Rudolf Hickel, geboren 1942, Professor für Finanzwissenschaft am „Institut Arbeit und Wirtschaft“ an der Universität Bremen. Er ist Mitherausgeber der Zeitschrift „Blätter für deutsche und internationale Politik“ und Sachverständiger beim Finanzausschuss des Deutschen Bundestags. Derzeit arbeitet er zur Kritik der Geldpolitik der EZB.Foto: pv Rudolf Hickel, geboren 1942, Professor für Finanzwissenschaft am „Institut Arbeit und Wirtschaft“ an der Universität Bremen. Er ist Mitherausgeber der Zeitschrift „Blätter für deutsche und internationale Politik“ und Sachverständiger beim Finanzausschuss des Deutschen Bundestags. Derzeit arbeitet er zur Kritik der Geldpolitik der EZB. Foto: pv
Interview

„Noch fehlt der Mut“

Von
Rudolf Hickel über die Zinsentscheidung der EZB und Auswirkungen auf Bremen

Weser Report: Wie bewerten Sie die aktuelle Zinsentscheidung der EZB?

Rudolf Hickel: Diese geldpolitische Botschaft aus Athen überrascht mich nicht. Der Leitzins, zu dem sich die Geschäftsbanken Geld bei der Notenbank ausleihen können, bleibt mit 4,5 Prozent unverändert. Die Gründe sind klar: Während die Inflation allerdings aus ganz anderen Gründen zurückgeht, wird die Wirtschaft durch die hohen Kreditzinsen immer stärker belastet. Noch fehlt der Euro-Notenbank jedoch der Mut, den Rückgang der Leitzinsen und damit ein zügiges Ende der Zinswende einzuläuten.

Schon zuvor waren Sie zu dem Schluss gekommen, dass es keinen Zusammenhang zwischen dem Sinken der Inflationsrate und der Geldpolitik der EZB gibt. Warum?

In der Tat, der Spitzenwert der Inflationsrate für den privaten Verbrauch mit über 8 Prozent im letzten Herbst hat sich bis zum September fast halbiert. Der Rückgang der Inflation wird sich im kommenden Jahr in Richtung 2,5 fortsetzen.

Diese Entwicklung hat jedoch kaum etwas mit der seit Juli 2022 die Wirtschaft belastenden Zinswende der Europäischen Zentralbank zu tun. Die anfangs galoppierende und dann rückläufige Geldentwertung wird von Anfang an durch die Energie- und dann auch noch durch die Nahrungsmittelpreise angetrieben. Auf diese strategischen Preise hat nun mal die Notenbank keinen Einfluss.

Wer sind die Verlierer, wer die Gewinner der Zinswende?

Die Banken haben zügig den in zehn Schritten angehobenen Leitzins an die Kreditkunden weitergegeben. Die hohen Zinskosten sind allerdings heute für die leicht schrumpfende Gesamtwirtschaft mitverantwortlich. Das trifft beispielsweise die Bäckerei oder Schreinerei in Bremen, die dringend zinsgünstige Kredite für ihre Investitionen zur Energieeinsparung benötigen. Dagegen stehen auf der Gewinnerseite die Banken mit ihren Zinsüberschüssen. Allerdings geben sie ihre Zinsvorteile nicht auf breiter Front an Sparerinnen und Sparer weiter.

Sie sprechen sich auch dafür aus, die langjährige Zielinflationsrate von 2 Prozent zu hinterfragen. Welchen Vorteil bringt eine höhere Inflation?

Die Notenbank verfolgt derzeit die Zielinflationsrate von zwei Prozent. Liegt die Geldentwertung beispielsweise nur bei einem Prozent, dann muss geldpolitisch nicht gegengesteuert werden. Dieser Inflationsspielraum wird zum Atmen der Märkte gebraucht. Immer wieder gibt es Vorschläge, diese Zielinflationsrate auf drei bis vier Prozent zu erhöhen.

Es geht um die bessere Anpassung der Wirtschaft an rapide Marktveränderungen bei gleichzeitiger Unterbindung sich aufschaukelnder Inflationserwartungen. Dazu ein Beispiel: Der Teil der Inflation, der politisch gewollt auf die Erhöhung der Preise durch die CO2-Abgabe zurückgeht, darf natürlich nicht durch die Geldpolitik bekämpft werden. Deshalb sollte die Zielinflationsrate auf die neuen Herausforderungen hin überprüft werden.

Geht die Inflation nicht zu Lasten der Verbraucher? Die Einkommen steigen nicht so schnell und so stark wie die Preise.

Ja, Inflation führt zu Kaufkraftverlusten und wirkt sozial ungerecht. Ein Beschäftigter mit einem Lohnabschluss von drei Prozent kann damit real nur über ein Prozent weniger kaufen. Dagegen wurde beispielsweise die Strom- und Gaspreisbremse eingesetzt.

Zum sozialen Ausgleich der oben angesprochenen, politisch gewollten Inflationskomponente ökologischer Umbau sollte umgehend das Klimageld eingeführt werden.

Der Steuerzahlerbund hat kürzlich im Interview mit dem WESER REPORT vor einer Vervielfachung der Zinslast für Bremen gewarnt, insbesondere durch das Sondervermögen zur Durchführung von Klimamaßnahmen. Kann es sich für Bremen überhaupt rechnen dafür drei Milliarden Euro neue Schulden aufzunehmen?

Dass mit der Zinswende die Finanzierungskosten künftig für Staatsschulden auch in Bremen steigen, ist eine Binsenwahrheit. Der Steuerzahlerbund ist auf dem anderen Auge blind. Mit der Kreditfinanzierung des Bremer Klimafonds wird eine zukunftsfähige-ökologische Wirtschaft auf den Weg gebracht. Und die ist die künftige Basis für nachhaltige Steuereinnahmen, aus denen dann auch die Zinsausgaben finanziert werden können.

Wann nimmt der Steuerzahlerbund endlich seine Gesamtverantwortung wahr und klärt die Menschen über die kaum noch beherrschbaren Kosten des ökologischen Nichtstuns durch den Verzicht auf ein schuldenfinanziertes Klimaprogramm mit der Folge drohender Produktionseinbrüche und damit ausfallender Steuern auf? Das ist, wie es das Bundesverfassungsgericht fordert, verantwortliche Politik des Landes Bremen auch für künftige Generationen.

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