Bis zum nächsten Samstag gastiert Bernhard Paul mit seinem Circus Roncalli noch auf der Bürgerweide in Bremen. Foto: Schlie Bis zum nächsten Samstag gastiert Bernhard Paul mit seinem Circus Roncalli noch auf der Bürgerweide in Bremen. Foto: Schlie
Interview

„Es ist der Wahnsinn“

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Was Circus Roncalli-Direktor Bernhard Paul seit dem Ende der Corona-Pause erlebt

Weser Report: Herr Paul, wie reagieren die Menschen jetzt auf den Circus Roncalli, wenn er nach der zweijährigen coronabedingten Pause wieder in die Stadt kommt?

Bernhard Paul: Erstaunlich gut. Wir waren in Köln ausverkauft, wir waren in Düsseldorf ausverkauft, und in Wien haben wir samstags und sonntags sogar drei Vorstellungen gegeben, und alle waren ausverkauft. Der Schwarzmarkt blühte. Ein Mann kommt jetzt sogar mit dem Privatflieger aus Wien nach Bremen, weil er uns in Wien nicht sehen konnte. Es ist der Wahnsinn. Und das Schöne daran ist, dass unser Publikum gut gemischt ist: jung und alt, reich und arm.

Circus muss innovativ sein, haben sie immer gefordert. Auf ihrer letzten Tour vor der Corona-Pause haben Sie erstmals mit Hologrammen Tierdarbietungen auf ein hauchdünnes Netz projiziert, das um die Manege gespannt war. Welche Neuheit planen Sie jetzt?

Die Hologramme haben 500.000 Euro gekostet. Jedes Mal kann ich so eine Neuheit nicht machen. Aber das Hologramm-Programm ist ja noch gar nicht richtig gelaufen, weil wir kurz nach dem Start zwei Jahre wegen Corona aussetzen mussten.

Wie haben Sie die Artisten nach der Pause zurückgeholt?

Wir hatten die Generalprobe für die Tournee 2020 in Recklinghausen, alles hat funktioniert. Nach der Probe kommt der Bürgermeister zu uns und sagt: Ihr dürft nicht spielen. Zwei Jahre haben wir durchgehalten, wir haben niemanden entlassen. Unsere Artisten kommen aus unterschiedlichen Ländern, darunter Ukrainer, Russen, Amerikaner und Israeli. Aber viele Visa waren abgelaufen und mussten verlängert werden. Die Bürokratie war zum Verzweifeln.

Wie hat der Circus die spielfreie Zwangspause überbrückt?

Auch wir haben Unterstützung bekommen, allerdings nicht so viel wie die Lufthansa. Und wir haben daran gearbeitet zu überleben. Roncalli ist mein Lebenswerk. Außerdem habe ich die Zeit genutzt, um meine Memoiren zu schreiben, Die gehen jetzt in Bremen zum ersten Mal in den Verkauf.

Wie geht es weiter?

Die normale Saison endet hier in Bremen. Aber der Circus geht dann nach Osnabrück und gastiert dort als Weihnachtscircus. Und mit einem zweiten Programm zeigen wir im Berliner Tempodrom einen Weihnachtscircus. Auch unser Apollo-Varieté in Düsseldorf präsentiert ein Weihnachtsprogramm. Und in Hamburg organisieren wir den historischen Roncalli-Weihnachtsmarkt. Manche bemühen sich, ein Stück hinzukriegen. Bei uns laufen alle parallel. Früher hatten wir eine Winterpause, aber jetzt spielen wir durch. Anders kann man nicht mehr überleben.

Wie reagiert Roncalli auf die steigenden Kosten?

Das Wichtigste ist, dass die Menschen kommen, und die kommen. Und wichtig ist, dass wir unsere Rechnungen bezahlen können, und das können wir. Unsere Eintrittspreise haben wir absichtlich nicht erhöht, sie sind immer noch auf dem Stand von 2019.

Roncalli ist tierfrei und plastikfrei. Auch klimaschonend? Wie transportieren Sie den Circus von Ort zu Ort?

Wir sind der erste Circus, der tierfrei ist, aber der letzte, der seine Ausrüstung noch mit der Bahn transportiert. Wir haben einen Sonderzug mit 40 Loren. Aber es war nicht einfach, sie zu bekommen. Denn der Staat hat auf vielen die Hand drauf, sie werden für den Transport von Panzern gebraucht.

Wie behaupten Sie sich gegen Ihre Wettbewerber?

Circus Krone war immer der größte Circus, im Moment ändert sich da vieles. Christel Sembach-Krone, die letzte aus der Krone-Dynastie, ist 2017 gestorben. Aber sie hat eine Nachfolgerin aufgebaut. Ich habe Circus Krone immer geliebt und ihn als Kind im Modell nachgebaut. Auch meine Frau habe ich bei Krone kennengelernt. Viele andere großen Namen aus meiner Kindheit gibt es nicht mehr.

Wie weit sind Sie mit Ihrem lang gehegten Plan, in Köln ein Circus-Museum zu bauen?

Wir haben jetzt die Erlaubnis bekommen, das Grundstück kaufen zu dürfen. Aber Corona hat uns viele Striche durch die Rechnung gemacht. Doch ich denke, ich werde jemanden finden, der uns hilft, das Museum zu bauen.

Sie sind jetzt 75 Jahre alt. Da drängt sich schon die Frage auf, wie Sie Ihre Nachfolge geregelt haben?

Ich habe drei Kinder, zwei Töchter und einen Sohn, und alle lieben den Circus. Der Circus ist ihre Heimat. Ich werde ihnen helfen, solange ich kann. Wir verstehen uns gut. Und wir haben viele Verwandte, auch von Seiten meiner Frau, die im Circus arbeiten. Ich denke, wenn ich die Reise zum Regenbogen antrete, wird es mit Roncalli weitergehen.

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