Claudia Bernhard trat 2007 in die Partei Die Linke ein und ist seit 2019 Senatorin für Gesundheit, Frauen und Verbraucherschutz. Sie ist dafür, dass der 8. März ein Feiertag wird. Foto: Schlie
Interview

„Augen auf bei der Partnerwahl“

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Wie Bremens Frauensenatorin Claudia Bernhard die Situation der Frauen verbessern will.

Weser Report: Frau Bernhard, was macht eine Frauensenatorin am 8. März, dem Weltfrauentag?

Claudia Bernhard: Der fällt in diesem Jahr auf einen Dienstag, deshalb tagt da auf jeden Fall der Senat. Aber es gibt natürlich die traditionellen Veranstaltungen im Rathaus, an denen ich teilnehmen werde.

In Bremen gibt es den Landesfrauenrat seit mehr als 70 Jahren, die Zentralstelle der Landesfrauenbeauftragten seit 40 Jahren, trotzdem sind relativ gesehen in keinem Bundesland so wenige Frauen in einer sozialversicherten Beschäftigung wie in Bremen.

Ich war acht Jahre lang Vorsitzende des Gleichstellungsausschusses, und wir haben uns mit diesen Fragen immer wieder beschäftigt. Da hat Bremen weiter Nachholbedarf. Was berufstätigen Frauen oft dringend fehlt, ist eine Kita-Betreuung zwischen 16 und 18 Uhr. Diese Zeitspanne wird bei uns kaum abgedeckt. Das ist vor allem für Alleinerziehende ein Problem. Aber das ist natürlich nur eines der Probleme. Eine Erhöhung der Frauenerwerbsquote und eine Angleichung der Gehälter von Frauen und Männern für gleiche Arbeit, da kommt man nur ressortübergreifend voran. Als Frauensenatorin bin ich da angewiesen auf die Mitarbeit und Veränderungsbereitschaft der anderen Ressorts.

Anders als in Hamburg und Berlin ist die Erwerbsquote der Frauen in Bremen vor Corona sogar gesunken.

Es besteht massiver Handlungsbedarf. Ich stoße aber immer schnell an Grenzen beispielsweise in der Pflege: Wie bekommen wir da ein anderes Lohngefüge hin? Da sind wir abhängig von anderen Akteuren und bestehenden Strukturen. Auch bei den Arbeitgebern und den Gewerkschaften steht das nicht immer ganz oben auf ihrer Prioritätenliste. Es geht aber nicht nur ums Geld, sondern auch die qualitative Attraktivität der Arbeitsplätze. Gerade im Krankenhaus bin ich immer noch völlig erstaunt über die eingefleischten Hierarchien zwischen medizinischem und pflegerischem Personal. Pflegekräfte sollten deutlich mehr Kompetenzen zugestanden bekommen, wie es in anderen Staaten längst üblich ist.

Warum ist das so?

Im Grunde genommen ist die Berufswahl seit Jahren geschlechterspezifisch. Das hängt natürlich auch am Geld und an der Eingruppierung. Und wir haben nach wie vor häufig ein Familienmodell, das ehrlicherweise zum Steinerweichen ist. Frauen gehen immer noch davon aus: Ich bekomme ein Kind und gehe nach der Geburt in Teilzeit. Selbstverständlich brauchen wir die entsprechenden Kita-Plätze und Ganztagsschulen. Das stimmt. Aber ich frage mich immer: Was ist mit den Vätern? Also Augen auf bei der Partnerwahl.

Wie wollen Sie das ändern?

Wir hätten schon Stellschrauben. Zum Beispiel das Tariftreue- und Vergabegesetz: Da darf es nicht nur um das Einhalten des Mindestlohns, der Tarifverträge und der Nachhaltigkeit gehen. Da sollten Unternehmen, die sich um öffentliche Aufträge bewerben, auch bestimmte Kriterien von Vereinbarkeit erfüllen müssen, wie zum Beispiel einen Betriebskindergarten oder familienfreundliche Schichtmodelle. Ich bin überzeugt, dass das auf die Dauer auch die Wettbewerbsfähigkeit stärken wird. Oder ein anderes Beispiel, wo man handeln könnte: Das Steuersystem ist mit seinem Ehegattensplitting darauf ausgerichtet, dass es immer noch einen Haupternährer gibt.

Wie hat Corona die Lage der Frauen verändert?

Die Pandemie hat die Lage massiv verändert, weil Frauen schneller in die alten Strukturen zurückfallen. Wenn alle zu Hause bleiben, kümmern sich Frauen um die Kinder, sitzen am PC und machen nebenbei auch noch den Haushalt. Männer haben, wenn sie zu Hause sind, die unglaublich beeindruckende Gabe, besser abschalten zu können von ihrer Umwelt. Die ziehen sich ins Arbeitszimmer zurück, oder sie sind gar nicht erst da. Die Sorgearbeit hängt nach wie vor zum großen Teil an Frauen, entweder unbezahlt oder zu schlecht bezahlt.

Fördert der Mangel an Fachkräften nicht einen Wandel?

Er gibt Rückenwind, den wir jetzt nutzen müssen. Das Gesundheitssystem steht in der Pandemie hoch im Kurs, aber wenn sie nachlässt, wird die Aufmerksamkeit dafür nachlassen. Dann kommen wir wieder an den Punkt, wo die traditionellen Industrieunternehmen im Fokus stehen. Standortpolitik und Wettbewerbsfähigkeit beziehen sich dann eher wieder auf Luft- und Raumfahrt, Logistik, Hafen und Industrie, aber viel zu wenig das, was die Arbeit am und mit dem Menschen ausmacht. Da müssen wir uns in Zukunft anders aufstellen. Wir müssen bestimmte Berufsgruppen im Gesundheitswesen deutlich besser bezahlen und auch mit mehr Kompetenzen ausstatten. Die Gesundheitswirtschaft ist in Bremen für Frauen die größte Branche. Die müssen wir weiter stärken.

In einigen Bundesländern gab es den Vorstoß, die Parteien zu verpflichten, ihre Wahllisten geschlechterparitätisch aufzustellen.

In Bremen haben wir das Personenwahlrecht, um aber quotierte Listen aufzustellen, müsste dies wieder geändert werden zurück zum alten Listensystem, wo der Wähler, die Wählerin keinen Einfluss auf die Rangfolge der Kandidaten einer Liste hat. Für Frauen wirkt sich das Personalwahlsystem ohnehin nachteilig aus. Männer sind häufiger besser vernetzt und haben mehr Kapazitäten sich bekannt zu machen. Deshalb rückt der Wähler und auch die Wählerin sie eher nach vorne.

Ist es sinnvoll, dass der 8. März wie in Berlin auch in Bremen ein Feiertag wird?

Absolut.

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