Tim Nesemann ist promovierter Mathematiker und Diplom-Kaufmann. Er arbeitet seit 1995 bei der Sparkasse Bremen, gehört seit 2004 dem Vorstand an und ist seit 2009 Vorsitzender des Führungsgremiums.Foto: Schlie Tim Nesemann ist promovierter Mathematiker und Diplom-Kaufmann. Er arbeitet seit 1995 bei der Sparkasse Bremen, gehört seit 2004 dem Vorstand an und ist seit 2009 Vorsitzender des Führungsgremiums. Foto: Schlie
Interview

„Eigentlich normales Niveau“

Von
Vorstand Tim Nesemann über die Zinsentwicklung und die Situation der Sparkasse

Weser Report: Wie sind Sie mit der Geschäftsentwicklung der Sparkasse in diesem Jahr zufrieden? Erreichen Sie Ihre gesteckten Ziele?

Tim Nesemann: Wir sind mit dem Geschäftsverlauf sehr zufrieden, auch deshalb, weil wir viele neue Kunden gewinnen. Das sehen wir an der Anzahl der Girokonten, die stark steigt.

Das sind sowohl Konten, die wir für geflüchtete Menschen, insbesondere aus der Ukraine einrichten, als auch für viele junge Menschen, die von anderen Banken zu uns wechseln. Und darüber freuen wir uns.

Wie beurteilen Sie die Zinsentwicklung der vergangenen Monate?

Ich finde es ist eine positive Entwicklung. Die Zeiten der Niedrigzinsen, der Negativzinsen, der Verwahrentgelte, die viele Banken auch im breiten Privatkundengeschäft erhoben haben, sind eine Belastung gewesen. Jetzt haben wir mit positiven Zinssätzen, die in den nächs­ten Monaten und Jahren auch noch weiter steigen werden, endlich wieder die Situation, dass man für sein Erspartes auch Zinsen bekommt.

Die Kehrseite der Medaille sind die Finanzierungskunden. Es belastet zum einen die Unternehmen stark, die jetzt für ihre Kredite höhere Zinsen bezahlen müssen, und zum anderen auch den privaten Häuslebauer, der nun viel mehr Geld aufwenden muss für Zins und Tilgung als er das noch vor zwei Jahren hätte tun müssen.

Ist für einen Durchschnittsverdiener-Haushalt ein Hauskauf überhaupt noch finanzierbar?

Auf jeden Fall, aber man muss die Ansprüche reduzieren. Dadurch, dass die Zinsen so niedrig waren, war es eben möglich, sich auch Immobilien zu leisten, die man sich heute nicht mehr leisten kann. Da die Einkommen nicht im selben Maß gestiegen sind, wie die Belastungen der Haushalte durch die Inflation, steht weniger Geld zur Verfügung.

Gleichzeitig ist der Betrag an Finanzierung, den man sich leisten kann, durch die Zinsen deutlich kleiner geworden. Das ist für manche Bürger eine bittere Erkenntnis, weil gerade diejenigen, die sich in den letzten anderthalb Jahren konkret mit einem Hauskauf beschäftigt haben, nun feststellen, dass sie sich das nicht mehr leisten können. Für diese Personen ist es emotional sicherlich sehr herausfordernd.

Ist das Ende des Anstiegs der Leitzinsen schon absehbar oder erwarten Sie, dass die Europäische Zentralbank noch weitere Schritte gehen wird?

Die EZB hat zuletzt zwischen den Zeilen schon geäußert, dass sie sich selber auf dem Höhepunkt sieht und jetzt erstmal abwarten will, ob das nicht schon reicht.

Wir bei der Sparkasse Bremen gehen davon aus, dass die Zinsen nicht mehr in dem Maße steigen werden wie in den vergangenen zwölf Monaten. Ich gehe allerdings nicht davon aus, dass die Zinsen kurzfristig wieder sinken werden.

Das wäre ja angesichts der Inflation auch gar nicht so gut.

Genau. Nun habe ich gerade gelesen, dass die Inflation deutlich zurück gegangen ist. Das wären erste positive Signale. Ich glaube aber, dass wir noch mindestens zwei Jahre über zwei Prozent Inflation haben werden und so lange werden auch die Zinsen nicht gesenkt werden.

Eigentlich haben wir es jetzt mit einem normalen Zinsniveau zu tun. Das haben wir nur vergessen, weil man sich in den vergangenen Jahren Geld fast kostenlos leihen konnte.

Seit dem Umzug in den Technologiepark befindet sich die Sparkasse Bremen in einer neuen Arbeitswelt. Wie hat sich das bewährt?

Durch Corona sind wir ja erst seit einem Jahr hier so richtig im Technologiepark angekommen und im Vollbetrieb. Da mussten sich auch erstmal alle dran gewöhnen. Es gab auch schon Tage, wo man dann nicht seinen Lieblingsschreibtisch bekam oder mal ein paar Meter weiter laufen musste. Das waren Umgewöhungsprozesse. Ich glaube aber, dass der allergrößte Teil der Mitarbeitenden es schätzt, dass wir hier durch das neue, offene Raumkonzept viel mehr Austausch und Interaktionen haben.

Man kann sich an vielen Stellen aufhalten, trifft dort Kolleginnen und Kollegen und ist dadurch viel flexibler in der Abstimmung. Auch die soziale Gemeinschaft wird gut gelebt, weil wir nicht mehr in ihren kleinen Einzelbüros hocken. Man begegnet sich überall auf Augenhöhe und das kommt wirklich gut an. Dies gilt auch für das Arbeiten in den Filialen.

Sehen Sie sich in dieser Hinsicht als Vorbild für andere Unternehmen?

Ja. Das war zwar nicht das Ziel, aber das ist ein Ergebnis. Wir haben wirklich viele Firmen aus Bremen, die uns hier besuchen, die das Raumkonzept und das agile Arbeiten von uns lernen wollen. Wir haben aber auch darüber hinaus aus dem gesamten Bundesgebiet Besuch von Unternehmen, die sich von uns inspirieren lassen wollen.

Wie geht es weiter mit der Sparkasse? Welcher Entwicklungsschritt folgt als nächster?

Wir wollen weiterhin in den Ausbau unserer Filialen investieren. Wir haben mittlerweile unter anderem acht Stadtteilfilialen, 15 sollen es werden, wo wir in der Regel Automaten und Bargeldverkehr ein bisschen abgetrennt haben. Dort schauen wir in die Zukunft und bieten digitale Serviceleistungen an. Wir wollen unsere Kundinnen und Kunden konkret unterstützen, damit sie sich bei den zunehmenden digitalen Angeboten zurecht finden und die richtigen Entscheidungen treffen.

Das ganze wird verknüpft mit Angeboten, die ich mal als Erlebnis im weiteren Sinne bezeichne. Wo man sich bei uns tagsüber oder abends in den Räumlichkeiten trifft, um Finanzthemen zu besprechen oder auch Dinge außerhalb des reinen Finanzgeschäftes. Dazu zählt dann auch, dass etwa der Fensterbauer aus dem Stadtteil mal erzählt, wie man sein Haus besser sichert. Die lokale Community aus Gewerbetreibenden und Privatpersonen soll einen Ort haben, wo man sich trifft und austauscht. Wir sind dann natürlich immer die Experten, wenn es um die Finanzen geht. Da ist man auf Augenhöhe mit den Kunden. Das kommt wirklich gut an. Auch bei den Mitarbeitenden. Die brennen für das Konzept und strahlen das auch aus.

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