Timo Vierow mit einem kleinen Teil der insgesamt 700 Kilo schweren Ausbeute an Geisternetzen.Foto: Projekt Ostfriesland Timo Vierow mit einem kleinen Teil der insgesamt 700 Kilo schweren Ausbeute an Geisternetzen. Foto: Projekt Ostfriesland
Umwelt

Auf Geisterjagd im Meer

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Für Umweltschutz und Tierwohl: Bremer befreit Wracks von alten Fischernetzen

„Hat das was mit Halloween zu tun?“ war bislang die ausgefallenste Frage, die Timo Vierow zum Thema Geisternetze gestellt bekommen hat.

Das war vor einem Jahr, als er das Ostfrieslandprojekt in Kooperation mit Ghost Diving Germany der Öffentlichkeit vorstellte.

Tödliche Falle für Meeresbewohner

„Inzwischen ist der Begriff schon ein wenig bekannter geworden“, sagt der versierte Hobby-Taucher. Das reiche aber noch lange nicht, denn das Problem betrifft letztlich alle Menschen: Fischereiausrüstung, die über Bord geht und in den Weltmeeren landet – mindestens 640.000 Tonnen jährlich.

„Wir reden schon von der Müllkippe Meer“, sagt Vierow. Besonders gefährlich sind die losgerissenen Fangnetze, die kilometerweit durch das Wasser geistern und auf ihrem Weg für Fische und Meerestiere zu tödlichen Fallen werden.

Irgendwann wickeln sich diese dann um Korallen – oder wie in Nord- und Ostsee – um Wracks. „Wir haben unzählige gesunkene Schiffe in der Nordsee, vor allem aus Kriegstagen. Und es gibt kein einziges netzfreies Wrack“, sagt der Bremer.

Gefährliches Mikroplastik

Vertüdeln sich die aus allen Teilen der Welt stammenden Geflechte dort, sind sie viermal am Tag der hin- und hergehenden Gezeitenströmung ausgesetzt. So wickeln sie sich nicht nur fester um die Wracks, die ständige Reibung zerstört das Material und setzt Mikroplastik frei, das letztlich auch in die menschliche Nahrung gelangt.

Wracktauchen – was sich im ersten Moment fast nach Schatzsuche anhört, ist tatsächlich harte Arbeit für die ehrenamtlichen Taucher. Mit scharfen Messern können sie immer nur kleine Stücke Netz absägen, die mit Hilfe von Hebesäcken an die Oberfläche gezogen werden.

Das alles unter rauen Bedingungen, denn die Gewässer etwa 14 Seemeilen vor Neuharlingersiel in rund 25 Metern Tiefe sind auch im Sommer nicht nur kalt, es herrscht oft auch Nullsicht: „Ab acht Metern ist Nacht!“.

Starke Strömung erschwert das Arbeiten

Die Gezeitenströmung sorgt zudem dafür, dass den Freiwilligen maximal eine Stunde unter Wasser bleibt – die Zeit zwischen Ebbe und Flut. Ansonsten ist die Strömung zu stark für die Knochenarbeit.

„Die Nordsee ist eines der anspruchsvollsten Gewässer der Welt für Tauchgänge“, sagt der 41-Jährige Versicherungsmakler. Klar, dass das Team aus erfahrenen Tauchern bestehen muss, die ehrenamtlich für Ghost diving Germany (ghostdivinggermany.org) arbeiten. Finanziert werden die Offshore-Trips durch Spenden und Kooperationen, die rund 10.000 Euro teure Ausrüstung, die jeder dabei hat, ist privat.

Etwa drei Mal im Jahr ist Vierow insgesamt auf Geisterjagd. Mit seinem Ostfrieslandprojekt ist er jetzt das zweite Mal in der Nordsee abgetaucht: Erst Ende Mai war das Team unterwegs, konnte insgesamt 700 Kilo herrenlose Fangnetze bergen. „Das klingt zwar vergleichsweise wenig, aber man muss ja mal anfangen“, sagt Vierow.

So gut es geht, wird der Müll entweder recycelt, gut erhaltene Stücke erhalten sogar ein upcycling, werden zu Armbändern, Schlüsselanhängern, Fußmatten für Autos, Sportkleidung oder auch Socken (healthyseas.org). Die Erlöse aus dem Verkauf kommen dann wieder der Geisterjagd zu Gute.

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