. Leidenschaftlich gerne geht er morgens ins Café, um dort in aller Ruhe die Zeitung zu lesen. Zusammen mit seiner Freundin Marion und dem alten VW-Bus will der Oldtimer-Fan kreuz und quer durch Europa fahren – und vor eineinhalb Jahren hat er noch mit dem Banjospielen angefangen. So begeistert und ehrgeizig, dass seine Freunde ihm bescheinigen, dass sein Ziel wohl nur die Bühne sein könne.

Womit sich übrigens ein Kreis schlösse. Als Jugendlicher war Evertz mit seiner Gitarre und als Teil des Duos „Ludwig und Marion“ bereits eine kleine Berühmtheit – im Bocholter Karneval. Die angesagte Beatles-Frisur von damals wird er sich aber wohl nicht mehr zulegen.

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