Theater während Corona: Die Aufführung der Bremer Shakespeare Company wird aufgenommen und auf Youtube zur Verfügung gestellt.Foto: Neeland
Online Theater

Kein Applaus, kein Vorhang

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Die Schauspielerin Sofie Miller erfährt nicht, wie ihr Auftritt ankommt.

Sofie Miller steht auf der Bühne der Bremer Shakespeare Company. Kunstnebel wabert um die Schauspielerin. Sie greift zu einem rostigen Rohr und beginnt, Geräusche damit zu machen. Immer mehr Müll nimmt sie in die Hand, die Geräuschkulisse nimmt zu, wie bei einem Kanon, bis eine Art Gewitter entsteht. Sie richtet sich auf und das Theaterstück ‚Ich, Caliban’ beginnt. Die Zuschauer beobachten Miller allerdings nicht vom Saal aus, sondern von ihrem Sofa, Bett oder von wo auch immer sie dem Link zur Youtube-Vorstellung gefolgt sind. Denn die Bremer Shakespeare Company bietet ihre Theaterstücke momentan als Online-Inszenierungen an.

In Deutschland gibt es laut Bundesverband der Theater und Orchester 140 öffentlich getragene, rund 200 private Theater sowie etwa 600 Gastspielhäuser ohne festes Ensemble. Sie alle sind von den Schließungen der Corona-Lockdowns betroffen und mussten kreative Lösungen finden, um den Kontakt zum Publikum nicht zu verlieren.

Monolog-Reihe vor der Kamera

So auch die Shakespeare Company. „Corona hat uns komplett ausgebremst“, sagt Miller. „Im Sommer haben wir beschlossen, unseren Spielplan umzustellen und statt mit vielen Schauspielern auf der Bühne auf der Bühne zu stehen, eine Monolog-Reihe zu erarbeiten.“ Aber nicht einmal diese darf im Lockdown vor Zuschauern aufgeführt werden. Und so steht Miller während der Aufführung von ‚Ich, Caliban’ nicht vor einem Publikum, das applaudiert, lacht, weint, interagiert – sondern vor einer Kamera.

Das Solo-Sück nach William Shakespeares „Der Sturm“ feiert an diesem Sonntagabend seine Deutschlandpremiere. „Die Inszenierung ist bewusst als abgefilmter Theaterabend gedacht und nicht als Film an sich“, sagt die Schauspielerin. Deswegen ist das Stück auch nur zu den gewöhnlichen Theaterzeiten am Wochenende zu sehen und nicht immer verfügbar. Der Hintergedanke: Es soll sich trotzdem immer noch ein wenig wie ein Theaterbesuch anfühlen, alle können gemeinsam zuschauen – wenn auch aus verschiedenen Wohnungen.

Kontakt zum Publikum fehlt

Sofie Miller ohne Kostüm.
Foto: Marianne Menke

„Mir persönlich fällt es schwer, mir dabei zuzugucken. Online wirken meine stilistischen Mittel anders und kommen nicht so rüber, wie ich es gerne hätte“, findet Miller. Trotzdem sei sie froh, die Chance zu haben, mit dem Publikum Kontakt zu halten.

„Ich habe mich schon sehr alleine gefühlt auf der Bühne ohne Menschen im Theater. Gerade dieses Stück lebt auch davon, dass ich die Zuschauer direkt anspreche. Ihre Reaktionen beeinflussen mein Spielen.“ Diese Wechselbeziehung zwischen Reaktionen und Schauspiel machen das Einzigartige und Besondere am Theater aus. Das fehle jetzt. Zeitgleich sieht die Künstlerin die Pandemie als Chance für die deutschen Theater: „Wir entwickeln uns weiter und passen uns den Situationen an.“ Die Schauspielhäuser waren gezwungen, sich mit Medien zu beschäftigen. Das werde ihnen in Zukunft helfen.

Theater sind systemrelevant

„Kultur und Theater sind systemrelevant. Sie geben den Menschen die Möglichkeit, sic

h auszutauschen, zu diskutieren. Ohne Kultur ist Deutschland eine arme Gesellschaft.“
Am Ende des Stücks hat Caliban seinen Gegner besiegt, Sofie Miller schaut ein letztes Mal in die Kamera. Kein Applaus, kein Vorhang. Die Aufnahme endet, Youtube spielt bereits das nächste Video.

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