Anrichten, Schreibtische, Nachtschränke: Insgesamt neun Möbel-Unikate aus den Händen von frisch ausgebildetem Tischler-Nachwuchs stehen am heutigen Sonntag in der Markthalle im Scheinwerferlicht. Alljährlich werden die Gesellenstücke bei der Ausstellung „Tischler und Kunst“ der Öffentlichkeit präsentiert, verbunden mit thematisch passender Kunst. „Das Tischler-Handwerk ist ein Gewerk mit einem bleibenden Ergebnis, das man vorzeigen kann“, weiß Sven Jochims, Geschäftsführer der Kreishandwerkerschaft Delmenhorst / Oldenburg-Land. Jeweils 100 Stunden hatten die Lehrlinge innerhalb eines vierwöchigen Zeitfensters zur Verfügung, um Möbelstücke für die laufende Prüfung zu entwerfen und zu fertigen. Nachdem die Stücke gestern vom Prüfungsausschuss bewertet und benotet wurden, dürfen sie heute von 11 bis 17 Uhr interessierte Besucher der Markthalle in Augenschein nehmen. Zudem gibt es die Gelegenheit, mit den Azubis ins Gespräch zu kommen.
Stücke mit besonderer Bedeutung
Gesellenstücke sind ganz besondere Werke, weiß Jochims. „Die Prüflinge nehmen sie mit nach Hause, viele Möbelstücke stehen noch irgendwo, bei Eltern, Großeltern oder im eigenen Zuhause“, so Jochims. Neben den formschönen Einrichtungsgegenständen zeigt Künstlerin Maren Panke aus Wilhelmshaven Holz-Skulpturen. „Sie ist zum zweiten Mal dabei und passt sehr gut zur Ausstellung, da sie auch viel mit Holz arbeitet. Sie bearbeitet es anders und macht sich dessen natürliche Form zunutze. Ihre Werke sind sehenswert und künstlerisch sehr wertvoll“, erklärt Carsten Wichmann, Obermeister der Tischler-Innung und Geschäftsführer der Ganderkeseer Tischlerei Sandkuhl.
Außerdem sind am heutigen Sonntag Schüler und Lehrkräfte aus der Berufsfachschule Holztechnik von den Berufsbildenden Schulen (BBS) II vor Ort, stellen Projektarbeiten vor und informieren über den schulischen Teil der Ausbildung. Zudem können sich Interessierte selbst an einer Hobelbank probieren.
Einrichtungsstücke aus Eiche, Esche und Co.
„Die Azubis sind alle sehr stolz auf ihren Beruf und ihre Gesellenstücke. Einmal Tischler, immer Tischler“, weiß Andrea Terwolbeck-Maasoumy, Berufsschullehrerin und Mitglied im Prüfungsausschuss. Trendholz sei in diesem Jahr Eiche, aber auch Möbelstücke aus Eschen- und Buchenholz sowie Linoleum sind zu bewundern. „Echte Hingucker“, verspricht die Lehrerin. Dabei konnten die Prüflinge selbst in Absprache mit ihrem Betrieb entscheiden, was für ein Möbelstück sie für einen angeblichen Kundenauftrag herstellen. Neben dem Einhalten bestimmter Kriterien ebenfalls wichtig: ein Zeitplan, eben ganz so wie bei einer echten Auftragsarbeit.
Exzellent gefertigte Gesellenstücke haben zudem die Chance auf eine Präsentation beim Bundeswettbewerb „Die gute Form“, der zunächst auf Innungs- und Landesebene ausgetragen wird.
Kennenlernen des Tischlerhandwerks
Reichlich Aufmerksamkeit also für die Werke des Nachwuchses. Und den Tischlerberuf. Probleme, passende Lehrlinge zu finden, gebe es in diesem Bereich zwar derzeit nicht. Tischler oder Tischlerin sei noch immer ein begehrter Beruf. „Noch können wir wählen, auch wenn es durch Corona etwas ins Stocken gekommen ist. Aber es gibt schon einen Fachkräftemangel“, schildert Wichmann. „Wir müssen immer wieder über den Beruf informieren. Das tun wir auch bei der Ausstellung. Viele wissen gar nicht, wie die Arbeit aussieht, oder denken, man muss unbedingt studieren“, sagt Jochims. Zudem würden die allgemeinbildenden Schulen zu wenig über Handwerksberufe informieren, meint Wichmann.
Und so soll die Ausstellung „Tischler und Kunst“ auch jungen Menschen eine Gelegenheit geben, das Tischlerhandwerk kennenzulernen und sich mit den Azubis auszutauschen. Zur Verköstigung werden Kaffee und Kuchen zugunsten der BBS II verkauft.