Weser Report: Herr Cezanne, wie ist die Sommersaison für den Flughafen gelaufen?
Marc Cezanne: Von den Passagierzahlen her sehr gut. Von Januar bis Juli haben wir 60 Prozent dessen erreicht, was wir 2019, dem letzten Jahr vor der Corona-Krise, an Passagieren hatten. Im Juni waren es sogar schon über 70 Prozent. Es geht also aufwärts, aber wir sind noch lange nicht da, wo wir mal waren.
Von Januar bis Juli 2019 nutzen rund 1,3 Millionen Passagiere den Flughafen. Wann werden Sie die Zahl wieder erreichen?
Das kann im Moment niemand sagen. Die Inflation ist auch im Flugverkehr noch nicht voll angekommen. Im Moment ist der Kerosinpreis für Airlines noch okay, weil sie diesen für 2022 abgesichert haben. Ab 2023 reduziert sich bei vielen Airlines die Absicherung. Dann wird der höhere Preis voll durchschlagen. Hinzu kommt der Anstieg der anderen Energiekosten. Da die Kosten der Airlines steigen, werden auch die Ticketpreise steigen. Gleichzeitig werden die Haushalte sparen. Deshalb müssen wir uns darauf einstellen, dass sich die Luftfahrtbranche nicht so schnell erholt wie erhofft.
Im Sommer standen die Touristen in vielen Flughäfen Schlange.
Ja, es gibt den Nachhofeffekt nach den beiden vergangenen Corona-Jahren. Und die Reisenden haben zu den Preisen gebucht, die Ende letzten, Anfang dieses Jahres galten.
Welche neuen Airlines kommen im nächsten Jahr nach Bremen? Welche neuen Ziele sind erreichbar?
Jetzt gehen die Airlines kein großes Risiko ein. Sie werden erst einmal versuchen, das volle Vor-Corona-Programm wieder aufzustellen. Und wenn eine Strecke gut läuft, werden sie eher die Strecke häufiger bedienen, bevor sie eine neue Strecke anbieten.
Wie groß ist noch der Investitionsstau am Bremer Flughafen?
Ich habe bisher noch keinen Investitionsstau gesehen…
…Ihr Vorgänger Elmar Kleinert hatte noch im Dezember 2021 wortwörtlich von einem Investitionsstau von 40 oder 50 Millionen Euro gesprochen und gesagt, den abzubauen werde noch sechs bis sieben Jahre dauern.
Wir arbeiten die Investitionspläne ab. Die zentrale Ankunft wird zum Beispiel umgebaut, weil sich die internationalen Vorschriften für ankommende Reisende geändert haben. Allgemein ist hier vieles á jour. Hier ist in den vergangenen Jahren eine Menge gemacht worden. Wir haben beispielsweise ein neues Tanklager für Bio-Kerosin, im Fachjargon: Sustainable Aviation Fuel, kurz SAF.
Den bisher nur Airbus für das Transportflugzeug Beluga nutzt.
Die Airlines warten auf die EU-Kommission. Sie schlägt vor, dem traditionellen Kerosin zwei Prozent SAF beizumischen, bis 2025 soll die Quote auf 28 Prozent steigen. Das ist aber noch nicht beschlossen. Aber selbst für die zwei Prozent müssen erst einmal ausreichend Produktionskapazitäten aufgebaut werden. Das gilt auch für die Logistik. SAF wird aus Biomasse, beispielsweise altem Frittenfett, gewonnen. Nestlé ist schon dabei, sich ausreichend Mengen zu sichern. SAF ist bis zu viermal teurer als Kerosin. Mit steigendem Absatz fällt zwar der Preise, aber SAF wird vorerst mindestens doppelt so teuer bleiben wie Kerosin.
Fliegen wird also ohnehin teurer?
Ja, auf jeden Fall. SAF wird die Branche langfristig tanken. In den nächsten 20 Jahren wird es wohl kein Langstreckenflugzeug geben, das mit Elektrizität oder Wasserstoff fliegen kann. Ryanair-Chef Michael O’Leary hat schon gesagt, es werde keine 10 Euro-Tickets mehr geben. Das günstigste werde mindestens das Doppelte oder Dreifache kosten. Die Leute werden dann nicht mehr überlegen: Gehe ich am Wochenende ins Kino oder fliege ich nach Mallorca? Fluggesellschaften und Flughäfen müssen wieder dahin kommen, dass sie von ihren Einnahmen wieder auskömmlich leben können.
Dieses Jahr wird der Flughafen erneut mit einem Verlust abschließen?
Ja. Das wird auch in den nächsten zwei, drei Jahren so bleiben. Wann wir wieder schwarze Zahlen schreiben, kann im Moment niemand sagen. Dafür sind die Rahmenbedingungen zu unsicher.
Sie leben also weiterhin von den Zuschüssen der Stadt Bremen, also vom Steuergeld?
Wir haben von unserer Gesellschafterin…
…also der Stadt Bremen…
…in den vergangenen zwei Jahren viel Geld bekommen. Vor Corona kam der Flughafen sehr lange Zeit ohne Unterstützung der Stadt aus. Den Geschäftsbericht für 2021 haben wir noch nicht verabschiedet. Er wird dem Aufsichtsrat erst im Oktober vorliegen.
Der Flughafen hatte schon 2019, also vor Corona, einen Konzernfehlbetrag von 10,4 Millionen Euro ausgewiesen.
2019 war kein gutes Jahr. In dem Fehlbetrag waren außerplanmäßige Abschreibungen in Höhe von rund 8 Millionen Euro enthalten. Zudem hatte die Insolvenz der Germania einen wesentlichen Einfluss auf die Anzahl der Passagiere.
Sie waren vorher Geschäftsführer des Flughafens Paderborn/Lippstadt. Der durchlief in Ihrer Amtszeit ein Insolvenzverfahren in Eigenverwaltung. Wie hilft Ihnen diese Erfahrung in Bremen?
Ich habe viel gelernt, aber jede Situation ist anders und erfordert andere Antworten.