Andreas Bovenschulte hatte offenbar keine Lust sich zu streiten. „Beim Ausbildungsfonds werden wir nicht mehr zusammen kommen“, sagte der Präsident des Senats bei seiner als Erwiderung gedachten Rede vor den Teilnehmern des Gästeabends des Einzelhandels der Handelskammer Bremen und des Handelsverbandes Nordwest.
Stattdessen versuchte es Bovenschulte mit einer verbalen Umarmung. Zu 90 Prozent gebe es Übereinstimmung zwischen Senat und Wirtschaft, behauptete er. „Wir brauchen eine starke Wirtschaft, weil das die Voraussetzung für gute Arbeitsplätze ist und das ist wiederum die Voraussetzung für eine soziale Gesellschaft“, sagte Bovenschulte.
Kritik an Ausbildungsfonds
Zuvor hatten sowohl Handelskammer-Präses Eduard Dubbers-Albrecht als auch sein Vize Stefan Brockmann und Stefan Storch, Vizepräsident des Handelsverbandes Nordwest ihre Kritik an der inzwischen beschlossenen Ausbildungsplatzabgabe deutlich gemacht. „Der Fachkräftemangel ist zu einem Arbeitskräftemangel geworden. Die Ausbildungsplatzabgabe ist der völlig falsche Weg, diesem Mangel beizukommen. Wir sind gegen mehr Bürokratie, vor allem auch deswegen, weil wir überzeugt sind, dass eine Abgabe keine zusätzlichen Ausbildungsplätze schafft“, sagte Dubbers-Albrecht.
In der Tat formulierten sowohl die Wirtschaftsvertreter als auch der Bürgermeister ähnliche Vorstellungen, wie sich die Bremer Innenstadt entwickeln soll. Etwa, dass Einzelhandel auch in Zukunft die tragende Säule und der Frequenzbringer sein werde. Zusätzlich sollen Gastronomie, Events und auch Wohnen Leben ins Zentrum bringen.
Lob für Rechtswissenschaften und Stadtmusikantenhaus
Brockmann lobte in diesem Zusammenhang die Entscheidungen, die Rechtswissenschaften in die Innenstadt zu holen und das Stadtmusikantenhaus im Balgequartier anzusiedeln. „Bremen wird hier und an anderer Stelle neu. Wir gewinnen an Attraktionen und neuen Nutzungsangeboten“, so Brockmann.
Der Vize-Präses und Vorsitzende des Ausschusses für Einzelhandel und verbraucherorientierte Dienstleistungen der Handelskammer forderte bei der Umsetzung von Projekten die hanseatische Bescheidenheit abzulegen. Bremen dürfe gerne groß denken. „Lassen Sie uns mit nicht weniger als dem ersten Platz zufrieden sein“, sagte Brockmann.
Innenstadt als Chefsache
Er forderte den Bürgermeister auf, die Innenstadtentwicklung zur Chefsache zu machen. Das dürfte Bovenschulte gefallen haben. Genau diese Rolle hatte er auch auf dem jüngsten Landesparteitag der SPD für sich in Anspruch genommen.
„Wenn wir die Innenstadt nach vorne bringen wollen, müssen wir auch mal etwas ausprobieren“, sprach sich Bovenschulte ebenfalls für Wagemut aus. „Wir müssen mal mutig nach vorne gehen.“
Beurteilung der Verkehrssituation
Durchaus unterschiedlich beurteilten Wirtschaftsvertreter und Bürgermeister die verkehrliche Situation. „Maßnahmen, die die Erreichbarkeit einschränken, wirken abschreckend und kontraproduktiv“, erklärte Storch. Wenn die Kunden die stationären Geschäfte in den Innenstädten meiden, geht der Handel über kurz oder lang dorthin, wo die Kunden sind – im Zweifel auch online“, sagte er und warnte vor negativen städtebaulichen Auswirkungen.
Brockmann wurde noch deutlicher: „Natürlich sorgen wir uns darum, dass die Verkehrswende von vielen Betroffenen schlicht als Mobilitätsverlust empfunden wird.“ Das Verkehrsexperiment in der Martinistraße und der zweckfremde Premiumradweg am Wall hätten in ähnlicher Weise gewirkt. „Die Fülle der Radfahrer, die jeden Morgen über die Bischofsnadel oder die wenigen großen Weserbrücken in die Altstadt pendeln, werden wohl auch zukünftig keinen Grund haben, den Premiumradweg auf Höhe der Altstadt zu nutzen.
„Die Innenstadt muss erreichbar bleiben für alle Verkehrsmittel“, stimmte Bovenschulte zu. Gleichzeitig verteidigte er den eingeschlagenen Kurs als „stadtentwicklungspolitisch richtig“. Im historischen Prozess sei die City immer autoärmer geworden, dabei aber erreichbar geblieben, so Boverschulte und erinnerte an Zeiten, in denen noch Busse durch die Sögestraße fuhren.
Kein Geld für Karstadt
Das Thema Karstadt spielte beim Gästeabend des Einzelhandels im Rathaus natürlich auch eine Rolle. „Für Bremen ist es zu begrüßen, dass Sie und Frau Vogt sich persönlich für den Erhalt des Standortes einsetzen. Möglicherweise ist das letzte Wort zu der Schließung ja noch nicht gesprochen“, sagte Storch.
Ein möglicher Leerstand der Karstadt-Immobilie sei das Worst-Case-Szenario, formulierte Brockmann. Staatlichen Hilfen für den stark angeschlagenen Warenhauskonzern lehnte er als Unternehmer jedoch kategorisch ab. „Für finanzielle Herausforderungen ist Herr Benko verantwortlich, nicht die Öffentliche Hand“, betonte Brockmann.