Seit 1912 gibt es den Albertushof auf der Grenze zwischen Delmenhorst und Harpstedt. Foto: Stiftung Waldheim Cluvenhagen
Stadtgeschichte

Der Albertushof ist ein besonderes Zuhause

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Der Albertushof besteht bereits seit 111 Jahren. 1912 baute Adalbert Wintermann den Hof auf

Der Albertushof auf der Stadtgrenze zwischen Delmenhorst und Groß Ippener besteht bereits seit 111 Jahren. Seine Gründung verdankt er Adalbert Wintermann, einem Pionier der Pädagogik für geistig behinderte Menschen. Der leidenschaftliche Lehrer verschreibt sich bereits früh dem Ziel, „minderbegabten“ Kindern durch eine besondere pädagogische Förderung die Chance auf einen verdienten Platz in der Gesellschaft einzuräumen.

Aufnahme von Adalbert Wintermann aus dem Jahr 1902. Er starb 1936 im Alter von 79 Jahren. Foto: Stiftung Waldheim Cluvenhagen

Geboren wird Wintermann 1856 in Kötermoor im Landkreis Wesermarsch. Im Alter von 19 Jahren wird er Hilfslehrer in Bremen-Oberneuland und im Jahr 1878 erhält er seine Zulassung als ordentlicher Lehrer an Volksschulen. 1898 gründet Wintermann mit einigen Mitstreitern den Verband Deutscher Hilfsschulen und wird deren Vorsitzender. Nachdem er 1887 in Gera an einer Hilfsschule hospitiert, beauftragt man ihn im November 1889 mit der Leitung der ersten, mit 17 Schulkindern eröffneten Hilfsschule in Bremen.

Zunehmend kritisch beurteilt Wintermann das staatliche Hilfsschulwesen. Fehlende Zeit für den einzelnen Schüler und die daraus resultierende mangelnde Unterstützung sind dabei wesentliche Kritikpunkte. Als Reaktion scheidet Wintermann 1903 auf eigenen Wunsch aus dem staatlichen Schuldiest aus.

Adalbert Wintermann geht neue Wege

Zeitgleich eröffnet er in Bremen-Huchting das „Gut Perle“, eine Einrichtung, in der Kinder und Jugendliche mit geistiger Behinderung beschult und auf das Arbeitsleben vorbereitet werden. Seine pädagogischen Prinzipien sind für die damalige Zeit äußerst modern. Die pädagogische Arbeit mit den Schülern erfolgt in kleinen Gruppen, die Beziehung zwischen Lehrkraft und Schüler ist familiär.

Ab 1912 baut Wintermann den Albertushof auf. Wo das Haupthaus entsteht, war vorher nur Heidefläche. Bäume wie Buchen, Ulmen und Eichen werden von den Bewohnern selbst gepflanzt und der Boden muss für die Landwirtschaft erst kultiviert werden. Hier realisiert Wintermann sein Anliegen, Wohn- und Arbeitsmöglichkeiten für ins Erwachsenenalter gekommene Schüler mit geistiger Behinderung anzubieten.

Blick in den Essbereich der Mädchen Foto: Stiftung Waldheim Cluvenhagen

Die Einrichtung wird als landwirtschaftlicher Betrieb eröffnet und als solcher zu einem Heim für 25 Erwachsene. Der Tagesablauf ist bestimmt durch den Stand der Sonne und die landwirtschaftlichen Erfordernisse. Das Wasser muss von Hand in die Wasserleitung gepumpt werden; Licht spenden Petroleumlampen.

Blick in die Diele. Foto: Stiftung Waldheim Cluvenhagen

Der Euthanasie-Erlass, also die systematische Ausrottung kranker und behinderter Menschen hat auf das Leben auf dem Albertushof glücklicherweise keine Auswirkungen. Zum einen fühlen sich sowohl Delmenhorst als auch Harpstedt nicht für den Hof zuständig und gucken nicht so genau hin. Darüber hinaus kommt dem landwirtschaftlichen Betrieb mit seinen dazugehörigen Arbeitern keine gesonderte Bedeutung zu. Auch den Krieg übersteht die Hofanlage unbeschadet. Bekannt ist heute, dass eine jüdische Bewohnerin zwecks „Familienzusammenführung“ von Regierungssoldaten abgeholt wird. Was harmlos klingt, bezeichnet ganz sicher kein harmloses Ereignis. Bei den Regierungssoldaten handelte es sich sehr wahrscheinlich um die Gestapo. Und die jüdische Bewohnerin wurde vermutlich umgebracht.

Schwere Zeiten

In der Nachkriegszeit leben zwar nur noch 18 Bewohner auf dem Hof, trotzdem ist das Haus überfüllt mit Geflüchteten. Es gibt keine Form der Sozialhilfe, was zu wirtschaftlichen Schwierigkeiten führt. Ein neuer Weg wird gegangen: Man nimmt Tuberkulosegeschädigte Kinder auf. Durch die damit verbundenen Fördergelder, Lebensmittelzuteilungen und die eigene Landwirtschaft ist der Lebensunterhalt vorerst gesichert.

Heute, 111 Jahre später, leben 75 Menschen mit geistiger und mehrfacher Behinderung auf dem Albertushof. Susanne Jaekel führt zusammen mit Christof Naber die traditionsreiche Einrichtung, die im Jahr 1993 als Schenkung an die Stiftung Waldheim Cluvenhagen überging, ebenfalls eine Einrichtung in der Eingliederungshilfe mit Sitz im Landkreis Verden.

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