Der Schütting, Sitz der Handelskammer Bremen. Foto: Schlie Die Handelskammer Bremen hat ein Gutachten zur Bewertung der Verfassungsmäßigkeit der geplanten Ausbildungsplatzabgabe für Bremer Unternehmen in Auftrag gegeben. Foto: WR
Ausbildungsabgabe

Kammer-Gutachter zweifelt Verfassungsmäßigkeit an

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Verfassungsrechtler Christian Waldhoff lässt kein gutes Haar am Gesetzentwurf zur Ausbildungsplatzabgabe.

„Rechtspolitisch unklug“ und „mit verfassungsrechtlichen Vorgaben nicht vereinbar“, so charakterisiert der Berliner Verfassungsrechtler Christian Waldhoff in einem Gutachten den Gesetzentwurf des Bremer Senats zur Einführung einer Ausbildungsabgabe, die einen Ausbildungsunterstützungsfonds finanzieren soll. Auftraggeber des Gutachtens ist die Handelskammer Bremen, die dem Vorhaben seit jeher ablehnend gegenüber steht.

„Die Unternehmen halten das Gesetz für nicht zielführend. In der Umsetzung ist es höchst bürokratisch und rechtlich ist es fragwürdig“, sagt Handelskammer-Präses Eduard Dubbers-Albrecht. Die nun von Waldhoff ausgearbeiteten rechtlichen Schwachstellen will die Kammer morgen (8. März 2023) in der Deputation für Wirtschaft vortragen, wo das Gesetzesvorhaben diskutiert werden soll. „Wir wollen Überzeugungsarbeit leisten, damit keine falsche Entscheidung getroffen wird“, kündigt Matthias Fonger, Hauptgeschäftsführer der Handelskammer Bremen, an.

Kammer-Gremien diskutieren rechtliche Schritte

Für den Fall, dass die Mehrheit der Bürgerschaftsabgeordneten sich nicht überzeugen lässt und das Gesetz am 23. März doch beschließt,  bereitet die Kammer schon mal rechtliche Schritte vor. „In der kommenden Woche werden wir in unseren Gremien darüber entscheiden, ob gegebenenfalls gemeinsam mit anderen Kammern und Verbänden rechtliche Schritte gegen die Ausbildungsabgabe eingeleitet werden“, sagt Fonger.

Bei seiner Prüfung des Gesetzesentwurfs hat Waldhoff, der an der Berliner Humbodt-Universität einen Lehrstuhl für Öffentliches Recht und Finanzrecht innehat, mehrere schwerwiegende rechtliche Mängel ausgemacht. „Einige Punkte sind nur unschön, andere sind verfassungswidrig“, meint er.

Keine homogene Gruppe

So handele es sich bei der Ausbildungsabgabe um eine Sonderabgabe, für die das Bundesverfassungsgericht fordert, dass die Gruppe der Abgabepflichtigen homogen ist, also dass eine gleiche Interessenlage vorhanden ist. Eine Abgabe im Land Bremen müsste also alle mit Ausbildung befassten Einrichtungen belasten. Mit dem Gesetzentwurf werde aber genau gegen diese verfassungsrechtliche Vorgabe verstoßen, weil er eine Reihe von Ausnahmen von der Abgabepflicht definiert, etwa für Betriebe in Bundesbesitz.

Auch die Frage der sogenannten Finanzierungsverantwortung werde durch das Gesetz falsch beantwortet. Dahinter verberge sich die Frage, wer für die Finanzierung von Maßnahmen rund um die Ausbildung verantwortlich ist. Es stehe außer Frage, dass es in den Aufgabenbereich von Unternehmen fällt, Ausbildungsplätze bereitzustellen. Allerdings seien die Unternehmen weder für den demographischen Wandel noch für den schlechten Bildungsstand Bremer Schulabgänger verantwortlich. Genau das seien aber die Hauptursachen für den Fachkräftemangel.

Zu viele Rechtsverordnungen

Überdies werde die von einem Gesetz zu erwartende Berücksichtigung des Bestimmtheitsgrundsatzes im vorliegenden Gesetzentwurf nicht beachtet. Stattdessen werden wichtige Entscheidungen in noch zu erlassende Rechtsverordnungen delegiert.

Fazit Waldhoff: „Ich würde dringend davon abraten, das Projekt im Hau-Ruck-Verfahren weiterzuverfolgen“.

Zusammenfassung der Ergebnisse im Wortlaut

1. Die Einführung der im Entwurf des Gesetzes „zur Errichtung eines Ausbildungsunterstützungsfonds im Land Bremen“ vorgesehenen Ausbildungsabgabe begegnet erheblichen verfassungsrechtlichen Bedenken.

2. Bremen verfügt derzeit über die Gesetzgebungskompetenz zur Einführung einer Ausbildungsabgabe. Angesichts des laufenden Gesetzgebungsverfahrens
zur Einführung einer „Ausbildungsgarantie“ auf Bundesebene, die zu einem Ausschluss konkurrierender Landesregelungen führen kann, ist die nicht akut gebotene Einführung einer Ausbildungsabgabe auf Landesebene jedoch rechtspolitisch unklug.

3. Der Bremer Entwurf ist nicht mit den verfassungsrechtlichen Vorgaben für die Erhebung von Sonderabgaben vereinbar. Die vom Entwurf ausgewählte Gruppe von Abgabenschuldnern stellt keine homogene Gruppe dar, weil sie ohne erkennbaren Sachgrund einzelne Ausbildungsbetriebe der öffentlichen Hand von der Erhebung ausschließt. Die herangezogene Gruppe von Abgabenschuldnern trifft zudem keine besondere Finanzierungsverantwortung für das sehr allgemein gehaltene legislative Sachziel einer „besseren Versorgung“ mit Fachkräften. Der Fachkräftemangel hat vielfältige gesellschaftliche Ursachen, die nicht im besonderen Verantwortungsbereich der Arbeitgeber liegen, der sich darauf beschränkt, eine ausreichende Zahl von Ausbildungsplätzen bereitzustellen. Auch die gruppennützige Verwendung der erhobenen Mittel ist aus diesem Grund nicht hinreichend sichergestellt.

4. Der Entwurf ist mit den grundrechtlichen Anforderungen an den Vorbehalt des Gesetzes nicht vereinbar. Eine Delegation an den Verordnungsgeber kommt bei Sonderabgaben nur in engen Grenzen in Betracht. Diese Grenzen werden durch den Entwurf überschritten. Die Abgabenhöhe ist weder gesetzlich bestimmt noch hinreichend vorhersehbar. Sie orientiert sich an Kostenpositionen, die ihrerseits weitgehend in der Entscheidungsmacht des Senats und des Verwaltungsrates des Fonds liegen.

5. Der Bremer Entwurf ist nicht verhältnismäßig. Die Geeignetheit ist teilweise zweifelhaft, jedenfalls fehlt es an der Erforderlichkeit der Ausbildungsabgabe.

6. Die Bremer Industrie- und Handelskammer kann vor dem Staatsgerichtshof Bremen eine gerichtliche Prüfung der Verfassungsmäßigkeit des Gesetzes herbeiführen.

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