Annalena Baerbock und Armin Laschet hätten eines nicht bedacht, sagt Meinungsforscher Klaus-Peter Schöppner: „Und das schlägt jetzt zurück.“Foto: Schlie
Interview

„Nicht authentisch“

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Der Meinungsforscher Klaus-Peter Schöppner spricht über die Chancen der Parteien bei der Bundestagswahl.

Weser Report: Herr Schöppner, wie wirken sich Fernsehdiskussionen wie das Triell der drei Kanzlerkandidaten auf die Wähler aus?

Klaus-Peter Schöppner: Wenn überhaupt, führen solche Sendungen nur zu minimalen Veränderungen im Wahlverhalten. In der Regel fühlen sich die Zuschauer in ihrer vorher schon gefassten Meinung bestärkt. Sie gehen ja nicht unvoreingenommen in die Sendung. Sie dient in den meisten Fällen dazu, letzte Zweifel zu beseitigen und das Wahlverhalten zu stabilisieren.

Der CDU-Kandidat Armin Laschet trat in der Sendung am Sonntagabend und zuvor schon auf dem CSU-Parteitag aggressiver auf als bisher im Wahlkampf. Reicht das, um wieder mehr Wähler zu gewinnen?

Nein, vor allem deshalb nicht, weil er als lauter Angreifer nicht authentisch wirkt. Er kann nicht, nur weil die CDU in den Umfragen schwächelt, einfach einen anderen Habitus an den Tag legen. Das wirkt zu strategisch aufgesetzt. Wer sich von Anfang an als Nachfolger Angela Merkels positioniert nach dem Motto: Ich bin der Kandidat des Ausgleichs, mit mir gibt es vieles unverändert, ich will versöhnen, der kann nicht so kurz vor der Wahl seinen Politstil ändern. Das durchschauen die Wähler.

                                                     Wie müsste er vorgehen?

Klaus-Peter Schöppner war von 1990 bis 2013 Geschäftsführer des Meinungsforschungsunternehmens TNS Emnid, danach gründete er Mentefactum.Foto: pv

Er müsste wichtige Streitthemen ansprechen, bei der die Union kompetent erscheint: geordnete Migration, Kampf gegen Inflation, Stärkung der Wirtschaft zur Bewältigung der Corona-Kosten, der Kosten für Zukunftsinvestitionen. Wie kann das alles gemeistert werden, ohne den einzelnen Bürger zu stark zu belasten? Das sind Themen, die die Bürger interessieren, aber für CDU-Wähler viel zu kurz kommen.

Inflation und Migration stehen auch bei der SPD und den Grünen nicht im Vordergrund.

Nein, aber das sind Themen, mit denen die CDU hätte punkten können.

In den Umfragen schneidet Olaf Scholz besser ab als seine Partei, die SPD. Bei Armin Laschet und der CDU ist es umgekehrt. Wie sehr strahlt das Abschneiden der Kanzlerkandidaten in den Umfragen auf ihre jeweilige Partei aus?

Das Image der Parteien wird am Wahltag noch eine ausgleichende Wirkung zu den aktuellen Umfragen haben. Potenzielle SPD-Wähler werden sich fragen: Steht Scholz wirklich für die SPD? Was passiert mit dem linken Flügel der SPD? Kommt es zu einer Koalition mit der Linkspartei? Das Paradoxe ist: Je stärker die SPD in den Umfragen wird, desto größer ist das Risiko, dass Wähler noch mal überlegen, wie groß die Wahrscheinlichkeit eines Linksbündnisses ist. Die CDU könnte dagegen von einem Mitleidseffekt profitieren. Viele Wähler der Mitte könnten sagen: So schlimm soll es für die CDU nicht kommen. Jetzt wähle ich sie doch, um den Linksruck zu vermeiden. Der Austausch zwischen FDP und Union ist fast die spannendste Frage.

Soll Scholz ein Bündnis mit der Linkspartei ausschließen?

Den Wähler der Mitte würde er damit einen Gefallen tun, dem linken Flügel seiner Partei sicherlich nicht. Bisher haben sich die linken Flügel von SPD und Grünen kaum zu Wort gemeldet. Bei einem kategorischen Ausschluss der Linkspartei würden SPD-Wähler das aber sicherlich tun.

Warum sind die Grünen in den Umfragen so stark zurückgefallen?

Im Vergleich zur Bundestagswahl 2017 stehen sie ausgezeichnet da. Damals kamen sie auf 8,9 Prozent, in den Umfragen liegen sie immer noch bei 17 Prozent, das ist allerdings deutlich weniger als zum Zeitpunkt der Kandidatenkür. Ihre Themen sind Allgemeingut geworden. Ihre Lösungen vielen zu rigide. Dennoch wäre ein Resultat über 15 Prozent schon ein großer Erfolg. Der Hauptgrund: Sie generieren sich als Einheit. Sie erscheinen als am stärksten motiviert, sie haben den größten Rückhalt untereinander.

Hätten CDU und Grüne andere an die Spitze stellen sollen?

Eindeutig ja. Baerbock und Laschet haben eines nicht bedacht und das schlägt jetzt zurück: Sie haben den Eindruck hinterlassen, sich vor allem aus egozentrischen Gründen in ihren Parteien als Kanzlerkandidat durchgesetzt zu haben und nicht aus inhaltlichen Gründen. Das „Ich will“ gegen den Willen der Parteienmehrheit hat sich durchgesetzt, sodass Laschet ständig im Söder-Schatten steht. Obwohl die CDU die alte Demoskopen-Regel „Zwist ist Mist“ kennt, handelt sie nicht danach. Scholz lebt dagegen davon, dass er in der eigenen Partei unstrittig ist und mit großem Rückhalt agiert.

Wie beeinflusst die Pandemie die Wahl?

Sie spielt eine unfaire Rolle. Bundeskanzlerin Angela Merkel und Gesundheitsminister Jens Spahn haben Wort gehalten, als sie im Frühjahr sagten, bis Ende des Sommers bekommt jeder Erwachsene ein Impfangebot. Sie haben Wort gehalten, treffen nun aber auf eine teilweise ignorante Bürgerschaft, deren Impfverweigerung den Regierungserfolg relativiert. In der Öffentlichkeit entsteht dadurch der Eindruck, die Politik habe versagt. Das fällt auf vor allem auf die CDU zurück. Versagt hat aber nicht die Politik, versagt haben die Bürger, die sich nicht impfen lassen.

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