Hamme/Wümme Report: Frau Vogelsang, Sie haben sich mit der Geschichte der Hexenverfolgung im Landkreis beschäftigt. Wie sind Sie auf dieses Thema gekommen?
Andrea Vogelsang: Ich bin Mitglied im Heimatverein Lilienthal. Da gucke ich immer mal, was es über Lilienthal allgemein gibt. Dann habe ich auf einem Flohmarkt und per Ebay sehr alte Bücher erstanden. In einem war ein Passus: Hexenprozesse. Das waren vier Zeilen. Ich habe im Verein nachgefragt, und dort wusste niemand etwas davon. Also dachte ich: Das ist ja spannend. Die Region um Verden und Rotenburg herum war damals ganz stark von solchen Prozessen betroffen.
Damals heißt?
Der Zeitraum 1500 bis 1600.
Wie sieht Ihr wissenschaftlicher Hintergrund aus?
Gar nicht wissenschaftlich. Ich bin EDV-Dozentin. Daher habe ich aber schon immer viel mit Internet-Recherche zu tun gehabt. Habe ich auch unterrichtet.
Diese Kenntnis schließt auch Universitätsbibliotheken mit ein?
Ja.
Es fällt Ihnen also vergleichsweise leichter, an die passende Lektüre zu kommen?
Da ist auch Training gefragt. Aber man darf nicht vergessen: Jede Suche ist anders. Es kommt etwa darauf an, ob man etwas zu einer Person oder zu einer gewissen Historie sucht.
Sie haben in Ihrem Vortrag (wir berichteten) auch tatsächlich Personen namentlich genannt.
Das geht zurück auf den vierzeiligen Passus, da standen zwei Namen drin.
Der Ausgangspunkt.
Genau. Wo ich gedacht habe: Toll. Nicht nur, dass ich wusste, dass etwas passiert ist, sondern ich hatte direkt zwei konkrete Namen. Mittlerweile sind es zehn.
Zehn? Das war in einem Zeitraum von 50 bis 150 Jahren?
Das war von 1550 bis 1551. Die Frauen hatte alle etwas miteinander zu tun. Ich habe meinen Vortrag noch einmal gehalten und konnte da schon um einige Erkenntnisse ergänzen. Sie sind nicht alle auf dem Scheiterhaufen gelandet, bei einer weiß man es etwa nicht genau. Eine andere war schwanger und wurde zunächst nicht verurteilt. Was dann im Nachgang passiert ist, weiß man aber auch nicht. Es kommt erschwerend hinzu, dass bei einem Feuer in der Sankt Jürgens Kirche die Unterlagen vernichtet worden sind.
Sie mussten auch Lektüre bestellen. Auch aus dem Ausland?
Ja, aus Polen. Da ging es um den Hexenkataster. Im dritten Reich gab es ein großes Interesse an Mystik, da wurde das Thema mal aufgegriffen.
Der Kataster war also auch auf Deutsch?
Ja und die Unterlagen waren alle eingescannt.
Aber es gab auch Probleme?
Teils muss man Einsicht beantragen. Einige wollen dann auch eine stichhaltige Begründung hören, warum man seinen Antrag stellt.
Die Dokumente sind teils sehr alt, haben eine andere Schrift oder Sprache als heute. Sind Sie jetzt Expertin darin, solche Schriften zu übersetzen?
Wenn es offiziell gedruckt ist, ist das Entschlüsseln kein Problem. Schwierig wird es dann bei handschriftlichen Dingen. Man findet aber rein.
Können Sie den Ort bestimmen, an dem damals die Scheiterhaufen brannten?
Gegenüber des letzten Hauses von Truperdeich befand sich ein Hügel, der nach und nach abgetragen wurde. Um 1850 fand man hier in Gräben Reste von Särgen. Dieser Hügel hieß im Volksmund „ de Galgen“ bzw. „der Galgenberg. Man geht davon aus, dass dort auch die Scheiterhaufen standen.
Ihr Interesse an dem Thema kommt von einer menschlichen Seite?
Ja, aber auch zum Thema Frauengeschichte. Die geht generell in den meisten Gemeinden unter. Da muss man sich nur mal Straßen anschauen, die Namen sind meist auf Männer zurückzuführen.
Gibt es für Sie ein Ziel, an das Sie gerne gelangen möchten, um die Recherche ad acta legen zu können?
Ich bin noch scharf auf ein Papier. Es soll noch Gerichtsunterlagen geben. Irgendwo in Niedersachsen in einem Archiv. Das will ich noch haben.
Zur Person
Als Beauftrage für Datenschutz und Gleichstellung arbeitet Andrea Vogelsang in Ritterhude, ist aber auch in ihrem Wohnort Lilienthal sehr aktiv. Dort ist sie unter anderem Vorsitzende der SPD-Fraktion der Gemeinde.