Doris Achelwilm gehört seit 2017 dem Bundestag an. Zuvor, von 2013 bis 2017, war sie Landes­vorsitzende der Bremer Linken. Die Sprachwissenschaftlerin stammt aus Thuine, einem 2.000-Einwohner-Ort im Emsland.Foto: Schlie
Interview

„Da herrscht Klarheit“

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Was die Linken-Spitzenkandidatin Doris Achelwilm umtreibt.

Weser Report: Frau Achelwilm, die Linke muss fast um den Einzug in den Bundestag zittern, denn in den Umfragen liegt sie nur zwischen 6 und 7 Prozent und damit nur knapp über der Fünf-Prozent-Hürde. Wie wollen Sie noch den Aufschwung schaffen?

Doris Achelwilm: Ich bin zuversichtlich, dass wir noch zulegen. Wir nehmen am stärksten die Frage der sozialen Spaltung zwischen Arm und Reich und die nötige Umverteilung ins Visier. Diese Themen werden zwar im Wahlkampf angesprochen, aber häufig verkürzt oder auch von anderen Themen überlagert. Zu sozial-ökologischen Notwendigkeiten haben wir ein sehr ausführliches Programm, aber noch werden wir seltener mit Klimaschutz in Zusammenhang gebracht.

Oder das Thema Umverteilung treibt nicht so viele Wähler um?

Das Thema wird oft gemieden, weil es mit finanziellen Befürchtungen zusammenhängt. Vieles, was die Menschen hinter den Fassaden an Existenzfragen bewegt, zeigt sich öffentlich nicht. Deshalb müssen wir deutlicher machen, wer von den derzeitigen Umständen profitiert und wer benachteiligt wird. In Sachen Gerechtigkeit gibt es viele große Baustellen. Das betrifft die Rente, Hartz IV, Arbeitsplätze unter Pandemiebedingungen…

…Sie fordern auch einen Mindestlohn von 13 Euro, die 30 Stundenwoche bei vollem Lohnausgleich, mindestens 36 Tage Urlaub, eine Höchstarbeitszeit von 40 Stunden, eine Kindergrundsicherung, Abschaffung der Rente mit 67. Wer soll das alles bezahlen?

Unser Steuerkonzept sieht eine Stärkung des öffentlichen Haushalts um über 30 Milliarden Euro vor. Wir wollen große Einkommen und Vermögen höher versteuern. Wer weniger als 70.000 Euro im Jahr verdient, den entlasten wir. Von unseren Vorschlägen profitieren 90 Prozent der Bevölkerung. Selbst in der Pandemie gab es eine deutliche Zunahme an Reichtum, an Millionären und an Milliardären. Wenn wir hier nicht gerechter besteuern, weiß ich nicht, woher sonst das Geld kommen soll für die anstehenden Aufgaben. Die Bewältigung von Pandemie und Klimawandel erfordert massive Investitionen.

Sie fordern auch eine Deckelung der Mieten. Damit vergraulen Sie die Investoren, die für neue Wohnungen sorgen.

Viele Leute hoffen auf eine Mietdeckelung oder Mietsenkung. Man kann Wohnungen auch kommunal und genossenschaftlich bauen. Wir brauchen wieder eine klare Idee davon, dass Wohnungen keine Geldanlage und keine Renditeobjekte sind. Für alle muss ausreichend bezahlbarer Wohnraum zur Verfügung stehen.

Dann soll die arme Stadt Bremen in Wohnhäuser investieren?

Genau. Sie täte gut daran, selber noch mehr kommunalen Wohnungsbau zu betreiben. Dann hätte sie auch die Kontrolle über die Preisgestaltung und energetischen Umbau. Wir brauchen dringend mehr sozial gebundene Wohnungen.

Die Stadt fördert ja mehr Wohnungen.

Ja, aber das muss auch auf Bundesebene unterstützt werden. Dafür wollen wir die Bedingungen schaffen.

Sie wollen auch ein Vergesellschaftungsgesetz durchsetzen.

Es soll im Wesentlichen klären, über welchen Weg Vergesellschaftungen anzubahnen sind, etwa von Immobilien des Wohnungsunternehmens Vonovia. Wir sind für mehr öffentlichen Besitz, auch für Formen der Gemeinnützigkeit, wie es sie noch in den 80ern gab, sowie für genossenschaftliche Organisationen.

Aufgrund ihres Programms könnte die Linke allenfalls mit der SPD und den Grünen koalieren. Eine Alternative gibt es nicht.

Ja, bei uns herrscht da Klarheit. Auch SPD und Grüne müssten wissen, dass sie soziale Gerechtigkeit und echten Klimaschutz nur mit uns umsetzen können. Unsere politische Funktion ist es, in jeder Rolle Interessen zu vertreten, die sonst schnell unter den Tisch fallen, näher bei den Menschen zu sein.

Mit seiner Warnung vor einer rot-grün-roten Regierung redet CDU-Kanzlerkandidat Armin Laschet die Linke stark, sieht sie als potenzielle Regierungspartei. Dafür müssten Sie ihm eigentlich dankbar sein.

Wir sind eine entscheidende Größe für einen Richtungswechsel, das sieht die CDU sehr wohl und versucht, gegen uns an alte Vorurteile anknüpfen zu können.

Die Linke stellt immerhin die Mitgliedschaft Deutschlands in der Nato infrage.

Wir sind dafür, dass die Nato ersetzt wird durch ein anderes System der kollektiven Sicherheit unter Beteiligung Russlands. Und ohne Zwei-Prozent-Aufrüstungsziel.

In der Diskussion über Ihr Steuerkonzept, über eine höhere Besteuerung von Spitzenverdienern geht ein Aspekt immer unter: Die Linke fordert eine Abschaffung der Champagnersteuer, der Schaumweinsteuer. Warum?

Ja, das hat der Parteitag durchgesetzt. Sie ist eine alte Form der Extra-Besteuerung, die keinen Sinn macht.

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