Rainer Frerich-Sagurna, Vorsitzender des Verbandes der Nahrungs- und Genussmittelwirtschaft Bremen, war Geschäftsführer von Kellogg Deutschland.Foto: Meister Rainer Frerich-Sagurna, Vorsitzender des Verbandes der Nahrungs- und Genussmittelwirtschaft Bremen, war Geschäftsführer von Kellogg Deutschland. Foto: Meister
Nahrungsmittel

„Bremen ist Hauptstadt“

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Im Interview: Rainer Frerich-Sagurna, Chef der Nahrungsmittel-Branche, zu Preisen und Aussichten

Weser Report: Herr Frerich-Sagurna, die Nahrungs- und Genussmittelwirtschaft ist die zweitgrößte verarbeitende Branche Bremens. Wie stark leidet sie unter den steigenden Energiekosten, dem drohenden Gasmangel und Corona?

Rainer Frerich-Sagurna: Das ist von Unternehmen zu Unternehmen sehr unterschiedlich. Schon von der Corona-Pandemie waren einige mehr, andere weniger betroffen. Es gab auch Unternehmen, die davon profitiert haben, dass die Leute zum Essen nicht mehr rausgegangen sind, sondern zu Hause gekocht haben. Grundsätzlich sind die Unternehmen besser durch die Krise gekommen, die ihre Produkte und Leistungen über mehrere Kanäle angeboten haben, also im Internet und stationär. Aber schwierig hatten es auch Unternehmen mit nur einer Kundengruppe, zum Beispiel Getränkegroßhändler, die nur Gastronomen beliefern. Denn die Gastronomie litt ja extrem unter der Pandemie.

Wie wirkt sich der Krieg in der Ukraine aus?

Jetzt fällt vielen Menschen auf, wie viele Produkte bisher aus der Ukraine kamen, allen voran das Sonnenblumenöl, aber auch viele Früchte. Die Preise vieler Produkte steigen. Der Einfluss der steigenden Energie- und Transportkosten ist erheblich. Leider lassen sich die notwendigen Preissteigerungen der Produkte mit dem Handel teilweise nur sehr schwer umsetzen.

Wie wichtig ist die Nahrungsmittelbranche für Bremen?

Sie umfasst im Land Bremen mindestens 260 Betriebe, bietet mehr als 10.000 direkte Arbeitsplätze und erwirtschaftet einen Umsatz von rund 2,5 Milliarden Euro jährlich. Damit ist sie die zweitstärkste Branche im verarbeitenden Gewerbe in Bremen.

Mit sinkender Tendenz: Coca-Cola ist weggezogen, Kellogg, Hachez…

Die großen Namen fallen natürlich sofort auf. Und tatsächlich sind dort rund 500 bis 800 Stellen weggefallen, aber auf der anderen Seite ist der Mittelstand gewachsen, Startups sind entstanden und so auch neue Arbeitsplätze. Der Verlust an Stellen wurde laufend kompensiert. Die Lebensmittelbranche erfindet sich hier permanent neu.

Die Wirtschaftsförderung Bremen (WFB) listet stolz auf, dass in Bremen zwölf international tätige Unternehmen arbeiten. Von den Zwölfen hat aber nur das Deutsche Milchkontor (DMK ) seine Konzernzentrale in Bremen. Die anderen elf sind Ableger ausländischer Konzerne.

Aber sie bieten doch hier Arbeitsplätze an, ist es dann wichtig, ob die Zentrale in Bremen ist?

Die strategischen Entscheidungen fallen meist in der Zentrale, auch Forschung und Entwicklung sind häufig am Konzernsitz.

Innovation findet auch lokal statt. Das weiß ich aus meiner Geschichte bei Kellogg. Die Konzernzentrale ist in den USA, die Europa-Zentrale ist in Dublin und trotzdem waren wir in Bremen an Entwicklungen beteiligt, haben neue Ideen eingebracht, die weltweit umgesetzt wurden.

Die Startup-Szene ist in anderen deutschen Städten wie etwa Berlin sehr viel stärker als in Bremen. Wer gründet da ein Nahrungsmittel-Unternehmen in Bremen?

In Bremen und in Bremerhaven hat die Wirtschaftsbehörde im vergangenen November Food Hubs und Anlaufstellen, wie die Starthaus-Initiative, eingerichtet, also Zentren für Gründer aus der Nahrungs- und Genussmittelbranche. In der Hansestadt unter dem Namen Hanse-Kitchen im Beck’stage in der ÖVB-Arena und in der Alten Schnapsfabrik. Dort steht Gründerinnen und Gründern eine Entwicklungsküche zur Verfügung, wo sie neue Rezepte ausprobieren und neue Produkte testen können.

Und darum ziehen die Start-ups jetzt nach Bremen?

Hier gründet es sich beständiger und leichter als in den ganz großen Städten. Dort sind die Kosten höher und man muss sehr auf seine Ideen aufpassen. Die Startups bringen frische Ansätze. Die Gründerszene ist daher auch ein Anziehungspunkt für etablierte Unternehmen. Es gibt nirgendwo in der deutschen Nahrungs- und Genussmittelbranche eine so große Vielfalt wie im Lande Bremen, nirgendwo so viele Arbeitskräfte und Fachkräfte für diese Branche. Wir haben im Land Bremen alles, was die Ernährungswirtschaft braucht. Bremen und Bremerhaven sind die Lebensmittel-Hauptstädte Deutschlands.

NAGEB

Seit 2011 vertritt der Verband der Nahrungs- und Genussmittelwirtschaft Bremen (NaGeB) die Interessen der Branche. Vorsitzender ist Ex-Kellogg-Manager Rainer Frerich-Sagurna, Stellvertreter sind Thomas Tanck, CSM-Deutschlandchef, und Grashoff-Chef Oliver Schmidt, Henry Lamotte ist Schatzmeister.

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