Kristina Vogt trat 2008 in die Partei Die Linke ein, seit 2019 ist sie Senatorin für Wirtschaft, Arbeit und Europa.Foto: Schlie
Bremer Wirtschaft

„Das ist schon absurd“

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Wirtschaftssenatorin Kristina Vogt über Pleiten, Jobs und die Winterkollektion.

Weser Report: Frau Vogt, die Corona-Krise geht in das zweite Jahr. Wann trifft die Insolvenz-Welle Bremen?

Kristina Vogt: Das hängt davon ab, wie lange der Lockdown für einzelne Branchen noch dauert. Insbesondere für den stationären Einzelhandel, die Gastronomie und die Veranstalter ist es trotz aller Hilfen sehr schwer. Aber wir haben noch keine große Anzahl an Insolvenzen. Es gibt staatliche Hilfen und die Pflicht, ein Insolvenzverfahren zu beantragen, ist ausgesetzt.

Bis Ende April. Und dann?

Es gibt Branchen, die sind trotz Schließung gut durch die Krise gekommen, insbesondere weil die Novemberhilfen und Dezemberhilfen sehr umfangreich waren. Aber die Lage des Textileinzelhandels, des Schuhhandels und ähnlicher ist sehr schwer einzuschätzen. In guten Lagen müssen sie hohe Mieten zahlen, das Wintergeschäft ist weitgehend ausgefallen, da sie vor Weihnachten schließen mussten, und jetzt stehen sie vor der schwierigen Situation, dass sie die Kollektionen für das Frühjahr und den Sommer bestellen müssten, aber nicht wissen, wann sie wieder vollständig öffnen dürfen.

Wie hilft Bremen den Händlern, die Winterkollektion loszuwerden? Wenn sie die verschenken, müssen sie noch Umsatzsteuer zahlen.

Da müssen noch einmal die Finanzminister ran. Es gibt eine Modellrechnung: Wenn man eine Tonne T-Shirts verschenkt, muss man 900 Euro an Steuern zahlen. Vernichtet man die T-Shirts, kostet das 100 Euro. Das ist schon absurd.

Wie sicher sind die Arbeitsplätze in Bremen?

Wir hatten im vergangenen Jahr einen größeren Einbruch als die anderen Bundesländer, das Saarland ausgenommen. Das Bruttoinlandsprodukt (BIP), die Summe aller hier erzeugten Güter und erbrachten Leistungen, sank im ersten Halbjahr in Bremen um 8,7 Prozent, im Bundesdurchschnitt dagegen um 6,6 Prozent. Der Umsatz der bremischen Industrie ging bis Oktober 2020 um 27 Prozent zurück und damit doppelt so stark wie im Bund. Das zeigt auch die Problematik unseres Bundeslandes.

Welche meinen Sie?

Wir haben nicht nur coronabedingte Probleme auch im Verarbeitenden Gewerbe, auch bedingt durch eine hohe Exportabhängigkeit. Und wir haben starke Industriecluster, die unter einem Transformationsdruck stehen wie Automotive, Stahl und die Luftfahrt. Deshalb liegen wir auch in der Arbeitslosigkeit und in der Kurzarbeit über dem Bundesdurchschnitt. In anderen Bundesländern steigt die Arbeitslosigkeit zwar steiler an, aber wir hatten schon einen hohen Sockel.

Der dürfte noch wachsen?

Ich gehe davon aus, dass die Arbeitslosigkeit steigt oder auf dem höheren Niveau erst einmal bleibt. Deshalb ist die Frage auch, wie wir insbesondere die kleinen und kleinsten Unternehmen stützen können. Uns ist es immerhin gelungen, dass Überbrückungshilfen auch für Digitalisierungsprogramme gezahlt werden dürfen. Wir gehen auch davon aus, dass der Bremen-Fonds mindestens noch für 2022 aufgesetzt werden muss.

Die malaysische Genting Group will die Lloyd-Werft in Bremerhaven Ende des Jahres schließen. Sie setzen sich für einen Verkauf an einen regionalen Investor ein. Wie weit sind Sie?

Ich führe die Verhandlungen nicht, aber ich bin verhalten optimistisch, dass eine Lösung zustande kommt.

Als Käufer ist die Heinrich Rönner-Gruppe aus Bremerhaven im Gespräch.

Ja, das hat sie öffentlich bestätigt. Es sind aber auch andere Namen im Gespräch. Ich finde Rönners Konzept plausibel. Es gibt auch überregionale Investoren, die kaufen bedrohte Betriebe auf, aber dann steht da hinterher keine Werft mehr. Ein regionaler Investor hätte Interesse an der Fortführung der Werft.

Ist eine Rettung ohne staatliche Hilfe möglich?

Ja, im Moment laufen normale Verkaufsverhandlungen. Wenn wir einen regionalen Käufer bekommen, erwartet er vom Land schon Investitionen etwa in die Kajen. Darüber müssen wir uns dann im Senat verständigen.

Im Airbus-Werk soll die Ausrüstung der Flügel verlagert werden.

Ich habe mit den Airbus-Verantwortlichen schon im vergangenen Frühjahr gesprochen und auch später noch – mit einem sehr guten Ergebnis. Gemeinsam mit meinen Kollegen Bernd Althusmann und Michael Westhagemann haben wir ausgehandelt, dass Airbus Wasserstofftanks für umweltschonendes Fliegen in Bremen entwickelt. Außerdem hat uns Airbus zugesichert, dass es keine Entscheidung über eine Verlagerung der Flügelproduktion gibt, solange Bremen dafür keinen adäquaten industriellen Ersatz bekommt.

Zur Rettung der Innenstädte haben Sie das Projekt Stadtlabor gestartet. Wie ist der Stand?

Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier haben wir damit sehr beeindruckt. Das Projekt soll auch auf Mönchengladbach, Langenfeld, Nürnberg und Erfurt übertragen werden. Das Kölner Institut für Handelsforschung begleitet es wissenschaftlich und die Ergebnisse können dann alle Städte nutzen.

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