Nach zwei Jahren Pandemie ist das Tragen von OP- oder FFP2-Masken für viele Menschen fast Normalität geworden, etwa beim Einkaufen. Doch wie erleben diejenigen, die aus medizinischen Gründen keine Maske tragen können, die Situation?
„Einkaufen ist für mich wie ein Spießrutenlauf“, sagt Britta Poppe. Die Findorfferin ist dreifach geimpft und alles andere als eine Corona-Leugnerin. Dennoch wird sie so beschimpft. „Anfangs war das kein großes Problem, doch mittlerweile werde ich immer häufiger angepöbelt“, berichtet sie. „Die Leute sind so erpicht auf die Maske, aber Abstand halten sie nicht“, ärgert sie sich.
„Ich würde auch eine Maske tragen, wenn ich könnte. Doch ich kann es einfach nicht“, bedauert Poppe. Aufgrund verschiedener Erkrankungen gerät sie in Panik, wenn sie Mund und Nase bedecken muss. Ihr Arzt hat ihr deshalb ein Attest ausgestellt, das sie von der Maskenpflicht befreit.
Wo einkaufen gehen?
„Menschen, die Erstickungssituationen erlebt haben, etwa aufgrund von Asthmaanfällen oder in Gefahrensituationen, geraten in Not, wenn sie eine Maske aufziehen müssen“, erkärt Werner Helfrich, Facharzt für Psychotherapie und Psychosomatische Medizin. Er behandelt mehrere Patienten, die Anspruch auf eine Befreiung von der Maskenpflicht hätten. Nur drei machten davon Gebrauch, sagt er. Die anderen versuchten, sich irgendwie durchzuwursteln.
Betroffenen rät er, sich vorab Gedanken zu machen, wo sie einkaufen wollen. „Sie müssen damit rechnen, dass sie angefeindet werden und sollten darauf vorbereitet sein, dass es zu Konflikten kommen kann“, sagt er. In solchen Situationen argumentativ zum Erfolg zu kommen sei schwierig. „Jemand, der eine Extrawurst bekommt, ist ohnehin nicht gut angesehen. In der Corona-Situation löst jemand, der ohne Maske herumläuft, zusätzlich sofort Angst aus“, erklärt Helfrich. „Die Leute können gar nicht so schnell denken“, meint er. Wut sei dann häufig der Ausweg. „Wut fühlt sich besser an als Angst“, erklärt er.
Konflikte vermeiden
Britta Poppe versucht, Konflikte wegen der fehlenden Maske zu vermeiden. Deshalb ruft sie vorher bei Geschäften an, erkundigt sich nach den Gegebenheiten und kündigt ihren Besuch an. Trotzdem sei es ihr schon passiert, dass ein schlecht informierter Securitymitarbeiter sie nicht ins Geschäft ließ. Dass es für Kunden, die keine Maske aufsetzen können, in dem Markt Leihvisiere gibt, erfuhr ihr Mann erst im Nachhinein durch ein Gespräch mit dem Geschäftsführer. Positive Erfahrungen machte sie hingegen im Einkaufspark Duckwitz in der Neustadt: „Dort bin ich sehr freundlich behandelt worden. Teilweise hat man mich sogar begleitet.“
Peter Böschen aus Woltmershausen kennt die Anfeindungen ebenfalls. Je länger die Pandemie dauere, desto aggressiver würden die Menschen. Er empfinde das als erniedrigend. „Das interessiert mich einen Scheißdreck“, habe er schon zur Antwort bekommen, wenn er sein Attest plus Schwerbehindertenausweis vorzeigte – auch von Mitarbeitern der Geschäfte. Die beriefen sich oft aufs Hausrecht, um Kunden ohne Maske abzuwimmeln. Böschen sieht darin einen klaren Fall von Diskriminierung Schwerbehinderter. „Uns werden Grundrechte genommen. Grundrechte stehen aber über dem Hausrecht“, meint er. „Ich kann mit Maske nicht atmen. Von jemandem ohne Beine verlangt man doch auch nicht, dass er läuft.“
Unverhoffte Hilfe
Bei den Lebensmittelgeschäften im Stadtteil habe er hingegen keine Probleme. „Ich halte meine Ausweise hoch, die kennen das schon“, sagt er. Einmal habe er sogar unverhofft Hilfe von einer Kassiererin bekommen. Als ihn ein anderer Kunde in der Schlange unflätig anging und zudem mit dem Einkaufswagen anstieß, habe sie diesen kurzerhand rausgeworfen – da nütze auch die Maske nichts.