Weser Report: Was halten Sie vom geplanten Ausbildungsunterstützungsfonds des Senats? Ist das ein geeignetes Instrument, um einerseits dem Fachkräftemangel entgegen zu wirken und andererseits mehr Jugendliche in Ausbildung zu bringen?
Joachim Ossmann: Das ist eine politische Entscheidung. Aus fachlicher Sicht müssen wir alles unternehmen, um mehr Jugendliche in Ausbildung zu bringen, weil bundesweit die Zahl der abgeschlossenen Ausbildungsverträge rückläufig ist. Das ist kein Bremer Phänomen. Die duale Ausbildung ist die Quelle der Unternehmen, um Fachkräfte zu finden. Und Fachkräfte brauchen die Unternehmen. Gerade das Thema Strukturwandel, die drei D – Demografie, Digitalisierung, Dekarbonisierung – führen dazu, dass man sogar noch mehr Fachkräfte braucht. Wer soll den die Wärmepumpen bauen? Wer soll sie Straßenbahnen und Busse steuern, die man braucht, wenn der ÖPNV gestärkt wird?
Eigentlich erstaunlich, dass die Arbeitgeber dann gezwungen werden müssen, Fachkräfte auszubilden.
Die Ausbildungsbereitschaft ist durchaus hoch. Die Zahl der offenen Ausbildungsstellen, die uns gemeldet werden, steigt von Jahr zu Jahr. Aber es müssen immer beide Seiten zusammenfinden. Das war in Coronazeiten ganz, ganz schwierig, weil Praktika ausgefallen sind. Wir machen intensiv Werbung für die duale Berufsausbildung. Die Bertelsmann Stiftung hat herausgefunden, dass 47 Prozent derjenigen, die eine Hochschulzugangsberechtigung erwerben, hinterher eine Berufsausbildung machen. Das ist im Einzelfall auch der richtige Weg und aus Sicht der Unternehmen eine positive Entwicklung.
Reicht diese Quote aus oder müssten noch mehr Abiturienten bereit sein, eine duale Ausbildung zu machen?
Die Entscheidung von Jugendlichen ist immer eine Entscheidung nach Neigung. Man macht im Prinzip Abitur, weil man gerne an die Universität oder Hochschule möchte. Wenn man nach ein oder zwei Semestern feststellt, dass das nicht das Richtige ist, ist die Rückkehr in eine duale Ausbildung ja nicht verschlossen. Ich denke allerdings, dass man den Stellenwert einer dualen Berufsausbildung steigern sollte. Die duale Berufsausbildung ist ein sehr gutes Fundament für das berufliche Weiterkommen. Gerade bei Abiturienten wird sie oft verbunden mit einem dualen Studium. Oft ist das so organisiert, dass man auch den Gesellenbrief erwirbt. Das ist etwas, was bei jungen Leuten sehr gut ankommt. Diese Form der beruflichen Ausbildung findet immer mehr Anklang. Inzwischen bietet sogar das Handwerk solche Studiengänge an. Das ist sicher eine gute Idee.
Unternehmen beklagen immer wieder die schlechte Vorbildung der Bewerber. Sind die Schüler in Bremen tatsächlich zu schlecht oder sind die Erwartungen der Betriebe zu hoch?
Es ist so, dass die Berufsbilder immer anspruchsvoller werden. Gerade in Zeiten der Digitalisierung kommt in vielen Berufsbildern noch ein digitaler Teil dazu. Deshalb sind wir als Arbeitsagentur unterstützend tätig. Wenn Schüler sich schwer tun im Bereich der Berufsschule aber praktisch gut sind, dann gibt es AsA flex als Unterstützungsmaßnahme. Asa flex, früher ausbildungsbegleitende Hilfen, ist eine Art Nachhilfeunterricht, wo fachliche Defizite ausgeglichen werden. Wir finanzieren in dem Zusammenhang auch sozialpädagogische Begleitung und sogar Sprachunterricht. Das nehmen die Arbeitgeber auch sehr stark wahr. Wir lassen die Arbeitgeber mit schwierigen Schülern nicht im Regen stehen, sondern ermuntern sie sogar, auch schwächere Schüler einzustellen, weil wir nochmal unterstützen.
Was können die Jugendlichen und ihre Eltern tun, um die Qualitäten der Jugendlichen den Betrieben besser nahe zu bringen?
Erstmal ist eine gute Berufsorientierung wichtig. Man sollte sich die ganze Bandbreite der dualen Ausbildungsgänge vor Augen führen. Es gibt etwa 340 Ausbildungsgänge im dualen Berufsbildungsbereich. Wir hatten am vergangenen Wochenende einen erfolgreichen Elterntag mit 1.600 Besuchern. Wir legen großen Wert darauf Berufsberatung nicht nur für Schülerinnen und Schüler zu machen, sondern auch für die Eltern. Schließlich sind sie die natürlichen Berufsberater in der Familie.
Mal weg vom Ausbildungsmarkt, hin zum Arbeitsmarkt allgemein. Welche Entwicklung erwarten Sie da in den kommenden Monaten?
Bevor ich einen Ausblick wage, erstmal ein Rückblick. Natürlich ist die Arbeitslosigkeit in Bremen zu hoch. Wir haben die höchste Arbeitslosigkeit aller Bundesländer. Aber man muss sehen, woher wir kommen und wie der Trend sich entwickelt hat. Wir waren vor Corona auf einem sehr guten Abbaupfad. 2018 waren wir bei 8,9 Prozent. Dann kamen Corona und der Ukraine-Krieg, die die Zahlen nach oben getrieben haben. Zudem sind die vielen Geflüchteten inzwischen in der Statistik. Dennoch sind wir mit aktuell 9,1 Prozent fast schon wieder auf Vor-Corona-Niveau. Das ist sehr gut. Die Lage ist deutlich besser, als von allen Wirtschaftsforschungsinstituten vorhergesagt wurde.