Die Grünen-Politikerin und Mobilitätssenatorin Maike Schaefer ist auch Vorsitzende des Aufsichtsrates der Bremer Straßenbahn AG (BSAG).Foto: Schlie
Interview

„An Verkehrswende anpassen“

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Die Mobilitätssenatorin Maike Schaefer spricht über die Corona-Folgen für Bus und Bahn.

Das Risiko, sich mit dem Corona-Virus zu infizieren, ist in Bus und Bahn nicht höher als im Privatauto. Zu dem Ergebnis kommt eine Studie, die die Charité Research Organisation im Auftrag mehrerer Bundesländer, darunter Bremen, erstellt hat. Alles gut?

Weser Report: Frau Schaefer, die Bundesregierung, aber auch der Senat appellieren an die Menschen, Kontakte zu reduzieren und Fahrten mit Bussen und Bahnen einzuschränken, um die Infektion einzudämmen. Aber als Gesellschafter der BSAG muss die Hansestadt daran interessiert sein, dass möglichst viele Leute den öffentlichen Nahverkehr (ÖPNV) nutzen, damit die Verluste der BSAG nicht noch größer werden. Wie passt das zusammen?

Maike Schaefer: Die Gesundheit der Menschen steht eindeutig im Vordergrund. Momentan kann der ÖPNV unter Wahrung aller Corona-Regeln und bei der aktuell geringeren Auslastung gut genutzt werden. Der ÖPNV stellt Daseinsfürsorge dar, wir stehen hier als Kommune in der Verpflichtung. Zugleich habe ich mich aber als Vorsitzende der Verkehrsministerkonferenz stark für den Rettungsschirm eingesetzt. Das Bundeskabinett hat dazu endlich eine Milliarde Euro freigegeben, um die Verluste im ÖPNV aufzufangen.

Zum Zeitpunkt der Studie waren die Busse und Bahnen im untersuchten Gebiet zu 47 Prozent besetzt. Wenn die geplanten Lockerungen kommen, dürften auch wieder mehr Menschen mit dem ÖPNV fahren. Gelten die Ergebnisse der Studie dann noch?

Ich denke schon, denn es gibt zwei Dinge zu berücksichtigen. Dadurch, dass es in diesem Frühjahr lange kalt war, steigen erst jetzt wieder viele Nutzer aufs Fahrrad um. Obendrein steigt die Zahl der Geimpften immer weiter an. Zudem hat sich in der Studie gezeigt, dass gerade das Tragen der FFP2-Masken und die permanente Durchlüftung durch das automatische Öffnen der Türen effizient einer Ansteckung vorbeugen.

Die Fahrzeit der beteiligten Personen betrug 15 bis 30 Minuten. Wie sicher sind Bahn und Bus bei längeren Fahrzeiten? Manche Pendler sind ja länger unterwegs.

Ziel der Studie war es, kurzfristig zu klären, wie sicher der ÖPNV in den gebräuchlichsten Nutzungsarten und -zeiten ist. Somit haben wir mit der Studie einen sehr großen Anteil der ÖPNV-Nutzung abgedeckt. Das gilt insbesondere für Bremen.

Wie wird sich die Nutzung des ÖPNV längerfristig verändern, da offenbar auch nach Corona mehr Beschäftigte im Homeoffice arbeiten wollen?

Wir stecken noch mitten in der Corona-Krise. Jetzt bereits über konkrete Auswirkungen danach zu reden, halte ich für sehr spekulativ. Zudem gilt es hier zu berücksichtigen, wie sich ein wegen der Verkehrswende bewusst attraktiver gestalteter ÖPNV auswirkt, wenn wir beispielsweise ein 365-Euro-Ticket einführen, wenn wir kürzere Takte etablieren, wenn wir mit kleineren Fahrzeugen in den Randgebieten agieren und die Straßenbahnlinien ausbauen. Wir werden den ÖPNV den neuen Bedingungen der notwendigen Verkehrswende anpassen. Dazu gehört dann sicher auch, Homeoffice zu berücksichtigen.

In der Studie wird auch darauf hingewiesen, dass die Fahrgäste eine „höhere Aufenthaltsqualität“ wünschen.

Wir führen gerade allmählich die neuen Nordlichter ein, die neuen Straßenbahnzüge bei der BSAG. Das sind Siemens-Züge der neuesten Generation, die deutlich mehr Komfort und Platz für die Fahrgäste haben. Auch beschaffen wir gerade neue Busse und setzen hier auf E-Mobilität. Barrierefreiheit ist elementar.

Mit welchem Defizit rechnen Sie bei der BSAG in diesem Jahr gegenüber 2020 und wie soll es ausgeglichen werden?

Deutschlandweit betrugen die Mindereinnahmen für den ÖPNV im vergangenen Jahr 3,3 Milliarden Euro, für dieses Jahr liegt die Prognose bei 3,6 Milliarden. Für 2020 rechnen wir für die BSAG mit einem zusätzlichen Defizit von etwa 25 Millionen Euro. Das wird über den ÖPNV-Rettungsschirm finanziert, den die Bundesländer hälftig mit dem Bundesverkehrsministerium teilen. Zahlen für 2021 liegen natürlich noch nicht vor. Wir gehen aber von einer vergleichbaren Größenordnung aus, hoffen aber, dass die zweite Jahreshälfte besser wird.

Inwiefern beeinflussen die Einnahmeausfälle der BSAG deren Investitionsprogramm?

Gar nicht. Wie gesagt, die Ausfälle bei den Ticketerlösen werden über den speziellen ÖPNV-Rettungsschirm finanziert.

Ist eine Erhöhung der Fahrpreise geplant oder eine Veränderung der Tarifstruktur?

Eine Erhöhung der Fahrpreise haben wir in der Koalition ausgeschlossen. Wir untersuchen derzeit zwei Alternativen: das 365-Euro-Ticket und den ticketlosen ÖPNV. Ziel ist es, den ÖPNV so attraktiv zu machen, dass er ein Schwergewicht in der Verkehrswende ist.

Gibt es unter den Verkehrsministern gemeinsame Überlegungen oder Aktionen, um die Krise des ÖPNV zu überstehen?

Ja, die Bundesländer haben für 2020 und 2021 gemeinsam fast 7 Milliarden Euro für den ÖPNV-Rettungsschirm aufgebracht.

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