Der Anlauf war lang, aber letztlich ist das Ziel erreicht. Mit vereinten Kräften enthüllten Margrit Thimme und Michael Koppel, stellvertretender Beiratssprecher und Stadtteilchronist in Personalunion, in dieser Woche das Straßenschild für den Magdalene-Thimme-Weg. Der zuvor unbenannte Weg beginnt an der Brücke Riensberger Straße, Ecke Achterstraße und führt weiter bis zur Straßenbahnwendeschleife. Streng genommen geht er sogar noch weiter bis zur H.H.-Meier-Allee, aber an der Straßenbahnwendeschleife endet die Zuständigkeit des Beirats Horn und damit das Recht Straßen, Wege und Plätze zu benennen.
Schon lange war es der Wunsch des Beirats gewesen, eine Straße nach Magdalene Thimme (1880-1951) zu nennen. Im April 2019 fasste er sogar einen entsprechenden Beschluss, als es darum ging, die Heinrich-Wriede-Straße umzubenennen, deren Namensgeber ein bekennender Nationalist, Antisemit und Rassist gewesen war. „Doch den Anwohnern war der Name zu lang“, erinnerte Ortsamtsleiterin Inga Köstner. So entschied man sich für eine kürzere Bezeichnung.
Hunderte Radfahrer passieren das Schild
Am jetzt nach Magdalene Thimme getauften Weg werden sich keine Anwohner über die scheinbar zu mühselige Schreibweise ihrer Adresse Gedanken machen – es gibt keine. Dafür sausen jeden Tag Hunderte von Fahrradfahrern an dem Schild vorbei. Und werden sich vielleicht Gedanken machen, wer diese Magdalene Thimme gewesen sein mag, die 1951 nicht weit vom jetzt zu ihren Ehren benannten Weg entfernt auf dem Riensberger Friedhof ihre letzte Ruhestätte gefunden hatte.
Michael Koppel könnte helfen. Für die kleine Zeremonie an der Weggabelung hatte er zusammengefasst, was historische Quellen über das Wirken von Magdalene Thimme verraten. Die im Landkreis Nienburg geborene Pfarrerstochter kam 1913 nach Bremen, um an der Lehranstalt für erwachsene Töchter und Lehrerinnenseminar von August Kippenberg zu arbeiten. Erst mit 25 Jahren hatte sie ein Lehrerstudium an der Universität Göttingen aufgenommen, wo seinerzeit Studentinnen nur als „Gasthörerinnen“ zugelassen waren. Als einzige Lehrerin führte sie Hausbesuche durch, um sich neben der Lehrtätigkeit um die häusliche Situation der Schülerinnen zu kümmern. „Ziel ihrer Unterrichtstätigkeit war es nicht nur, Wissen zu vermitteln, sondern Geist und Seele für eine auf ethischer Grundlage aufgebaute Lebensauffassung zu bilden“, berichtete Koppel. „Sie hat mir eine Welt erschlossen“, wird eine von Thimmes Schülerinnen zitiert.
Eid auf Hitler verweigert
Nachdem sie sich schon im Ersten Weltkrieg in Familie und Schule vom Hurra-Patriotismus abgegrenzt hatte, nahm ihre Auseinandersetzung mit dem christlichen Glauben in Ihrem Leben immer größeren Raum ein. Als 1933 dem NS-Staat nahestehenden deutschen Christen zunehmend die Geschicke der evangelischen Kirche bestimmten, suchte sie nach einer Gemeinde, die frei von politischer Einflussnahme agierte, Sie fand sie in der Stephani-Gemeinde, wo sie 1934 als erste Frau in den Bruderrat gewählt wurde. Als sich auch dieser dem NS-Regime mehr und mehr beugte, trat sie aus dem Bruderrat aus.
„Auch im Arbeitsverhältnis zeigte sie sich kompromisslos und verwehrte den Beamteneid auf Adolf Hitler“, so Koppel. Das blieb zunächst ohne Konsequenzen, weil sie bereits bei Dienstantritt den Beamteneid ohne Unterwerfung unter den Führerwillen geleistet hatte. Erst 1937 wurde sie aufgrund des Gesetzes zur Widerherstellung des Berufsbeamtentums zwangspensioniert. In der Gemeinde kämpfte sie weiter für christliche Werte, wurde 1941 von der Gestapo verhaftet, weil sie mit Christen jüdischer Herkunft, die am nächsten Tag deportiert werden sollten, einen Gottesdienst gefeiert hatte, kam aber mit einer Geldstrafe davon.
„Sie war keine Widerstandskämpferin. Sie war eine Alltagsheldin, die sich – wohl wissend der Gefahr, in die sie sich begab – widerständig eingesetzt hat, die sich heraushob aus der Masse derer, die später versuchten sich von einer Mitschuld freizusprechen“, würdigte Koppel das Wirken Thimmes.
Margrit Thimme danke für die Ehre, die ihrer Großtante durch die Wegebenennung zu Teil werde. Sie selbst war erst durch Fragen ihrer Töchter auf die Geschichte ihrer Großtante gestoßen. „Ich hätte mir gewünscht, mich eher an ihr orientieren zu können“, sagte Thimme. Nun könnten das ihre Enkel.(rl)