Die Delme: Wie ist das Gewässer noch zu retten? Foto: Konczak
Zustand der Delme

Tendenz zur Verschlechterung

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Landesamt sieht diffuse Einträge aus dem Umland als dringendstes Problem.

Angesichts des ökologischen Zustands der Delme sieht der Niedersächsische Landesbetrieb für Wasserwirtschaft, Küsten- und Naturschutz (NLWKN) eine negative Entwicklung. Wie die Fachbehörde auf Nachfrage erklärt, kann für das Fließgewässer derzeit zum größten Teil ein mäßiges ökologisches Potential festgehalten werden. Vereinzelt könne man Wasserpflanzen sowie die wirbellosen Tiere auch mit „gut“ bewerten. Aufgrund der Ockerproblematik und der Trübung gebe es jedoch eine Tendenz zur Verschlechterung. „Die Vielzahl an bereits umgesetzten strukturell verbessernden Maßnahmen hält momentan noch den Status Quo, daher ist es zwingend erforderlich, weiterhin Maßnahmen umzusetzen“, heißt es.
Die diffusen Einträge aus dem Umland stellen laut NLWKN das dringendste Problem in Bezug auf den Zustand der Delme dar. Dadurch würden teils starke Verockerungen und Trübungen hervorgerufen. Hauptauslöser für den kritischen Zustand seien die diffusen Einträge in das Gewässer im Zusammenspiel mit den geologischen Gegebenheiten im Einzugsgebiet der Delme.

Viel Nitrat im Grundwaaser

Aus Zahlen des Landkreises Oldenburg geht zudem hervor, dass das Grundwasser im Kreis seit einigen Jahren stark mit Nitrat belastet ist. Bei 30 von 57 Brunnen lag der Wert über dem Grenzwert von 50 Milligramm Nitrat pro Liter. Nachdem die Zahl von 2020 auf 2021 etwas gefallen war (66,3 auf 63,6), stieg sie im vergangenen Jahr wieder an auf 66,1. In 47 Messstellen wurden Pflanzenschutzmittel nachgewiesen.
Wie der Landesbetrieb weiter erklärt, wird die allgemeine Chemie der Delme wie Nährstoffe, pH-Wert, Leitfähigkeit oder Sauerstoff kontinuierlich – in der Regel monatlich – im Zuge des Gewässerüberwachungsprogrammes Niedersachsen (GÜN) des NLWKN an jeweils einer Messstelle in Harpstedt, Holzkamp, und Hasbergen untersucht. Darüber hinaus nehmen diese und noch weitere Messstellen die Biologie mit wirbellosen Tieren wie Libellen oder Großmuscheln, Wasserpflanzen und Fischen in der Regel alle drei Jahre im Rahmen eines Monitorings gemäß Wasserrahmenrichtlinie (WRRL) auf. Um das Ockerproblem zu bekämpfen, werden derzeit Lösungen in einem Projekt des Ochtumverbands erarbeitet und teilweise schon umgesetzt.

Vorschläge zur Verbesserung

Das NLWKN und das WRRL-Maßnahmenprogramm aus 2021 nennen diverse Vorschläge zur Verbesserung von Struktur und Zustand der Delme. Unter anderem: Vitalisierungsmaßnahmen etwa mit dem Einbau von Kiesbänken / Totholz zur Strukturverbesserung des Gewässers, die Verbesserung der ökologischen Durchgängigkeit an Querbauwerken, Maßnahmen zur gewässerschonenden Unterhaltung, die Förderung von standortgerechten Ufergehölzen sowie Maßnahmen zur Auenentwicklung und zur Förderung der eigendynamischen Gewässerentwicklung.

Kritik von Naturschützer

Naturschützer Dietmar Bentien, der sich schon seit Jahrzehnten für die Delme engagiert, steht stetig in Kontakt mit Ämtern und Behörden. Und ist frustriert. „Der bedauerliche Zustand der Delme ist systembedingt. Es werden keine schnellen Entscheidungen getroffen. Keiner übernimmt Verantwortung, wenige zeigen Rückgrat. Hier muss die Politik in Hannover schnellstens eingreifen“, meint er. Bentien spricht von „größtenteils motivierten, in der Zwischenzeit aber frustrierten Behördenmitarbeitern“ aus den Bereichen Natur-. Umwelt- und Gewässerschutz, die ihm eingestanden hätten, ihre Pflichtaufgaben aufgrund anderer Aufgaben und Personalnot nicht mehr erfüllen zu können. Weiterhin hätten manche Organisationen Probleme mit „ewig gestrigen Landwirten“, der Umgang bei Regelverstößen sei zu milde, die Aufklärung über Natur-, Umwelt- und Gewässerschutz zu gering.
„Mir ist es völlig unerklärlich, wie es zu so einem bedauerlichen Zustand der Delme trotz Einstufung als niedersächsisches prioritäres Fließgewässer mit sehr hoher Priorität bezüglich Maßnahmenumsetzung kommen konnte“, moniert Bentien. Zumal die Delme als FFH-Gebiet Teil des europäischen Natura-2000-Netzes ist.

