Diplom-Politologin Sarah Ryglewski trat 2001 in die SPD ein, bei der Bundestagswahl 2017 gewann sie den Wahlkreis Bremen I mit 30 Prozent der Erststimmen.Foto: Meyer
Interview

„Das ist nicht solide“

Von
SPD-Spitzenkandidatin Sarah Ryglewski über Steuern, Renten und Dispo-Zinsen.

Weser Report: Frau Ryglewski, von ihren Parteivorsitzenden Saskia Esken und Norbert Walter-Borjans hört man im Wahlkampf wenig. Fürchtet die SPD, die beiden könnten Wähler abschrecken?

Sarah Ryglewski: Bei der Bundestagswahl steht natürlich der Kanzlerkandidat im Mittelpunkt. Es ist aber auch nicht so, dass die beiden Vorsitzenden gar nicht wahrnehmbar sind. Saskia Eskens ist ja unterwegs und macht vor Ort Wahlkampf.

Sie sind Abgeordnete im Bundestag und zugleich parlamentarische Staatssekretärin im Bundesfinanzministerium. Jetzt fordern Sie klare Regeln für Banken und Versicherungen. Aber es gibt doch Regeln.

Ja, aber ich finde es richtig, dass man vom einzelnen Verbraucher her denkt. Da besteht noch Nachholbedarf. Wir sind gerade dabei, die Finanzdienstaufsicht Bafin stärker in Richtung transparenter Verbraucherschutz aufzustellen. Auch in der Frage, welche Produkte wir am Finanzmarkt haben, gibt es mit Blick auf Kleinanleger immer wieder Schwierigkeiten. Auch in der Frage negativer Zinsen.

Wollen Sie die deckeln?

Im Privatkundengeschäft der Banken haben wir durchaus noch Regelungsbedarf. Beim Stickwort Deckelung fällt mir eher das Thema Dispo-Zinsen ein. Der Dispo ist ein Kredit mit sehr geringem Ausfallrisiko, trotzdem verlangen einige Banken immer noch Zinsen von zehn, teilweise von elf Prozent. Das ist nicht gerechtfertigt angesichts der niedrigen Zinsen, zu denen sich die Banken selber finanzieren können.

Sie wollen das Rentenniveau stabil halten, lehnen aber eine Erhöhung der Rentenbeiträge ab, obwohl es immer mehr Rentenempfänger und immer weniger Beitragszahler gibt. Wie soll das funktionieren?

Es ist uns gelungen, die Zahl der Beitragszahlerinnen und Betragszahler verhältnismäßig stabil zu halten, weil wir die Erwerbstätigkeit deutlich gesteigert haben. Da sind auch noch Ressourcen zu heben. Viele Frauen möchten länger arbeiten, auch in Berufen, in denen Bedarf besteht. Und nicht nur zur Finanzierung der Renten, sondern auch zur Deckung des Fachkräftebedarfs brauchen wie Einwanderungen. Und nicht nur für akademische Berufe, sondern auch für Facharbeiterinnen und Facharbeiter. Wir werden auch nicht um einen höheren Steueranteil zur Finanzierung der Renten umhin kommen. Aber die Zahl der Rentner steigt ja nicht ewig, irgendwann ist das Verhältnis zwischen Rentenempfänger und Beitragszahler wieder ausgeglichen.

Oder die Menschen sorgen privat für die Rente vor?

Private Altersvorsorge sollte man stärker fördern. Es gibt verschiedene Vorschläge, auch von den Verbraucherschützern, zum Beispiel die Einrichtung eines Vorsorgefonds, der öffentlich-rechtlich gemanagt wird, aber mit der Expertise von Dritten.

Wie wollen Sie die Corona-Schulden tilgen, die der Bund und die Länder aufgenommen haben?

Wir müssen aufpassen, dass uns die Tilgung nicht die Gestaltungsmöglichkeiten für andere wichtige gesellschaftspolitische Aufgaben verbaut. Es gibt die Überlegung gegen ein einmaliges An und Aus der Schuldenbremse. Eine weitere Überlegung ist, Zukunftsinvestitionen von der Schuldenbremse auszunehmen. Die Diskussion muss man nicht nur im Bund führen, sondern auch in den Bundesländern. Jetzt eine Steuersenkung für alle fordern und gleichzeitig an der Schuldenbremse festhalten, ist volkswirtschaftlich nicht solide.

Auf Ihrer Internetseite treten Sie für eine demokratische Marktordnung ein. Was ist das?

Die SPD steht klar für eine soziale Marktwirtschaft. In der Weiterentwicklung ist aber zu prüfen, ob unser Wirtschaftssystem der noch gerecht wird. Wir haben Bereiche wie die Pflege, die Gesundheit und die Bildung, wo es nicht angebracht ist, dass dort sehr hohe Renditen erzielt werden können, weil diese Bereiche größtenteils öffentlich finanziert werden. Wir prüfen, in welchen Bereiche man mit einem Deckel arbeiten soll, weil auch wieder Geld ins System zurückfließen muss. Das ist ein Element einer demokratischen Marktordnung. Auch die Mietendiskussion gehört dazu.

Wenn Sie die Mieten deckeln, dürfte auch das Interesse von Investoren sinken, Wohnungen zu bauen.

Klar, das ist immer eine Gradwanderung. Wir haben aber Gegenden, wo die Mieten in den letzten Jahren so stark gestiegen sind, dass Investoren selbst dann noch gut Geld verdienen können, wenn man die Mieten einfriert.

Welche Koalition können Sie sich angesichts Ihres Programms vorstellen?

Wir haben große Übereinstimmung mit den Grünen, auch mit Teilen der Linken. Ich sehe bei bestimmten Themen auch Überschneidungen mit der FDP. Bei der CDU merkt man, dass wir an dem Punkt angekommen sind, wo die Gemeinsamkeiten aufgebraucht sind. Rot-Grün-Rot oder eine Ampel wären für die SPD eine gangbare Möglichkeit. Aber erst einmal muss jeder für sich Wahlkampf machen.

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