Die Bremer SPD-Politikerin Sarah Ryglewski gehört seit 2015 dem Bundestag an, seit 2019 ist sie Parlamentarische Staats­sekretärin bei Finanzminister Olaf Scholz. Foto: Fionn Grosse
Interview

„Keinen harten Sparkurs“

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Finanz-Staatssekretärin Sarah Ryglewski spricht über Schulden, City und Bremer SPD.

Weser Report: Frau Ryglewski, die Bundesregierung darf Kredite in Rekordhöhe aufnehmen. Wie sollen die Rekordschulden wieder getilgt werden?

Sarah Ryglewski: Wir sind bisher vergleichsweise gut durch die Krise gekommen, auch in der Finanzpolitik. Es liegt daran, dass wir in den vergangenen Jahren die Verschuldung weiter zurückgefahren haben. Das gibt uns die Kraft, jetzt das Geld in die Hand zu nehmen, das nötig ist, auch um die Wirtschaft zu stabilisieren. Wir haben eine Verschuldung geplant, die bei rund 75 Prozent des Bruttoinlandsprodukts liegt. Es ist vorgesehen, die Staatsverschuldung sukzessive zurückzufahren. Aber es ist nicht sinnvoll, jetzt einen harten Sparkurs zu fahren. Er würde die Konjunktur abwürgen. Auch die Kürzung von Sozialleistungen würde dann im Fokus stehen. Sie würde die Menschen treffen, die jetzt besonders unter der Pandemie leiden.

Woher soll das Geld für die Tilgung kommen?

Wir müssen aus der Krise herauswachsen und auch deshalb ist es wichtig, die Wirtschaft zu stabilisieren. Und wir müssen die Einnahmeseite stärken. Etwa indem wir Steuervermeidung bekämpfen, wie jetzt zum Beispiel mit dem Steuer­oasen-Abwehrgesetz. Aber auch, indem wir maßvoll die Steuern erhöhen. Meine Partei, die SPD, fordert daher in ihrem Wahlprogramm eine Anhebung des Spitzensteuersatzes, aber auch eine Anhebung der Grenze, von der an er gelten soll, um mittlere Einkommen zu entlasten. Geplant ist auch die Reform der Erbschaftsteuer und der Vermögenssteuer. Vermögende für die Kosten der Pandemie in die Pflicht zu nehmen, ist am ehesten vertretbar. Die Sozialleistungen dürfen wir nicht kürzen.

In der Pandemie laufen insbesondere die Geschäfte von Online-Diensten sehr gut. Viele haben ihren Firmensitz aber in Ländern mit sehr niedrigen Steuern, zahlen aber kaum Steuern in den Ländern, in denen sie die größten Einnahmen erwirtschaften. Finanzminister Olaf Scholz und sein französischer Kollege schlagen deshalb eine globale Mindeststeuer vor. Wann kommt sie?

Wie hoch die Mindeststeuer sein soll und in welchen Fällen sie erhoben wird, ist noch in der Diskussion. Olaf Scholz und Bruno Le Maire haben gesagt, dass sie sich 21 Prozent vorstellen können. Auch die USA gehen in diese Richtung. Ziel ist es, die Diskussion im Kreis der OECD-Länder bis zum Sommer abzuschließen. Wie viel Geld dadurch in den Bundeshaushalt fließt, kann man noch nicht sagen.

Was erwarten Sie von der Steuerschätzung im Mai?

Die Prognose über künftige Steuereinnahmen wird etwas positiver ausfallen als die Prognose, die wir im Herbst hatten. Denn das Bruttoinlandsprodukt ist nicht so stark geschrumpft wie befürchtet. Auch wegen der umfangreichen Wirtschaftshilfen.

Solo-Selbstständige, darunter auch Künstler, klagen darüber, dass sie in der Pandemie nicht ausreichend unterstützt werden. Warum nicht?

Die Wirtschaftshilfen laufen jetzt deutlich besser. Fast alle Anträge von Selbstständigen, die die Neustarthilfe beantragt hatten, sind vollständig bearbeitet und die Förderung ausgezahlt worden. Aber es ist auch ein Systemproblem. Arbeitnehmer bekommen Kurzarbeitergeld oder Arbeitslosengeld, aber sie haben auch in die Arbeitslosenversicherung eingezahlt, Selbstständige nicht. Nach der Krise müssen wir die Absicherung von Selbstständigen noch mal angehen.

Der Bund hat Bremen 40 Millionen Euro für den Umbau des Konzerthauses Glocke zugesagt. Die Senatorin für Bau und Stadtentwicklung war überrascht. Ihr lagen keine Pläne vor, als die Zusage kam.

Für die Glocke habe ich mich gefreut. Aber man muss aufpassen, dass man aus Berlin die Geschenke mitbringt, die man vor Ort auch umsetzen kann. Die 40 Millionen Euro erhält Bremen ja nur, wenn es auch 40 Millionen Euro dafür bereitstellt. Das wird für Bremen in den nächsten Jahren eine große Herausforderung. Ich hätte mich in dieser Form wahrscheinlich nicht für den Bundeszuschuss eingesetzt, weil ich mir erst einmal Klarheit mit den Akteuren vor Ort verschafft hätte. Ich habe mich in Berlin zum Beispiel für das Überseemuseum eingesetzt, weil da klar war, was konkret mit dem Geld gemacht wird und dass dieses zeitnah abgerufen wird.

Ist ein Ausbau der Glocke überhaupt möglich, wenn die Mobilitätssenatorin die Haltestellen der Straßenbahn vor das Konzerthaus legt?

Wenn man aus Berlin 40 Millionen Euro für ein Konzerthaus bekommt, führt man eine Diskussion um den Standort von Straßenbahnhaltestellen anders, das sehen wir jetzt. Auf jeden Fall braucht es ein Gesamtkonzept für die Innenstadt.

Die Bremer SPD sucht eine neue Landesvorsitzende, wenn Sascha Aulepp Bildungssenatorin wird. Kandidieren Sie?

In der Bremer SPD lösen wir solche Fragen gemeinsam und in Ruhe. Der Parteitag ist erst im Juni. Als stellvertretende Landesvorsitzende sehe ich es natürlich als meine Aufgabe an, an einer guten Lösung mitzuwirken.

Muss wieder eine Frau an die Spitze?

Mit Sascha Aulepp hatten wir sechs Jahre lang eine Frau an der Spitze, deshalb muss die Nachfolge aber nicht zwangsweise eine Frau antreten.

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