Auswirkungen auf den Fischbestand

Laut Niedersächsischem Landesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (LAVES) ist der Fischbestand der Delme zum Teil erheblich durch diverse Einflüsse beeinträchtigt. „Zwar lässt sich noch ein Großteil der etwa 22 Arten nachweisen, die unter vom Menschen weitgehend unbeeinflussten Bedingungen zu erwarten wären. Jedoch sind die Bestandsdichten vieler Arten gering oder der natürliche Altersaufbau ist gestört“, erklärt das LAVES auf Nachfrage. Davon betroffen seien auch „Allerweltsarten“, die eher geringe Ansprüche an ihren Lebensraum und die Wasserqualität stellen.
Durch den Ausbau des Gewässers für die Landentwässerung und den Hochwasserschutz fehle es an natürlichen Strukturen und einer entsprechenden Habitatqualität, die Fischen und Neunaugen geeignete Lebensräume und Laichmöglichkeiten bieten. Hinzu kämen fischschädliche Einträge unter anderem aus der Landwirtschaft und der Landentwässerung (Nährstoffe, Eisenocker).

Künstliche Erbrütung

Besonders betroffen sind laut LAVES diadrome Arten wie Meerforelle, Lachs, Flussneunauge, Meerneunauge und Aal. Derzeit fehle es an Gewässerabschnitten mit lockerer, kiesiger Gewässersohle, einer hohen Tiefen- und Breitenvarianz des Gewässerverlaufs sowie fließendes und kühles Wasser. Der Meerforellenbestand sei derzeit noch auf künstliche Erbrütung und Besatz angewiesen, um der Delme erhalten zu bleiben.
Als wichtige Maßnahmen zur Verbesserung des Fischbestandes nennt das Landesamt die Restaurierung von Kieslaichbetten und die Verbesserung der Gewässerstrukturen sowie der Habitatvielfalt. „Des Weiteren müssen durch den Rückbau der Querbauwerke die Wanderhindernisse für diadrome Arten zurückgebaut und eine stärkere Vernetzung des Gewässers mit der Aue gefördert werden“, erläutert das LAVES. Durch eine Reduzierung der Einträge aus dem Umland könne insbesondere die Entwicklung der Eier und Fischlarven verbessert werden. Zudem müsse die Gewässerunterhaltung den Erfordernissen des Fischartenschutzes angepasst und ein fischökologisch wirksamer Uferrandstreifen (natürlicher Gehölzsaum, Beschattung) entwickelt werden.

Wie der Ochtumverband gegen Eisenocker kämpft

Laut Ochtumverband weisen die Bodenverhältnisse im Einzugsgebiet der Delme vielerorts eine natürliche Grundlast an Eisenocker auf, die seit Jahrzehnten zu erhöhten Eisenwerten führt. Das Maßnahmen- und Umsetzungskonzept zur Reduzierung des Eisenockereintrages in die Delme und ihre Nebengewässer soll bis Ende 2023 fertiggestellt sein.
Grundsätzlich bestehe das Problem darin, dass eisenhaltiges Grundwasser in das Gewässer gelangt und in Verbindung mit Sauerstoff im Wasser und /oder Uferstellen ausfällt. Es sei zu überlegen, durch bauliche Maßnahmen den Wasserstand in der Delme anzuheben und damit auch den angrenzenden Grundwasserstand auf ein abgestimmtes Niveau zu heben. Damit würden die chemisch-physikalsichen Prozesse, die zur Ausfällung von Eisen führen, reduziert. Auch könnten laut Geschäftsführer Matthias Stöver nicht mehr benötigte Zulauf- und Entwässerungsgräben aufgestaut oder auch gänzlich dem Entwässerungssystem entzogen werden.

Ein Eisenockerfang im Purrmühlenbach. Foto: Ochtumverband

 

Ockerfänge in Nebengewässern

Zudem wurden und werden für ausgewählte Nebengewässer Ockerfänge gebaut. Dies sind Aufweitungen im Mündungsbereich der Gewässer zur Delme. Ergänzend dazu werden walzenförmige Reisig-Bündel zur Steigerung der Filterfunktion von Eisenpartikeln in die Aufweitungen gebaut. Durch die erreichte verlangsamte Fließgeschwindigkeit sollen sich die Eisenpartikel gezielt in den Aufweitungen absetzen und in den Bündeln verfangen. In diesem Jahr sind bereits drei Ockerfänge im Wasserzug vom Meyerhof, Purrmühlenbach sowie Wasserzug vom Schlutterdamm hergestellt worden, 2019 entstand der erste in einem Seitengraben in Horstedt. Außerdem wurden an den Randgräben des Hochwasserrückhaltebeckens Delmenhorst drei Stauhaltungen für den Eisenrückhalt hergestellt. Und es funktioniert: In den Aufweitungen und Stauräumen sammelt sich deutlich sichtbar Eisenocker, was dann ein Bagger gezielt dem Gewässer entnehmen kann. „Inwieweit dieser Effekt aber tatsächlich zu einer maßgebenden Reduzierung beiträgt, soll ein begleitendes Monitoring zeigen. Dessen Ergebnisse werden mit Spannung erwartet“, so Stöver.

Delme als Lebensraum erhalten

Durch viele Maßnahmen habe der Ochtumverband in den vergangenen Jahrzehnten dazu beigetragen, dass die Delme trotz Belastung zu einem der ökologisch wertvollsten Gewässer der Region zählt. „Sollte es gelingen, den Eisenockergehalt im Gewässer zu reduzieren, so sind wir davon überzeugt, dass die Wirkung der bereits durchgeführten Fließgewässerentwicklungsmaßnahmen sich erheblich steigern wird und die Delme als Lebensraum für Pflanzen und Tiere noch wertvoller wird“, so Stöver.

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