Weser Report: Herr Bollhagen, nach zwei Jahren Pause sind Sie wieder Landesvorsitzender des Bremer Verbandes der Familienunternehmen. Wie hat sich Bremen in den zwei Jahren verändert?
Peter Bollhagen: Früher hieß es, ein Bremer Unternehmer hat schneller den niedersächsischen Wirtschaftsminister am Telefon als den Bremer. Das hat sich geändert. Wirtschaftssenatorin Kristina Vogt reagiert auf Anrufe und kümmert sich auch um scheinbar kleine Geschichten. Man merkt, dass sie ihr Geld mal als Selbstständige verdienen musste. Und wir haben einen Bürgermeister, der sehr viel präsenter ist als sein Vorgänger. Das ist sehr positiv, denn so haben wir endlich wieder ein Gesicht für die Stadt.
Also alles gut?
Die alten Themen bleiben: Infrastruktur, Wirtschaftsverkehr, Willkommenskultur. Was ist für Unternehmen interessant, nach Bremen zu kommen? Was lockt Führungskräfte nach Bremen oder hält sie hier? Sicher nicht der Radweg auf dem Wall.
Was muss sich ändern?
Es ist alles ein bisschen wohlgefällig. Man hat sich arrangiert und jubelt schon, wenn Bremen bei Vergleichen unter den 16 Bundesländern nicht auf Platz 16 landet, sondern auf Platz 15. Es fehlt in der Stadt oft der Anspruch: Wir wollen auf Platz eins stehen.
Woran liegt das?
Es fehlt der Mut für Visionen. Wir beschäftigen uns mit Kleinkram, stellen Holzgerüste und eine Surfanlage an der Martinistraße auf und denken, so wird die Innenstadt attraktiver. Das ist doch peinlich für einen großen Wirtschaftsstandort.
Mobilitätssenatorin Maike Schaefer strebt eine autoarme Innenstadt an und mehr Platz für Radfahrer.
Ich unterschreibe ja alles, was das Radfahren attraktiver macht, aber müssen wir deshalb Holzgerüste an der Martinistraße aufstellen und den Wall so absperren, wie es jetzt geschehen ist? Ich sehe ja auch, dass der Individualverkehr abnehmen muss, dass der Durchgangsverkehr nicht durch die City führen muss. Ich bin froh über jeden Autofahrer, der aufs Fahrrad oder auf Bus und Bahn umsteigt. Das hilft übrigens auch den Handwerkern. Die müssen dann nicht so lange im Stau stehen und kommen besser zu ihren Kunden. Aber mich regt die Art und Weise auf, wie die Verkehrswende in Bremen durchgezogen wird.
Wie sind die Bremer Familienunternehmer, die klassischen Mittelständler, durch die Corona-Krise gekommen und wie wirken sich die Folgen des Ukraine-Krieges aus?
Die Auswirkungen der Corona-Pandemie haben viele Familienunternehmen auffangen können. Ich selbst habe mit meinem Malerbetrieb die zwei umsatzstärksten Jahre hinter mir, ich habe so viel gearbeitet wie noch nie. Das gilt, glaube ich, für alle Handwerker, die am Bau tätig sind. Aber es gibt auch die Unternehmen, die starke Einbußen erlitten haben, wie beispielsweise die Gastronomie und die Veranstalter.
Viele Unternehmen haben Probleme, an Material zu kommen, und leiden unter den steigenden Preisen.
Die Materialengpässe werden noch ein heißes Thema. Das Problem wird sich durch den Krieg noch deutlich verschärfen. Hinzu kommen die Preissteigerungen. Die Kosten für meine Materialien sind binnen eines Jahres um 12 bis 15 Prozent gestiegen. Und die Beschäftigten wissen auch, was sie wert sind. Das heißt: Wir haben deutliche Kostensteigerungen. Das ist ein großes Problem, denn viele Aufträge, die ich heute ausführe, habe ich vor einem Dreivierteljahr angenommen und kalkuliert.
Fachkräfte werden überall händeringend gesucht. Wie behaupten sich die Familienunternehmen in dem Wettbewerb um die besten Leute?
Jeder sucht, in jedem Bereich. Sogar für einfachste Tätigkeiten fehlen Bewerber. Auch der Nachwuchs fehlt. Vor drei, fünf Jahren kamen auf einen Ausbildungsplatz zirka 30 bis 50 Bewerbungen. Jetzt sind wir froh, wenn wir zwei oder drei erhalten.
Weil sie was drauflegen auf die Ausbildungsvergütung?
Das musste ich bisher nicht machen. Aber wir bieten ein vernünftiges firmenmäßiges Umfeld. Ich versuche, Auszubildende auf vielen Ebenen zu unterstützen, etwa beim Führerschein oder in anderen Dingen. Man muss Rücksicht nehmen auf die Wünsche der Leute. Wenn ein Unternehmer jeden seiner Beschäftigten mit Namen kennt und dessen persönliche Geschichte, entsteht schon ein anderes Verhältnis.
Häufig rutschen Familienunternehmen in die Krise, wenn der Chef einen Nachfolger sucht. Wie läuft der Übergang an die nächste Generation reibungslos?
Es gibt kein Patentrezept. Manche Unternehmer können nicht loslassen oder binden Mitarbeiter nicht in die Nachfolge ein. Aber es muss auch jemand bereit sein, die Nachfolge anzutreten. Es ist etwas anderes, ob ich am Monatsende ein sicheres Einkommen habe und feste Arbeitszeiten oder ob ich für alles eigenverantwortlich bin.
Was ist Ihr dringendster Wunsch an den Senat?
Für gute Stimmung sorgen, dass Unternehmen und vor allem Mittelständler ausreichend geschätzt werden, dass sie nicht wie Bittsteller behandelt werden. Daran hapert es in Bremen.