Masiar Amirkhizi behandelt ohne Kittel und Stethoskop, um Obdachlosen die Scham vor der Behandlung zu nehmen.Foto: Schlie
Obdachlosenhilfe

Anstoß in der Kantine

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Warum der Arzt Masiar Amirkhizi ehrenamtlich Obdachlose behandelt und wie Corona darauf Einfluss nimmt.

„Obdachlose haben im Durchschnitt eine Lebenserwartung von 50 bis 60 Jahren. Gesundheit ist eine Frage des sozialen Status, aber diese Leute haben einfach keine Lobby, die sich für sie einsetzt“, sagt Masiar Amirkhizi. Jeden Freitag von 13 bis 16 Uhr behandelt der Arzt Wohnungslose in der Praxis Auf der Brake zwischen Breitenweg und Contrescarpe.

„In diesem Land fühlt sich keiner für Wohnungslose zuständig“, behauptet Amirkhizi. Für ihn müsse die ärztliche Versorgung nicht von Ehrenamtlichen übernommen werden, sondern von einer zuständigen Institution mit mindestens einem Festangestellten, der dann auch jeden Tag in der Woche ansprechbar ist. „Die Situation hier ist ein permanentes Provisorium, auch außerhalb von Corona.“

Veränderungen durch Corona

Viele Patienten kommen, weil sie akute Infektionen haben. „Wer draußen auf der Straße lebt, fängt sich leichter was ein“, sagt Amirkhizi, der seit drei Jahren Obdachlose behandelt.
Was die Corona-Pandemie verändert habe? Die Praxis hängt am Café Papagei, das momentan teilweise geschlossen ist. Die Folge: Der Zugang zur Praxis ist schwieriger. Vorher fungierte das Café als Warteraum. „Nun stehen die Menschen draußen, auch bei Schnee und Hagel und müssen sich zanken, wer als nächstes drankommt“, sagt Amirkhizi.

Im Durchschnitt werden in der Praxis „Auf der Brake“ pro Quartal 110 Patienten behandelt. „Manche kommen mehrfach im Quartal, manche regelmäßig über Jahre, andere kommen nur einmal oder nur, bis die Behandlung abgeschlossen ist“, sagt Gerd Wenzel, erster Vorsitzender des Vereins zur Förderung der medizinischen Versorgung Obdachloser (MVO). Der Verein ist nicht nur Träger dieser Praxis, sondern auch verantwortlich für die Sprechstunden im Bremer Treff und im Frauenzimmer.

Spendenfinanziert

Drei Ärzte teilen sich die Arbeit an den drei Tagen, an denen die Sprechstunde „Auf der Brake“ angeboten wird. Die Kosten für die Medikamente und die Behandlungen werden vor allem über Spenden finanziert.
Amirkhizi hat vor einigen Jahren in der Kantine des Diako gegessen. Dort hat er einen Mann beobachtet, der die Essensreste von anderen Tellern gegessen hat. „Ich habe ihm ein Essen gekauft, mir aber gedacht: Das reicht nicht. Morgen hat er wieder Hunger.“ So hat der Arzt sich überlegt, wie er helfen kann. Seitdem behandelt er in seiner Freizeit Wohnungslose. „Wir Ärzte sind eine privilegierte Gruppe und wenn es mir gut geht, kann ich auch etwas zurückgeben.“

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