Aufnahme des Graftbades aus dem Jahre 1925. Foto: Stadtarchiv Delmenhorst
Historie Delmenhorst

Graft war Naturbad

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Heute unvorstellbar: Bis 1962 schwammen die Delmenhorsterinnen und Delmenhorster im trüben Graftwasser.

Heute geht man in Delmenhorst zum Schwimmen in die GraftTherme – eröffnet im Jahre 2011. Eine erste Badestelle – direkt in der Graft an der Wassermühle – gab es bereits ab 1874. Mit einem Schwimmbad hatte sie jedoch nichts gemein.

Frauen und Männer baden getrennt voneinander

Elf Jahre später gründete sich der „Verein für öffentliche Bäder“ und eröffnete gegenüber der heutigen Minigolf-Anlage das Graftbad. Anfangs durfte es nur von der männlichen Bevölkerung besucht werden. Erst ab 1894 erlaubte man auch Frauen das Baden in der Öffentlichkeit; unter Einhaltung bestimmter Vorschriften (Kleiderordnualsng, Sichtschutz, Aufseher). Von da an war das Graftbad in zwei Bereiche aufgeteilt: rechts lag das Herrenbad mit dem Sportbereich, begrenzt durch zwei begehbare Startbrücken, zum Graftarm nach außen aber offen. Auf der linken Seite war das Damenbad mit Spielwiese, Sandstrand und dem Nichtschwimmerbereich.

Heinz-Ulrich Hoffmann erinnert sich an seine Kindheit im Graftbad

Im Heimatjahrbuch 2023 des Heimatvereins Delmenhorst erinnert sich Heinz-Ulrich Hoffmann (geboren 1951) an seine Kindheit im Graftbad: „Mit sechs Jahren lernte ich dort Schwimmen. Anstelle von Schwimmflügeln gab es zwei aufblasbare Leinensäcke und vor meiner Nase eine Stange, mit der mich der Schwimmmeister Meter für Meter vorwärts lockte, bis ich es geschafft hatte. Und alles im naturtrüben Wasser, das nur 30 Zentimeter Sicht unter Wasser erlaubte. Dann fehlte noch der Startsprung von der rechten Startbrücke – ich glaube, ich wurde eher geschubst, als dass ich den Mut zum Sprung hatte. Aber es hat sich gelohnt, denn ich war der Erste in der Klasse 1a der Jahnschule, und wurde von unserem Klassenlehrer gelobt und bekam von ihm eine Tafel Schokolade geschenkt. Das war eine tolle Auszeichnung.“

Auch an den Aufseher des Fahrradstandes– einen athletischen Mann mit weißer Kapitänsmütze – hat Heinz-Ulrich Hoffmann noch lebhafte Erinnerungen: „Er war ein Original, wirkte ein bisschen wie Hans Albers. Besonderes Kennzeichen außer seiner Kapitänsmütze: er hatte nur ein Bein, war aber mit seiner Krücke so schnell, dass wir uns ihm gegenüber keinen Scherz erlaubten. Ich habe es selbst nicht gesehen, aber angeblich soll er eines Tages auf den Sprungturm geklettert sein, dann vom 3-Meter-Sprungbrett auf das 1-Meter-Sprungbrett runtergesprungen sein und von einen Köpper ins Graftwasser gemacht haben. Unglaublich, aber das verhalf ihm zu großem Mythos.“

Stadtbad öffnet 1963

1962 wurde das Graftbad aufgrund der mangelhaften Wasserqualität und nicht mehr zeitgemäßen hygienischen Gegebenheiten geschlossen. Bereits ein Jahr später eröffnete am Standort der heutigen GraftTherme das Stadtbad. Es gab zwei geflieste Außenschwimmbecken, ein 50-Meter-Sportbecken mit 10-Meter-Sprungturm, ein großes Nichtschwimmerbecken mit Rutsche und eine große Liege- und Sportwiese mit Kiosk. „Es wurde zum beliebten Treffpunkt der Jugend an schönen Sommertagen“, betont Heinz-Ulrich Hoffmann.

Schon im Jahr darauf ging ein Wunschtraum vieler Delmenhorster in Erfüllung: Am selben Standort wird ein Hallenbad in Betrieb genommen, das 1981 zu dem damals spektakulären Freizeitbad „Delfina“ umgestaltet wird. Zur Freude der Mitglieder des Delmenhorster Schwimmverein (DSV 05) verfügte das Hallenbad über 25-Meter-Bahnen. Damit konnten sie auch in den Wintermonaten trainieren. Bis 1964 gab es lediglich ein Hallenbad in Bremen-Mitte. Wöchentlich organisierte der DSV 05 die Wettkampfschwimmer eine Bustour nach Bremen.

bonna notte kündigt Ende der Badezeit an

„Im Stadtbad wurde das abendliche ‚Ende der Badezeit‘ mit dem Trompetensolo „Il Silenzio“ von Nini Rossi und einem „bonna notte“ angekündigt. Heute noch bekomme ich eine Gänsehaut, wenn ich den Klassiker höre. Dann werden sofort Erinnerungen von vor 60 Jahren wach“, sagt Heinz-Ulrich Hoffmann.

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