Die promovierte Honorarprofessorin Wiebke Ahrndet ist seit 2002 Direktorin des Übersee-Museums und seit Mai auch Präsidentin des Deutschen Museumsbundes.Foto: Schlie
Interview

„Spaß beim Öffnen einer Kiste“

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Die Übersee-Museumsdirektorin Wiebke Ahrndt spricht über Kolonialerbe, Besuchern und Umbau.

Weser Report: Frau Ahrndt, warum soll man noch ins Museum gehen, wenn man viele Ausstellungen und Objekte auch im Internet sehen kann?

Wiebke Ahrndt: Die Angst gab es zu Beginn des Internets. Da fragten sich viele Museen: Kommen die Leute überhaupt noch, wenn es auch alles online zu sehen gibt? Aber es gibt kein Entweder-Oder. Es ist ein Beides. Der physische Ort hat immer noch seine eigene Aura, die Objekte haben ihre eigene Aura. Gleichzeitig zeigen wir ausgewählte Objekte im Internet und bieten dort auch eine Route an. Viele Leute legen ihr Handy nicht mehr weg, wenn sie ins Museum kommen. Früher haben sie es eingeschlossen.

Welche neuen Möglichkeiten eröffnen sich dadurch für Museen?

Wir haben einen Media-Guide. Den kann ich zu Hause abrufen und während des Museumsbesuchs nutzen. Aber man kann sich an der Kasse auch einen Guide leihen. Wir haben im ganzen Haus WLan. Gerade diskutieren wir, wie man vertiefende Informationen stärker über das Handy anbieten kann. Eine digitale Führung durch unser Haus gibt es schon, auch Spielanwendungen für Rallyes durch unser Haus.

Verhalten sich die Besucher heute anders als früher?

Da hat sich nicht wirklich was verändert. Sie können immer noch ganz klassisch eine Holzkiste aufmachen oder ein Objekt drehen. Das funktioniert analog und digital. Aber manchmal macht es ja auch Spaß, selbst an einer Kiste zu ziehen.

Wer kommt ins Übersee-Museum?

So wie die deutsche Alterspyramide ist unsere Besucherschaft. Nur bei den ganz Alten ist der Anteil unter unseren Besuchern geringer als in der Bevölkerung, weil diese Menschen häufig in der Mobilität eingeschränkt sind. Und zu uns kommen ungefähr so viele Männer wie Frauen. Das ist ungewöhnlich für ein Museum. Kunstmuseen haben einen enormen Frauenüberhang, in Technikmuseen gehen vor allem Männer. Die Hälfte unserer Besucher kommt aus Bremen und umzu, die andere Hälfte sind Touristen. Der ungewöhnlich hohe Anteil der Besucher aus Bremen und umzu zeigt, wir stark wir in Bremen verankert sind.

Wie hart ist die Konkurrenz unter den vielen Museen im Land Bremen?

Eine gewisse Konkurrenz gibt es, aber die ist nachrangig. Wir haben im Land Bremen allerdings sehr viele Einrichtungen, die sich an Familien mit Kindern richten. Da gibt es schon eine gewisse Konkurrenzsituation, da die ja nicht nacheinander mehrere Museen besuchen.

Ein großes Thema ist das koloniale Erbe. Im Februar gab das Übersee-Museum acht menschliche Schädel an Indigene aus Hawaii zurück.

Hawaii kam auf uns zu. Aber wir betreiben auch selbst Forschung und treten an Herkunftsgesellschaften heran. Unsere Eingangsbücher stehen online, jeder kann sie einsehen. Meine Erfahrung gerade mit menschlichen Überresten ist, dass wir wohl daran tun, zurückhaltend an die Thematik heranzugehen, weil sehr viel Klärungsbedarf besteht, wie man damit umgehen soll. Wir haben ein Forschungsprojekt mit Neuguinea. Da gibt es auf der einen Seite den Wunsch, die Ahnen zurückzuholen. Auf der anderen Seite gibt es dort enormen Bedenken, weil manche glauben, dass von Ahnen eine schädliche Kraft ausgehen kann.

Wie viele Objekte im Übersee-Museum sind insgesamt betroffen?

Dreiviertel unserer Sammlung ist aus kolonialen Kontexten. Da die Herkunft zu klären, wird auch noch die nachfolgende Generation beschäftigen.

Das Übersee-Museum soll umgebaut werden. Wie weit sind Sie?

Wir werden im Oktober ein großes Fest feiern und dann den Lichthof vorübergehend schließen. Als erstes muss die Glaskuppel erneuert werden, damit es nicht weiter reinregnet. Dann geh es mit dem Umbau los. Wir haben insgesamt eine Ausstellungsfläche von 10.000 Quadratmetern, von denen wir zeitweilig 1.900 zumachen. Dann bleiben immer noch 8.000 offen, das ist mehr, als die meisten Museen in Deutschland haben.

Was ändert sich, wenn Sie im Oktober 2024 wieder das ganze Museum öffnen?

Wir planen, wieder mit der Pazifik-Ausstellung zu starten. Die Themensetzung wird sich ändern. Wir erstellen die Ausstellung in Kooperation mit der University of Samoa. Die Ausstellung soll aus der Sicht der Südpazifik-Insulaner erzählt werden.

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